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Ermutigung als Sinn des Lebens im Alter

vignette Hello All, ich saß, vorläufig noch als Besucher, im Aufenthaltsraum des Minoru – Altersheims; südlich von Vancouver, gegenüber des wuseligen Richmond Einkaufszentrums. Auch im Heim herrschte eher Trubel als Beschaulichkeit. Die Aufenthaltsräume am Eingang waren erfüllt von sehr alten bis sehr jungen Menschen. Von behutsamen Bewohnern an Gehhilfen und in Rollstühlen, flinkem Personal, lärmenden Besuchergruppen und ehrenamtlichen Teenagern. Kaffeegeruch mischte sich mit strengeren Gerüchen, Stimmen, Handysignale und Musik schwirrtenich umher. Die Farbvielfalt und Lebhaftigkeit des Ortes war bemerkenswert, genauso wie das Sprach- und Völkergemisch. Die Mehrheit der Leute um mich herum kam offensichtlich aus China, Indien, Pakistan, Japan und Korea; Vertreter der für Westkanada typischen Einwanderungs- „Minderheiten“*. Der bei Asiaten ausgeprägte Familiensinn mag eine Erklärung für die vielen Besucher sein. Hinzukommt, dass die höheren Schulen Kanadas das soziale Engagement der Schüler fördern und so zahlreiche Junge nachmittags zum Vorlesen, Spielen und Betreuung in die Seniorenheime gehen. Wie ich also da so saß und wartete, hörte ich das Gespräch zweier hochbetagter Bewohnerinnen mit. Sie waren offenbar von einem Treffen mit den jungen Freiwilligen gekommen. „Wirklich nett, diese jungen Dinger; sie geben sich solche Mühe mit uns Alten.“ „Mühe? ich sag‘ dir was: ICH mache mir Mühe mit denen.“ „Wie?“ „ Da druckst so ein Junges anfangs schüchtern herum, um das Gespräch in Gang zu bringen. Da frage ich, ob sie mir was sagen will oder ob ich was erzählen soll. Bisher waren alle dankbar, nichts von sich erzählen zu müssen. Hätte ich eh‘ nicht verstanden“. „Und dann?“ „Dann lächle ich so schön ich kann und schwärme los. Wie froh ich bin, heute auf ein so interessantes Leben zurück schauen zu dürfen. Dass ich nicht einen einzigen Tag im Leben bereue. Dass ich viel Freude erleben durfte; gerade auch in den reiferen Jahren. Dann lache ich. Erwähne, dass ich auch immer wieder echten Mist gebaut und aus jedem Fehler gelernt habe.“ „Meinst du das im Ernst?“ fragte die andere hörbar ungläubig. „Und dann pack‘ ich noch was drauf. Wie dankbar ich meinen Kindern bin, dass sie mich hier untergebracht haben. Wie viel leichter das Leben für mich geworden ist, seitdem ich in diesem Seniorenheim wohnen darf.“ „Na, da hast du mir bisher aber ganz andere Geschichten erzählt; das ist doch gar nicht wahr!“ „Stimmt genau, sagte ich dir doch: ICH gebe mir alle gottverdammte Mühe mit den jungen Dingerchen. Ich rede ihnen das Altern schön.“ „Verstehe. Und warum machst du das?“ „Weil das inzwischen mein letzter Sinn des Lebens ist. Jungen Menschen die Angst vor dem Altern zu nehmen. Ich will Ihnen ein Vorbild sein; ich spiele für sie die fröhliche Alte, die glückliche Greisin. Damit sie ihr junges Leben genießen können, ohne sich ständig vor unserem Zustand zu fürchten.“
Ihr Global Oldie

*Im wirtschaftlich boomenden Richmond BC stellen Einwanderer aus Asien inzwischen die Bevölkerungsmehrheit.

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