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Ein Leben zwischen Kunst und Geld

»Jetzt bin ich im Juli leider auch achtzig Jahre alt geworden«, sagt Karl Gerhard Schmidt beim Interview-Termin im Neuen Museum. Alt sieht der ehemalige Bankier und unermüdliche Kulturmanager allerdings überhaupt nicht aus. Und verspätet hat er sich ziemlich stark, weil er wegen einer bevorstehenden Veranstaltung der Museumsinitiative (einer Fördervereinigung) nicht vom Telefon weggekommen ist. Er sitzt also keineswegs auf dem Altenteil.

Karl Gerhard Schmidt . Foto: Mile Cindric
Karl Gerhard Schmidt . Foto: Mile Cindric
»Jetzt bin ich im Juli leider auch achtzig Jahre alt geworden«, sagt Karl Gerhard Schmidt beim Interview-Termin im Neuen Museum. Alt sieht der ehemalige Bankier und unermüdliche Kulturmanager allerdings überhaupt nicht aus. Und verspätet hat er sich ziemlich stark, weil er wegen einer bevorstehenden Veranstaltung der Museumsinitiative (einer Fördervereinigung) nicht vom Telefon weggekommen ist. Er sitzt also keineswegs auf dem Altenteil.

Jetzt aber hat er Zeit, um dieses achtzigjährige Leben Revue passieren zu lassen. Schmidts Leben ist … ja was denn eigentlich: Komödie, Tragödie, Epos, Roman? »Von allem etwas«, sagt Karl Gerhard Schmidt. »Roman sicherlich. Vielleicht sogar ein Abenteuerroman. Nur Lyrik war selten. Es gab keine Kurzform. Es gab kaum Zeiten der Stille.«

Das kann man sich denken, wenn man in diesem Lebensroman blättert. Karl Gerhard Schmidt war Bankier. Das Wort »Banker« auf ihn anzuwenden, weist sein Sohn Karl Matthäus strikt zurück. Karl Gerhard Schmidt wollte nie etwas anderes sein, genau wie sein Vater, genau wie sein Ururgroßvater, der 1828 die SchmidtBank in Wunsiedel gegründet hatte. Unter Karl Gerhard Schmidt ist diese Bank auf 140 Filialen gewachsen. Er gehört zu einer Bankiers-Dynastie, die sich mit seinem Sohn Karl Matthäus fortsetzt. Auch wenn die Schmidtbank im Jahr 2001 kaputtgegangen ist.

Doch nicht allein, weil sein Held ein letztlich gescheiterter Bankier ist, der vor Gericht musste, ist Schmidts Lebensroman so le-senswert. Sondern weil der Held ein zweites Gesicht hat: das Gesicht eines Kunstbegeisterten, eines Förderers der Künste, vor allem in Franken. Karl Gerhard Schmidt hat sich engagiert in Hof, wo seine Bankzentrale stand, in Bayreuth und in Nürnberg. Hier hat er das Institut für Moderne Kunst begründet und die Schmidtbank-Galerie eingerichtet. Er hat die eigenwilligen Theaterproduktionen des polnischen Regisseurs Tadeusz Kantor unterstützt und ein eigenes Kantor-Stück für Nürnberg finanziert.

Ohne ihn gäbe es das Neue Museum für Kunst und Design in Nürnberg wohl nicht. Den Freunden der Bayreuther Festspiele saß er viele Jahre lang vor. Überhaupt hat er sich um Oberfranken gekümmert, unter anderem um das Theater in Hof. Nach der Wende hat er sogar die Nachbarbühnen in Sachsen unterstützt. In Chemnitz hat man ihm den Vorsitz des Aufsichtsrats beim dortigen Theater angetragen. Dem Verwaltungsrat des Germanischen Nationalmuseums hat er 18 Jahre lang angehört. Und zum Interview kommt er mitten aus einer seiner aktuellen Kunst-Aktivitäten.

Bei so viel Kunst-Enthusiasmus – hätte sich Schmidt da nicht das Scheitern als Bankier ersparen können? Wäre ein Hauptberuf im Kunstbereich nicht eine ebenso große Herausforderung gewesen wie das Geldgeschäft? Schmidt winkt ab. »Der Beruf war von Anfang an klar.« Als Ältestes seiner Geschwister wurde er von seinem Vater zur Bank hingeführt. »Aber ich wollte das auch immer. Ich war brennend interessiert.« Schon als Gymnasiast habe er die Bankunterlagen heimlich studiert, wenn der Vater am Wochenende seinen Mittagsschlaf hielt. Mit Dreiundzwanzig hat er seinen Doktor in Betriebswissenschaft gemacht. »Keine große Sache. Es war ein hauptsächlich statistisches Thema.«

