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Abschied von Tilikum

Hello All,  mir steht ein schwerer Abschied bevor, aus Altersgründen: von meinen Kanus; sog. „Kanadiern“*.  Das sind mit kurzem Stechpaddel einseitig gepaddelte, offene „Indianerboote“, in denen man kniet.  Für mich seit über vierzig Jahren meine verschwiegenen Begleiter über Flüsse und Seen.  Am besten in der Stille, früh morgens, wenn noch Dunst die Landschaft weichzeichnet und das Boot über den Wasserspiegel gleitet. Unsäglich kitschig- schön. Mein Lieblingsboot ist ein schlanker Einsitzer, 20 Jahre alt, aus Minnesota. Kippelig beim Einsteigen, doch flink, wenn ich erst mal sicher drin kniee.  „Tilikum“ hatte ich ihn getauft. West-Kanadas Chinook  nennen so vertraute Freunde. Indianer-Romantik von Treue und Natur, in gelben Kunstharz gegossen. Doch „Tilikum“ ist fünf Meter lang, an Land sperrig und gewichtig. Bevor mein Tilikum mich über den Fluss trägt, muss ich ihn schultern, aufs Autodach wuchten, festzurren, runterheben, zum Ufer packen, über Wehre, Bieberdämme oder umgestürzte Bäume wuchten und durch Brennnesseln und Matsch am Ufer schleppen. Mein Rücken beschwerte sich zunehmend nach solchen Ausflügen. Es mehrten sich Probleme mit Beinvenen;  gestaut, abgeklemmt und Thrombosen; vermutlich verschlimmert durch stundenlanges Knieen im Boot. Der perfekte Economy Class Effekt beim Wassersport. Dann kam das Vorhofflimmern und die freiheitsberaubende Diagnose, Herzpatient. Mein Hausarzt, selbst ein Paddler, redete mir ins Gewissen. Sinngemäß, er verlöre nur ungern vorzeitig einen Privatpatienten. SUP darf ich weiterhin paddeln, Im Stehen. Doch so ein aufblasbares Gummibrett hat keinen Namen, keine Seele.  Es nimmt mich nicht auf, wie die wohlwollende Schale eines Kanus. Auf dem SUP-Brett stehe ich herrisch, trete es, schau auf das Dings herab. Es rächt sich bisweilen durch Abwurf, ohne Vorwarnung. Ich bin ihm egal. Mein Tilikum ließ mich zumindest ahnen und bangen, bevor es uns zur Seite rollte und erneut taufte.

Vorbei, vorüber.  So muss sich die letzte Zigarette, der letzte Kuss am Bahnsteig anfühlen.  Ich habe heute Tilikum nochmal aufgeputzt, poliert, geölt. Aus Altersgründen abzugeben. Tilikum soll künftig andere wiegen, zu den kleinen Fluchten auf dem Wasser. Darf man einen treuen Begleiter verkaufen, gar auf Ebay? Man reicht ihn weiter, an einen Würdigen. Soviel Indianerehre muss sein, auch in Mittelfranken.

Ihr Global Oldie

*Im Gegensatz zu den tief liegenden Kajaks der Inuit/ Eskimos, die im Sitzen mit einem Doppelpaddel in plitsch-platsch – Manier betrieben werden.

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