Mit Fernrohr zur Vorstellung
Filme ohne Bilder? »Ja, es funktioniert. Wir sind auf jeden Fall am Kino interessiert«, sagt Angelika Lamml vom Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund. Sie ist dort Koordinatorin für Barrierefreiheit in der Bezirksgruppe Mittelfranken und sie hat immer ein Monokular dabei, wenn sie ins Kino geht. Das Fernrohr hilft ihr, die Leinwand besser zu sehen. Freilich erkennt sie damit immer nur einen Ausschnitt. Raumeindrücke oder die Gestik der Darsteller kann sie dadurch oft nicht wahrnehmen. Zudem kann Angelika Lamml keine Farben sehen. »Da ist es auf jeden Fall gut, eine Begleitperson dabei zu haben, die einem erläutert, ob eine Farbe eine besondere Bedeutung hat und ob der Held nun grimmig oder ängstlich reagiert«, verdeutlicht sie. Dafür gewinnt in Angelika Lammls Welt die Filmmusik an Bedeutung. Klänge wie aus dem Film »Die fabelhaft Welt der Amelie« sind ihr stark im Gedächtnis geblieben. »Die Phantasie kommt einfach mehr zum Tragen, weil man sich viel vorstellen und im Kopf ergänzen muss«, resümiert sie. Der Kinobesuch in Begleitung ist für sie nicht nur wichtig, weil er zusammen mehr Vergnügen bereitet, sondern auch, weil es schwierig sein kann, den Weg in den Saal und wieder heraus zu finden und sich zu orientieren. Auch Lärm und Geräuschkulissen können verunsichern, und unzureichende Beleuchtung und Stufen bergen eine Stolpergefahr.
Hilfreich ist für Sehbehindert die Audiodeskription. Bei diesem Verfahren wird die Handlung kommentiert. Dinge, die man nur sieht, aber nicht hört, werden ausgesprochen. Eine Stimme sagt etwa: Der Täter schleicht herein und versteckt sich im Nebenzimmer. »Das wäre Inklusion pur, davon wünsche ich mir mehr«, sagt Angelika Lamml.
Doch genau daran fehlt es. Nur wenige Streifen besitzen Audiodeskription, weil das Verfahren teuer und aufwändig ist, sagt Theaterleiter Matthias Damm vom Casablanca Kino in der Nürnberger Südstadt. Das kleine, ambitionierte Lichtspielhaus würde »jederzeit gerne solche Filme zeigen«, wenn denn das Material vorhanden wäre. Doch hier ist Besserung in Sicht. Der Bundestag hat im Frühjahr dieses Jahres die Produzenten aufgefordert, das barrierefreie Filmangebot deutlich zu verbessern und auszubauen. Kulturstaatsminister Bernd Neumann kündigte an, dass die Herstellung einer barrierefreien Fassung zur Bedingung werden soll, um Filmfördergelder zu erhalten.
Der Standard ist unterschiedlich
Auch Hörgeschädigte brauchen technische Hilfen, um einen Kinobesuch genießen zu können. Induktive Anlagen sind in Lichtspielhäusern aber noch die Ausnahme. Diese Anlagen bestehen unter anderem aus einem Mikrophon, das den Ton aufnimmt, und einem Taschenempfänger mit induktiver Umhängeschleife. Mit diesem Gerät wird der Ton für Hörgeräte aufbereitet.
Eine behindertengerechte Ausstattung ist in den vielen Kinos in Nürnberg ein Thema, der Standard aber ist recht unterschiedlich. Das Cinecitta bietet ein bis zwei Rollstuhlplätze pro Saal, Rampen und zahlreiche Fahrstühle. Induktionsschleifen befinden sich in einigen Sälen. Es gab auch schon spezielle Gehörlosen-Veranstaltungen. Ein neues System für alle Säle ist in Planung. »Rollstühle sind bei uns keine Seltenheit, Behindertengruppen kommen öfter, was uns sehr freut«, berichtet Benjamin Dauhrer. Auch im großen Cinecitta-Komplex hat man Interesse an Kooperationen und würde gerne Filme mit Audiodeskription zeigen.
Vielfach Rollstuhlplätze vorhanden
Der Admiral Filmpalast in der Königstraße bietet ebenfalls in allen Sälen Rollstuhl-Plätze, heißt es auf Anfrage. Die Zugänge zu den Kinos und zu den gastronomischen Einrichtungen sind über Fahrstühle barrierefrei zu erreichen. Induktive Anlagen gibt es aber nicht.
Ebenso ist es im Erlanger Cinestar: Auch hier gibt es zwar keine Induktionsverfahren, aber Rollstuhl-Plätze, Aufzüge und übersichtliche Beschilderung. In Fürth ist das Programmkino Uferplast im Kulturforum gut ebenerdig erreichbar.
Der Behindertenrat Nürnberg verweist auf den sozialen Aspekt. »Ich gehe als blinder Mensch selbst zwar selten ins Kino«, sagt Gustav Doubrava, der den Ausschuss für Barrierefreiheit im öffentlichen Raum leitet. »Aber es hat doch viel mit Lebensfreude zu tun. Vor dem Fernsehen sitzt man alleine, nach dem Kino aber geht man noch aus, unterhält sich über den Film.« Radiohören sei keine Alternative, betont er. Sein Tipp: Im Notfall das Kino-Personal ansprechen, sich nicht scheuen, um Unterstützung zu bitten.
Auch Sonja Abend, die im Behindertenrat den Ausschuss für Bildung und Kultur koordiniert, mag Kino: »Die gesellschaftliche Teilhabe an einem Kulturgut ist wichtig. Gerade für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen haben Angebote vor Ort einen besondern Wert.« Darum wünscht sich der Behindertenrat, dass in punkto Barrierefreiheit nachgebessert wird. Immerhin leben schätzungsweise über 700 000 nichtsehende Menschen in Deutschland, rund 19 Prozent der Bevölkerung sind hörbeeinträchtigt.
Claudia Schuller
Foto: Filmverleih
Am Mittwoch, 10. Oktober 2012, um 19 Uhr läuft im Filmkunsttheater Casablanca, Brosamerstraße 12, in Nürnberg die Kinopremiere »Im Garten der Klänge«: Ein Dokumentarfilm mit Audiodeskription über den blinden Musiktherapeuten Wolfgang Fasser aus der Toskana. Angekündigt ist »eine poetische Entdeckungsreise in die Grenzgebiete der Kommunikation, ein leiser und berührender Film über die Welt der Töne, Klänge und Geräusche«. Die Veranstaltung findet im Rahmen der »Woche des Sehens« statt, die verschiedene Gruppen von Menschen mit Sehbehinderung organisieren. Das gesamte Programm der »Woche des Sehens« findet sich unter www.augenblick-mal.org
2 Antworten
Leider musste ich nach der Wiedereröffnung des Admiral Filmpalast in Nürnberg 2025 schlechte Erfahrungen machen.
Auf der Website lassen sich Rollstuhlplätze nicht reservieren. Eine Telefonnummer zur Reservierung sucht man ebenfalls vergeblich. Also hatte ich eine Email geschrieben mit der Bitte um Reservierung, die aber nicht beantwortet wurde.
Also bin ich einen Tag vorher hin und habe Karten vor Ort gekauft und den Ablauf geschildert.
Ein paar Wochen später wollten wir wieder ins Kino. Auch diesmal wurde unsere Email nicht beantwortet (und ja, ich habe auch in den Ordnern „unbekannt“ und „spam“ nachgesehen)
Auf mich wirkt es, als wollten die neuen Betreiber kein Interesse an Inklusion bekunden.