Prozess zog sich 53 Verhandlungstage
Der leidenschaftliche Bankier ist nach rasanter Expansion seines Geldhauses dann an den Verhältnissen zerschellt. Die Gründe dafür sind komplex. Dazu gehört auch der kometenhafte Aufstieg der Consors-Direktbank seines Sohnes Karl Matthäus. Zu viel Erfolg? Karl Gerhard Schmidt glaubt an ein abgekartetes Spiel des Wettbewerbs. Die Ereignisse aus dem Jahr 2001 jedenfalls haben ihn wegen Untreue und Betrugs vor Gericht gebracht. Am Ende, nach 53 Verhandlungstagen, die sich über zehn Monate hinzogen, wurde er vom Vorwurf des Betrug freigesprochen. Wegen Untreue im Zusammenhang mit der Vergabe eines 31,5 Millionen Euro umfassenden Kredits an eine Beteiligungsgesellschaft wurde er zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt, zudem musste er 250.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. In diesem Zeitraum hatte Schmidt auch noch den Unfalltod seines ältesten Sohnes zu verkraften.

Derzeit versucht er die Epoche des Scheiterns zu klären und zu bewältigen, indem er ein Buch schreibt. Aber damals? Wie ist er damals damit umgegangen? Wie hat er auf den Zusammenbruch aller Gewissheiten reagiert? »Ich bin krank geworden, war wochenlang wie betäubt. Die Seele hat das nicht mehr ertragen.« Trost und Rat fand er beim damaligen Dekan von St. Lorenz. »Und ich musste mich distanzieren«, sagt er. Beim Prozess habe ihm sein Anwalt Peter Gauweiler gesagt, er solle sich vorstellen, dass er eigentlich nur vor einer Kinoleinwand sitze und einen Film sehe.

Außerdem haben ihn selbstverständlich seine Anker in der Kunst vor dem Abdriften bewahrt. Seine Freunde, die Künstler, all seine Aufgaben, die der Bankier lange Zeit nebenbei schulterte. Was hat Karl Gerhard Schmidt dazu gebracht, sich so sehr für die bildenden Künste und für das Theater zu faszinieren und einzusetzen?
Bei der bildenden Kunst ist sein Kunsterzieher am Hofer Jean-Paul-Gymnasium maßgeblich für die weitere Entwicklung des Schülers verantwortlich. Der Lehrer hieß Max Escher und war selbst ein populärer Maler. Außerdem ist Schmidt sehr früh in Kontakt mit dem Hofer Galeristen Werner Weinelt gekommen. Er hat ihm zu dem berühmten »Galeriehaus« verholfen, in dem sich später während der Hofer Filmtage die internationale Kinowelt die Nächte um die Ohren schlug – eine von Schmidts ersten mäzenatischen Tätigkeiten.

Aber halt! Das Wort Mäzen hört Karl Gerhard Schmidt nicht gern. Er differenziert: »Ich war 40 Jahre lang mit großer Begeisterung Bankier, und da haben viele Leute gemeint, ich sei auch Mäzen. Ich war ganz bestimmt kein Mäzen.« Hinzu kam, dass er Bekanntschaften, kurze, intensive aber auch lange, mit Künstlern pflegte. Er konnte es sich leisten, vielen Künstlern etwas abzukaufen, »aber ich habe mich nie als ein Gebender gesehen«. Es sei immer eine Partnerschaft gewesen: »Die Künstler haben mir mindestens ebenso viel gegeben wie ich ihnen vielleicht gegeben habe.«

So hat Karl Gerhard Schmidt sein Wirken im Kunstbereich immer gesehen: als Partnerschaft auf Gegenseitigkeit. Aber er hat sich nie als Sammler verstanden sondern als Genießer. Aus dieser Haltung heraus ist es auch zur Gründung der SchmidtBank-Galerie am Lorenzer Platz in Nürnberg gekommen. Seit 1957 gab es hier eine wichtige Niederlassung seines Geldhauses. Zwei Jahre später ist Schmidt in die Noris gezogen. Hier hat er engen Kontakt zu vielen aus der Kunstszene geschlossen. Er nennt die Namen Werner Knaupp, Brigitta Heyduck, Oskar Koller. Und dann hat er 1967 eine Plastik von Erich Hauser in der Galerie Defet erworben und wollte sie in seiner Bank aufstellen. Da hat ihm Hansfried Defet geraten, er solle doch noch ein paar Wände für Bilder frei machen. Das war der Ursprung der Schmidtbank-Galerie, in der über viele Jahre in mehr als 180 Ausstellungen die Kunst der Moderne in Nürnberg präsentiert wurde.

