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Pandemie bringt Kinder in seelische Nöte

Schmerzlich vermisst in der Krise wurden Schul- und Kindergartenfreunde, Spielkameraden und Freizeitmöglichkeiten. Kinderärzte warnen jetzt vor den Folgen. Foto: Rudy und Peter Skitterians

Kinderärzte schlagen Alarm: In der Corona-Krise beobachten sie eine Zunahme körperlicher und vor allem seelischer Beschwerden. Schul- und Kitaschließungen sowie Kontaktbeschränkungen belasten besonders die Psyche ihrer jungen Patienten, so das Fazit der Mediziner: 89 Prozent beobachten vermehrt psychische Probleme. 37 Prozent diagnostizieren eine Zunahme körperlicher Beschwerden. Dies sind Ergebnisse der Studie “Homeschooling und Gesundheit 2020” der pronova BKK, für die 150 niedergelassene Kinderärztinnen und Kinderärzte befragt wurden.

Besonders betroffen sind laut der jetzt in einer Pressemitteilung zusammengefassten Studie nach den Erfahrungen in den Sprechstunden Kinder und Jugendliche ab sechs Jahren. Eine Zunahme von Verhaltensänderungen wie Antriebslosigkeit oder Rückzug aber auch Reizbarkeit und Angststörungen beobachtet jeder zweite Pädiater. 46 Prozent berichten von vermehrt aggressivem Verhalten, 45 Prozent von Schlafstörungen. Aber auch Bauchschmerzen, Depressionen, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten seien häufiger geworden.

Kinder litten besonders unter Beschränkungen

Die Ursache für die Zunahme der Beschwerden sehen die Pädiaterinnen und Pädiater in den Einschränkungen im täglichen Leben während der Corona-Krise. Kinder waren stark betroffen, die Einschnitte in ihren Alltag erheblich. Besonders folgenschwer waren aus Sicht einer Mehrheit der Mediziner die mangelnden Freizeitmöglichkeiten wie Sport im Verein (70 Prozent) und dafür zu viel Zeit am Bildschirm von Handy und Computer (69 Prozent). Hinzukamen die fehlende Tagesstruktur (69 Prozent) infolge von Kita- und Schulschließungen und Konflikte in den Familien (67 Prozent). 66 Prozent der Kinderärzte sprechen von Isolation ihrer jungen Patienten.

Die Ängste der Eltern gespürt

Auch die Enge zu Hause in der Wohnung, fehlende Rückzugsmöglichkeiten sowie die Übertragung von Ängsten der Eltern auf das Kind machten dem Nachwuchs zu schaffen, wie mehr als jeder zweite Kinderarzt feststellte. “Erst die Wiederaufnahme der Routinetermine sowie die Rückkehr in Schulen und Kitas dürfte den ganzen Umfang entstandener Probleme bei Kindern und Jugendlichen ans Licht bringen”, sagt Dr. Gerd Herold, Beratungsarzt bei der pronova BKK. Nicht nur die Erwachsenen, auch die Kinder haben die ersten Monate der Corona-Krise als eine Ausnahmesituation erlebt und vielfach als verstörend oder gar bedrohlich empfunden. Es ist nun die Aufgabe der Erwachsenen, die Kinder bei der Bewältigung dieser Erlebnisse zu begleiten und zu unterstützen”, so Herold.

Anzeichen für Entwicklungsverzögerungen

Die Auswirkungen der Corona-Einschränkungen auf Kinder könnten sogar noch tiefere Spuren hinterlassen: Knapp vier von zehn Kinderärzten beobachten Anzeichen für Entwicklungsverzögerungen bei ihren Patienten, die sie auf die Corona-Krise zurückführen. Bei motorischen Fähigkeiten sind Kinder zwischen sechs und neun Jahren besonders betroffen, bei kognitiven Fähigkeiten betreffen die Verzögerungen Kinder zwischen drei und dreizehn Jahren. Ursachen für die Schwierigkeiten vermuten die Mediziner wiederum im zu hohen Medienkonsum, in der Überforderung der Eltern sowie fehlendem Kontakt zu Gleichaltrigen.

Psychotherapeuten sind gefragt

Das hat direkte Konsequenzen für die Praxen: 54 Prozent der Kinderärzte rechnen damit, dass mehr Kinder Hilfe von Ergo- und Physiotherapeuten benötigen; 43 Prozent erwarten, dass sie häufiger an Psychotherapeuten überweisen werden müssen. “In den kommenden Monaten wird sich erst das gesamte Ausmaß der Corona-Folgen für die Kindergesundheit abschätzen lassen”, sagt Herold. 57 Prozent der befragten Kinderärzte sagen, dass viele Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen in der Corona-Krise verschoben wurden. “Erst die Wiederaufnahme der Routinetermine, aber auch die Rückkehr in Schulen und Kitas dürfte entstandene Probleme bei Kindern und Jugendlichen ans Licht bringen”, so Herold.

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