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Eine ganze Familie hat Benzin im Blut

Benzin im Blut: Claus Merk mit Tochter Christine Cameron vor ihren Schätzen. Foto: Michael Matejka

Dieser Zweitürer musste es sein. Selbst wenn eine Birke darauf beharrt hatte, sich ihren Weg mitten durch Boden und Stoffdach zu bahnen. Und er trotzdem noch 1000 D-Mark mehr kosten sollte als ein viertüriger Mercedes. Ohne Birke. Von der ließ sich Claus Merk jedoch nicht abhalten, seine erste restaurierungsbedürftige Karosse zu erwerben: ein Mercedes 220 S Cabrio, Baujahr 1957. Gefunden im Hinterhof einer Nürnberger Tankstelle an der Straße nach Erlangen. 

Doch vor allem ging es Merk darum, den Klassiker wieder zu einem Schmuckstück zu machen. »Das hat bestimmt ein Jahr gedauert.« Es war das letzte handgefertigte Modell der Serie, erfuhr der Hobby-Restaurateur auf Nachfrage im Mercedes-Werk, das sonst alle Unterlagen dazu bereits vernichtet hatte. Zu gering war die Stückzahl gewesen. Beige der Lack, braun-rot die Ledersitze, mit einem Armaturenbrett aus Ebenholz und Zebrano, darin eingelassen ein kleiner eleganter Aschenbecher in Chrom – so richtete Merk das Auto wieder her. »Damals eigentlich noch stümperhaft«, sagt er mit seinem heutigen Wissen. 

Aus Leidenschaft wurde ein Museum

Das war Mitte der 70-er Jahre. Seitdem sind nicht nur viele alte, sondern besondere und seltene Autos hinzugekommen. Gleichzeitig hat er seine Kenntnisse der Aufarbeitung verfeinert – auch dank eines Netzwerkes, das Merk um seine Leidenschaft gewoben hat. Zu sehen und bestaunen sind alle seine Gefährte in seinem eigenen Museum, das ebenfalls zuerst restauriert werden musste, bevor es 2011 eröffnen konnte: Merks Motor Museum im Nürnberger Nordosten. 

Die Idee war ihm zehn Jahre zuvor beim Anblick seiner bis dahin 40 Oldtimer gekommen, die Merk – mittlerweile vom Devisenhandel erfolgreich ins Gewerbeimmobilien-Geschäft gewechselt – in verschiedenen Hallen untergebracht hatte. Als er dann von der frei gewordenen alten Fensterfabrik Johann Schlee unweit des Ofenwerks in Schafhof hörte, setzte er auch diese Idee um. 

Hier fuhren Brigitte Bardot und Gunter Sachs

Hier befindet sich der 220 S in bester Gesellschaft mit vielen Coupés, die der Autonarr in den ersten Jahren vorzugsweise sammelte. Hinzu kamen aber auch Rolls Royce, etwa der des aus Schweinfurt stammenden Industriellensohnes Gunter Sachs »und in dem mit Sicherheit auch seine damalige Frau Brigitte Bardot saß«. Der Jaguar XK 140 von 1955, feuerrot mit schwarzen Ledersitzen, »ist eine Wucht in Dosen«, schwärmt Merk. Mehr als 70 Rallyes habe er damit absolviert. »Mit seinen 210 PS ist er schon schnell, wenn er einfach nur dasteht«, lässt er seiner Begeisterung freien Lauf. Wie auch über seine Frau, die seine Leidenschaft nicht nur ertrug, sondern teilte und mitunter sogar befeuerte. »Gewonnen habe ich bei den Rallyes nur mit meiner Frau auf dem Beifahrersitz.« Auch die beiden Töchter haben das Benzin im Blut mitbekommen, Tochter Christine Cameron leitet das Museum.