Zu dieser Zeit leistete sich die Stadt kurzfristig auch einen avantgardistischen Leiter der Kunsthalle: Dietrich Mahlow. Der hatte die Idee, das Kunstgeschehen wissenschaftlich begleiten zu lassen, und ein Institut für moderne Kunst als eingetragenen Verein angeregt. Der damalige Kulturreferent Hermann Glaser bat Karl Gerhard Schmidt, den Vorsitz dieses Vereins zu übernehmen. »Jetzt bin ich immer noch Vorsitzender«, sagt Schmidt. »Weil ich eine gute Beziehung zu einem Drucker hatte, haben wir damals auch gleich den Verlag für moderne Kunst ins Leben gerufen. Jetzt bin ich immer noch Verleger.«

Das Theater wurde zur Droge

Und jetzt ist er immer noch Theater-Fan, vor allem, was die Oper betrifft, und ganz besonders, wenn es um Richard Wagner geht. Man traf ihn in den Premieren der jüngsten Nürnberger »Ring«-Produktion. Schmidt hat zwar schon als Schüler Theater gespielt, doch das wirkliche Erweckungserlebnis kam im Jahr 1951. »Da hat mich mein Vater als Sechzehnjährigen in die Proben der Bayreuther Festspiele mitgenommen. Die kamen gerade erst wieder in Gang und hatten noch längst nicht die Bedeutung wie später.« Aber diese »Droge«, mit der er damals in Kontakt kam, ließ ihn bis heute nicht los. »Diese Sucht ist nicht weniger geworden, ist im Gegenteil mein Leben lang geblieben und unheilbar.«

Vater Schmidt hatte dem Wagner-Clan seit 1950 als »unkonventioneller Bankier« zur Seite gestanden. Karl Gerhard Schmidt hat das Engagement fortgesetzt und dabei vor allem Wagner-Enkel Wolfgang kennengelernt, den er nicht nur beraten hat, sondern mit ihm über Jahrzehnte freundschaftlich verbunden war. »Das war ein richtig ängstlicher Mann, was das Geld anbelangt.« 40 Jahre lang war Schmidt im Vorstand der »Gesellschaft der Freunde von Bayreuth«, einer Mäzenaten-Vereinigung mit 5000 Mitgliedern in aller Welt. Drei Millionen Euro hat die Vereinigung im Schnitt jährlich aufgebracht, mit denen primär Investitionen im Festspielhaus finanziert wurden. »Wolfgang Wagner war in dem Bereich regelrecht geizig«, erinnert sich Schmidt. »Manchmal hat sich ein Architekt hinter mich gesteckt und geflüstert: ›Sagen’s doch mal dem Herrn Wagner, diese Betonwand müssen wir noch anstreichen und dass Sie ihm das Geld dafür geben.‹« Er habe Wolfgang Wagner sehr oft animiert, zu investieren, sagt Schmidt. Manches an Investitionsbedarf habe ihm Wagner aber auch verschwiegen. So waren lange Jahre die Zimmer der Solosänger in einem sehr bescheidenen Zustand. »Die hat er mir aber nicht gezeigt, weil er wohl der Ansicht war: Wenn die Zimmer zu gut ausgestattet sind, dann werden die Gagen-Ansprüche zu hoch, weil die Sänger meinen, er hätte zu viel Geld.«

Fasziniert von Tadeusz Kantor
Geld und Kunst – bei Karl Gerhard Schmidt haben sich diese Grundsteine der Kultur glücklich ergänzt. Genau wie sich Theater und bildende Kunst glücklich ergänzt haben, als der Bankier den Krakauer Künstler Tadeusz Kantor kennenlernte. Der war in beiden Genres tätig. Und auch dessen Kunst ist Schmidt ziemlich verfallen. Er hat immer wieder für Auftritte Kantors in Nürnberg gesorgt. Als im Frühling dieses Jahres im Neuen Museum eine kleine Ausstellung zum 100. Geburtstag des Polen gezeigt wurde, hat Schmidt Objekte aus seiner Kantor-Sammlung zur Verfügung gestellt.

Während er von Kantor schwärmt und mit leuchtenden Augen von seinen Freundschaften zu den verstorbenen Wagner-Regisseuren Patrice Chereau und Christoph Schlingensief erzählt, seziert Karl Gerhard Schmidt einen Flammkuchen auf seinem Teller. Der Rand bleibt, das Zentrum mit dem zusammengeschobenen Speck wird verzehrt. »Ich sollte das nicht, denn ich habe so manches Wehwehchen. Aber es schmeckt halt.« Der Genuss überwölbt die Vernunft. Da sitzt einer gegenüber, der einmal auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen in Deutschland stand. Was spürt man von solchem Reichtum? »Fast nix!«, ist die Antwort. Und was spürt man im Angesicht der Kunst? »Fast alles.« Besser könnte Karl Gerhard Schmidt seinen Lebensroman nicht auf den Punkt bringen.

Herbert Heinzelmann

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