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Pate werden für Kinder in Problemsituationen

Sozialpädagogin Laura Feihl sucht ehrenamtliche Paten für Kinder in Not. Foto: M. Matejka

Den sechsjährigen Leon plagen oft Selbstzweifel. An einem Tag ist sein Vater liebevoll und freundlich zu ihm, am nächsten Tag liegt er betrunken auf dem Sofa oder er schlägt ihn. Der Vater leidet vermutlich unter einem Trauma. Leon fragt sich, ob er für das Verhalten seines Vaters verantwortlich sei, ob er sich »richtig« verhalte. Ähnlich geht es der fünfjährigen Julia: Sie hat eine suchtkranke Mutter, die unter Depressionen und Angststörungen leidet. Julia will ihrer Mutter helfen, aber sie ist damit überfordert. Deshalb kümmert sich eine Studentin um das Kind, wenn die Mutter wieder eine depressive Phase hat.

Diese Kinder gehören zu einer großen Zahl »kleiner« Betroffener. Zwischen drei und vier Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland leben mit einem seelisch erkrankten Elternteil zusammen, Tendenz steigend. Eine besorgniserregende Zahl. Mit dem Projekt »Frühe Hilfen« will das »Institut für soziale und kulturelle Arbeit« (ISKA Nürnberg-Gostenhof) Entlastung schaffen: Gesucht werden ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die Patenschaften für die betroffenen Kinder übernehmen.

Es sind vorwiegend Depressionen, Angststörungen oder Suchtprobleme (Alkohol oder Drogen), an denen die Eltern leiden. Deutschlandweit gibt es zwar viele Hilfsangebote, aber Fachleute sind sich darin einig, dass es noch zu wenige sind. Klassische Familienpatenschaften wurden beispielsweise im Zentrum Aktiver Bürger Nürnberg (ZAB) bereits seit 2003 vermittelt, sie sind aktuell aber nur noch beim »Institut für soziale und kulturelle Arbeit« in Gostenhof angesiedelt. Die Patenschaften sind als zusätzliche Unterstützung für Familien mit besonderen Belastungen gedacht. Aufgrund einer Umfrage 2012 unter Fachkräften wurde jedoch ein erhöhter Bedarf an Unterstützung für Kinder festgestellt, deren Eltern unter einer psychischen Erkrankung leiden.

Die Kleinsten werden oft übersehen

Psychische Erkrankungen werden heute – im Gegensatz zu den 70er und 80er Jahren – zwar zunehmend gesellschaftlich anerkannt. Früher, so berichtet Erica Metzner, Leiterin des Suchthilfezentrums der Stadtmission Nürnberg, habe man psychische Krankheiten noch mehr tabuisiert. Aber die Aufmerksamkeit richtet sich nach wie vor hauptsächlich auf die Patienten und kaum auf ihre Angehörigen. Erst langsam findet ein Wandel statt. Was eine psychische Erkrankung für die Kinder der Betroffenen bedeutet, habe man damals zu wenig zur Kenntnis genommen. Metzner weiter: »Heute wissen wir, dass Suchterkrankungen zu einem Teil vererbbar sind, zum anderen aus den Prägungsmustern der Eltern resultieren. So hat die Erfahrung gezeigt, dass Kinder, die in psychisch belasteten Verhältnissen aufwachsen, eben später als Erwachsene selbst gefährdet sind zu erkranken.«

Sozialpädagogin Laura Feihl koordiniert das ISKA-Modell für Patenschaften; die Leitung hat Philipp Schmuck. Feihl verweist noch auf eine andere Tatsache. So haben Untersuchungen des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH) ergeben, dass mehr als die Hälfte der Eltern mit psychischen Belastungen an ihren eigenen elterlichen Kompetenzen zweifeln und sich sozial isoliert fühlen.

Längerfristiges Engagement

Was sollen diese freiwilligen Helfer nun mitbringen und wie werden sie während ihrer Patenschaft unterstützt? Die Ehrenamtlichen sollen keine Familientherapeuten ersetzen, sondern für die Kinder (bis zu sechs Jahren) regelmäßig Zeit haben, und das über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren hinweg. Sie sollten offen, unbefangen und aufgeschlossen sein, auch gegenüber anderen Familiensystemen und -strukturen und im Hinblick auf die seelische Belastung der Eltern. Nach Ansicht der Sozialpädagogin suche man explizit keine Fachkräfte, sondern Menschen, die einen praktischen Blick auf den Lebensalltag von Familien haben und die unbelastet auf die Familien zugehen können. Es gehe dabei um gemeinsame Unternehmungen außerhalb der familiären Wohnung, also um Spaziergänge und Spielplatzbesuche, Kochen, Basteln, Hobbies einbringen.

Und wie finden Eltern und Ehrenamtliche zueinander? »Niemand ist auf sich allein gestellt«, sagt Feihl. Geplant sei eine Veranstaltung, in der Hintergrundwissen zu psychischen Beeinträchtigungen vermittelt wird. Ferner werde man ein Fortbildungsprogramm mit anschließender Diskussion anbieten. Dazu kommen gemeinsame Treffen in einem lockeren Rahmen, wie zum Beispiel einem Weihnachtsessen, bei dem Erfahrungen ausgetauscht werden.

Text: Horst Otto Mayer
Foto: Michael Matejka

Information

»Institut für soziale und kulturelle Arbeit« (ISKA), Gostenhofer Hauptstraße 61, Nürnberg. Ansprechpartnerin ist Laura Feihl, Telefon 0911/2729 98 14, feihl@iska-nuernberg.de, www.iska-nuernberg.de/fampa 

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