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Telemedizin unterstützt Herzpatienten zuhause

Michael Huber wurde von seiner Studienschwester in den Gebrauch des Telemedizin-Systems eingewiesen. Foto: Kirstin Linkamp/DZHI

Lange hat das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) für den Einsatz der Telemedizin in der Versorgung herzinsuffizienter Patienten gekämpft. Denn das hochkomplexe Krankheitsbild benötigt eine umfassende Betreuung durch spezialisierte Pflegekräfte, um Entgleisungen rechtzeitig zu erkennen. Nun besteht konkrete Aussicht darauf, dass herzkranke Patienten leitlinien- und bedarfsgerecht auch außerhalb der Würzburger Klinik versorgt werden können. Denn erstmals haben der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung telemedizinisch erbrachte kardiologische Leistungen in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgenommen. Im Rahmen der sogenannten PASSPORT-HF-Studie darf ab jetzt die ambulante telemedizinische Nachsorge von Herzinsuffizienzpatienten abgerechnet werden.

Monitoring des Lungenblutdrucks als Schlüssel

Trifft die Studie die Erwartungen, werden diese Leistungen und Vergütungen in Deutschland in die Regelversorgung übernommen. In der randomisierten PASSPORT-HF-Studie prüft das DZHI die Anwendung des sogenannten CardioMEMS™HF Systems. In den USA wurde bereits gezeigt, dass Herzinsuffizienzpatienten sich mittels Monitoring des Lungenblutdrucks besser behandeln lassen und Krankenhausaufenthalte und Sterblichkeit verringert sind. Der erste PASSPORT-Patient hat jetzt in der Uniklinik Würzburg den Sensor erhalten und wurde von seiner Studienschwester ins System eingewiesen.

Eine verschleppte Grippe hat Michael Huber (Name geändert) im Alter von 30 Jahren zum Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz gemacht. „Für mich war es eine Erkältung“, sagt der heute 39-Jährige aus Forchheim. Doch die Erkältung hielt ein halbes Jahr an. Als er zunehmend bei Belastung blau anlief, klingelten beim Hausarzt die Alarmglocken, die Untersuchungen ergaben eine Herzmuskelentzündung, die das Herz schon massiv geschwächt hatte. Mit Tabletten und einem implantierten Defibrillator kämpfte er sich zurück ins Leben, arbeitete Vollzeit als Verkäufer – bis der Defibrillator im August diesen Jahres 53 Mal in nur einer Woche einen Schock auslöste. Wassereinlagerungen und Leber- und Nierenversagen kamen hinzu. Michael Huber wurde das DZHI der Uniklinik Würzburg empfohlen. Hier bot man ihm die Teilnahme an der neuen PASSPORT-HF Studie an.

Fernüberwachung des Drucks in Lungenarterie kann Prognose verbessern 

Die vom DZHI geleitete und vom Institut für Herzinfarktforschung Ludwigshafen durchgeführte randomisierte PASSPORT-HF Studie prüft die Anwendung des CardioMEMS™ HF Systems im deutschen Gesundheitssystem. Das System besteht aus drei Komponenten: ein Sensor wird Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz in die Lungenarterie implantiert; ein „intelligentes Kissen“ dient als Mess-Station; eine sichere Datenbank empfängt die täglich gemessenen Werte, wo sie vom Betreuerteam beurteilt werden können. Ein Druckanstieg in der Pulmonalarterie lässt meist schon Wochen vorher eine drohende Entgleisung erkennen. So kann durch eine geeignete Therapieanpassung eine weitere Verschlechterung, ein Krankenhausaufenthalt oder Schlimmeres verhindert werden.

PASSPORT-HF wird an etwa 40 Zentren in Deutschland durchgeführt. 560 Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz, die im vergangenen Jahr mindestens einmal im Krankenhaus wegen einer Herzinsuffizienz behandelt wurden, sollen aufgenommen und zunächst über zwölf Monate betreut werden. Die eine Gruppe (Intervention) erhält das CardioMEMS™ HF System und kann mit Hilfe der Lungendruckwerte durch die Behandlungsteams intensiviert behandelt werden. Die andere Gruppe (Kontrolle) wird zu Studienbeginn angeleitet, sich selbst zu beobachten, also Blutdruck, Herzfrequenz, Gewicht und Wassereinlagerungen im Körper zu messen und zu dokumentieren. Die Ergebnisse werden telefonisch abgefragt und zur Optimierung der Therapie herangezogen.

