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Elternabend im Kindergarten

vignette_mielenzMein Enkelsohn ist etwas älter als vier  Jahre und geht wie fast alle Kinder in diesem Alter in den Kindergarten. Als meine Tochter keine Zeit hatte, den Elternabend zu besuchen, bat sie mich, sie dort zu vertreten, denn es könnte ja wichtige Mitteilungen geben und Informationen zu geplanten Aktivitäten. Außerdem wollte sie wissen, wie sich mein Enkelsohn in der Kindergruppe verhält und ob “mit ihm alles gut ist”.

Selbstverständlich bin ich für meine Tochter zur Elternabend gegangen. Und neugierig, wie das heutzutage bei einem Elternabend zu geht , war ich auch. Es fing schon damit an, dass der Raum völlig überfüllt war, die Eltern saßen auf den Kindergartenstühlen, viel zu klein für Erwachsene mit entsprechenden Sitzproblemen je länger der Abend dauerte…. und der dauerte sehr lange, obwohl die Tagesordnung mit dem geplanten Sommerfest, der anstehenden Reise der Kindergartengruppe und Verschiedenes nichts von den Anstrengungen eines Elternabends erkennen ließ.

Eltern, habe ich gelernt, können ungemein diskussionsfreudig und hartnäckig sein, wenn sie besorgt sind und wenn es um “das Beste” für ihre Kinder geht. Und natürlich sollten alle Entscheidungen einstimmig getroffen werden…. und das wurde zu einem Riesenproblem. Schon das Sommerfest stand unter keinem guten Stern, als es um die Frage ging, ob es denn für die Erwachsenen Bier geben sollte und ob das den Kindern zuzumuten sei oder ob es ohne Alkohol durchgeführt werden sollte, für viele Väter offenbar ein Problem.

Richtig schwierig wurde es dann unter Verschiedenes. Ein Elternpaar, das zudem ständig Händchen hielt, wollte unbedingt einen “zuckerfreien Kindergarten”. Es gab zur Frage, ob ein Marmeladenbrötchen eine Süßigkeit sei, eine vehemente Debatte, die in der Frage gipfelte, ob denn zum Sommerfest Kuchen gebacken werden sollte und Gummibärchen verteilt werden dürften. Problematisiert wurde jeder Vorschlag und jeder Diskussionsbeitrag zu jedem Thema. Und schließlich ganz am Ende noch ganz was Wichtiges: ob denn die Kinderlieder, die im Kindergarten gesungen werden, nicht absolut gewaltfrei sein müssten und andernfalls umgetextet werden sollten, wenn sie der Meinung der Eltern nach das nicht sind.

Der Elternabend erschien mir endlos und er war das auch…. eine Tortur geradezu. Nochmal werde ich bestimmt nicht teilnehmen, zumal ich über meinen Enkelsohn überhaupt nicht mehr habe reden können. (Nacherzählt und ausgeschmückt nach Erzählungen von durch Elternabende geplagte Väter und Mütter im Tagesspiegel vom 18.1.2015, S. S.3)

 

 

 

 

Eine Antwort

  1. als ich Ihren Text las, musste ich sofort an das besondere Leben in Berlin-Prenzlauer Berg denken, von dem man immer mal wieder lesen kann, – und am Ende sah ich dann, dass Ihre so schöne Geschichte sich (auch) auf einen Bericht im Berliner Tagesspiegel bezieht. Wie auch immer, mir ist daran wieder einmal so klar geworden, dass die Generationen sich in den letzten Jahrzehnten doch sehr verschieden entwickelt haben. Die Elternversammlungen meiner ‘Vaterzeit’ waren zwar auch nicht gerade erquicklich, aber wenn Konflikte untereinander, dann waren es häufig politische Differenzen oder die Unterschiede, die sich aus unterschiedlichen Lebenslagen ergaben – also auch politisch begründet. So was, was Sie da erzählen, habe ich jedenfalls nie erlebt und wir hätten das wohl auch nicht durchgehen lassen.

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