Längst sind es aber nicht mehr nur die großen und rassigen Schlitten, die es Merk angetan haben. Zu finden ist hier auch die »Badewanne«, als die der Ford M17 P3 berühmt wurde. Ein Goggomobil steht im Museum ebenso wie ein VW-Käfer oder ein Opel Kadett D – »Brot- und Butter-Autos«, nennt er sie. Insgesamt 90 Autos beherbergt das Museum aus jedem Jahrzehnt zwischen 1925 und 1992. 

Zu ihnen gesellen sich zudem 130 Motorräder. Was bei den Vierrädern nicht möglich war, gelang bei den Zweirädern: »Sie stammen alle aus Nürnberger Produktion«, berichtet er. Victoria und Hercules waren die ersten, die Anfang des vergangenen Jahrhunderts mit ihren Produkten auf den Markt kamen. Gut 50 verschiedene Hersteller beziehungsweise Marken gab es zu Spitzenzeiten. 

Nostalgie »made in Nürnberg«

Und wo Merk einmal dabei war, wohl vor allem eher bei Männern nostalgische Gefühle heraufzubeschwören, machte er gleich weiter: mit Schreibmaschinen, Küchengeräten, Telefonen, Aufnahmegeräten und Fotoapparaten, die meisten davon »Made in Nürnberg« und eine Leistungsschau der hiesigen Industriestärke. Die nicht vollkommen wäre ohne die Spielzeugindustrie. Zumindest kleine Modellautos aus der Region machten über die Grenzen Deutschlands hinaus von sich reden. Finden sich unter den Modellen, vor allem der Marke Schuco, auch die Museumsexponate wieder? »Selbstverständlich«, sagt Merk, der sich als Pedant bezeichnet, »alle in der Farbe des Originals«.

Um viele seiner Ausstellungsstücke weiß er ebenso Geschichten und Anekdoten zu erzählen wie um die Oldtimer. Viele Geschichten kommen allerdings auch von den Besuchern selbst. Wie etwa von dem Mann, der seinen Sohn nahe – zu nahe – für ein Foto neben einem Motorrad platzierte: »für den Opa, der diesen Kugelblinker erfunden hat«. Gerne erinnert sich Merk auch an den Mann, der einen Schwung alter Wählscheiben-Telefone von AEG brachte. Die »Aaahs« und »Ooohs« und »Weißt-du-nochs« der Museumsbesucher machen Merk sichtlich Spaß. 

Autos sind für ihn keine Wertanlage, sondern Leidenschaft

Berührt war er von der Gruppe Demenzkranker, die erst schüchtern durch die 2000 Quadratmeter großen Räumlichkeiten liefen. Und plötzlich anfingen, sich beim Anblick der vielen, aus der Vergangenheit vertrauten Dinge lebhaft zu erinnern. »Da sind wir derzeit mit dem Seniorenamt Nürnberg in Verhandlung, um ein Angebot speziell für an Demenz erkrankte Menschen zu kreieren«, berichtet er. 

Merk selbst weiß noch genau, was er für seinen ersten Oldtimer – das 220 S Cabrio – bezahlt hat: 1400 D-Mark. »Für mich als jungen Banker damals ein ganzes Monatsgehalt«. Wie viel das Auto heute wert ist? »Bestimmt eine sechsstellige Summe«, sagt der Selfmademan mit den 14-Stunden-Arbeitstagen. Für ihn sind die Autos aber keine Wertanlage, sondern Leidenschaft. »Im Moment brechen die Preise ohnehin ein. In den kommenden Monaten wird sich zeigen, wer sich vertan hat«, sagt der Oldtimer-Experte. »Aber wenn man einfach eine Leidenschaft für schöne alte Autos hat, dann ist es nie Geldverschwendung.«

Text: Anja Kummerow
Fotos: Michael Matejka

Information:

  • Merk Motor Museum
  • Klingenhofstraße 51 in Nürnberg,
  • Do bis So von 10 bis 17 Uhr geöffnet
  • Eintritt 6 Euro, ermäßigt 4 Euro
  • Familienfeiern im Museum möglich

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