Rechtzeitig reagieren und Therapie flexibel anpassen

Michael Huber sagte sofort zu. Das Los entschied, dass er das System erhält. Somit ist er deutschlandweit der erste Patient, dem im Rahmen der Studie ein Sensor implantiert wurde. Daheim leitet der Franke nun täglich mit dem speziellen Auslesegerät seine Werte ab. Je nach Ergebnis wird die Therapie flexibel angepasst. „Ich habe große Hoffnung, dass bei einer Verschlechterung jetzt viel schneller und damit rechtzeitig reagiert werden kann“, sagt Huber.

Herzinsuffizienz-Pflegekräfte sind Herzstück der Behandlung

„Das CardioMEMS™ HF System liefert uns neue, bisher nicht zugängliche Informationen, Tag für Tag. Die Druckwerte sind jedoch nur ein Teil der Versorgungskette, sie stellen selbst noch keine Therapie dar“, sagt der Leiter der Studie, Prof. Dr. Stefan Störk. „Wichtig ist, dass die übertragenen Messwerte regelmäßig von einer geschulten Herzinsuffizienz-Pflegekraft und im Bedarfsfall zusätzlich vom Arzt betrachtet und interpretiert werden, sodass Medikation und Therapie zeitnah angepasst werden können. Der Mehrwert des Systems hängt ganz entscheidend davon ab, dass der Patient die tägliche Messung durchführt und dann auch die Behandlungsempfehlungen umsetzt.“

Seit vielen Jahren setzt sich das DZHI für eine umfassende Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz ein. Denn das hochkomplexe Krankheitsbild benötigt eine umfassende, multidisziplinäre Versorgung. Um drohende Entgleisungen frühzeitig zu erkennen und Krankenhausaufenthalte zu vermeiden, wurde am DZHI für Hochrisikopatienten z.B. das Versorgungsprogramm HeartNetCare-HF™ entwickelt. Der Schlüssel zum Erfolg dieses Programms sind spezialisierte Herzinsuffizienzschwestern und -pfleger. Schon in der Klinik schulen sie Patienten und ihre Angehörigen in der Selbstüberwachung von Blutdruck, Herzfrequenz, Körpergewicht und Beschwerden.

Versorgungsprogramm hat Wirksamkeit bewiesen 

Nach der Entlassung bricht der Kontakt nicht ab, sie telefonieren regelmäßig mit ihren Patienten, kontrollieren die Werte und stellen bei Bedarf in Absprache mit den Ärzten die Dosierung der Medikamente um. Es ist das erste Versorgungsprogramm, für das im deutschen Gesundheitssystem ein Wirksamkeitsnachweis erbracht wurde. Schon nach sechs Monaten war die Sterblichkeit in der HeartNetCare-HF™ Gruppe im Vergleich zur herkömmlich behandelten Patientengruppe um 38% vermindert. Das sind Ergebnisse, die mit keinem einzelnen Medikament erreicht werden können. Besonders ältere und schwerer erkrankte Patienten profitierten von der Telefonbetreuung. Den größten Überlebensgewinn hatten Patienten, bei denen eine depressive Verstimmung als Begleiterkrankung vorlag. Auch die Lebensqualität und körperliche Leistungsfähigkeit besserten sich signifikant. Die Patienten nahmen ihre Medikamente regelmäßiger ein und betrieben eine effektivere Selbstüberwachung.

Pauschalen für telekardiologische Leistungen dürfen erstmals abgerechnet werden

Leider gab es für diese vielversprechende Betreuungsform bisher von den Krankenkassen keine Finanzierung. Doch die Aufnahme der Leistungsziffern für Telemedizin in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab gibt Hoffnung. Vorerst darf nur im Rahmen der PASSPORT-Studie abgerechnet werden. Trifft die vom Gemeinsamen Bundesauschuss (G-BA) beauftragte PASSPORT-HF Studie jedoch die Erwartungen, werden die Leistungen in die Regelversorgung übernommen.

Zur Herzinsuffizienz: Fast vier Millionen Menschen leiden in Deutschland unter einer Herzinsuffizienz. Die Ursachen sind komplex. Die Lebenserwartung nimmt stetig zu und akute kardiovaskuläre Erkrankungen werden immer häufiger überlebt – nicht selten mit einer Herzinsuffizienz als Langzeitfolge. Hinzu kommen zahlreiche weitere Erkrankungen sowie gravierende Einschränkungen der Lebensqualität. Diese Volkskrankheit stellt sowohl für die Betroffenen als auch für das Gesundheitssystem eine enorme Belastung dar.

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