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Formen der Gastfreundschaft

vignette2012  Hello All, zu den wunderbarsten Eigenschaften der Menschheit zähle ich Gastlichkeit. In allen bis heute dokumentierten Kulturen haben sich besondere Rituale für den willkommenen Gast als Teil der Moral etabliert. Dabei sind die Gesten für erfreuliche Gäste weit gefächert. Im schwülheißen Singapur empfangen kommerzielle Gastgeber ihre verschwitzten, kurzärmeligen Gäste mit eisigen Raumtemperaturen, egal wie sehr jene dann frösteln. Im (nun doch noch) winterlichen Tirol heizt man von Draußen herein stapfenden Skiläufern mit Bullenhitze ein, die sich Schicht für Schicht bis auf die Funktionsunterwäsche entblößen; mit Potential auf noch mehr Unbedecktes. Je vornehmer die Dinner- Restaurants in Chicago oder Philadelphias sind, desto heimeliger, um nicht zu sagen schummerig werden jene Räume gehalten; so traut, dass Kellner diskret Taschenlampen reichen, um zumindest das Menu (wenn schon nicht die horrenden Preise) erahnen zu können. Selbstlos hingegen ist die Gastfreundschaft der Quechua in den Anden, die ihr letztes Meerschweinchen für den Gast schlachten; ähnlich großzügig opfern Massai-Hirten dem Gast das frische Blut eines Herdentiers. Bei manchen Anlässen stellt der gute Wille des Gastgebers die Genussfähigkeit und Manieren des Gastes auf die Probe. In China ist es üblich, dem Ehrengast unaufgefordert die kredenzten Köstlichkeiten mit eigenen Essstäbchen in die Reisschale zu legen; egal, wie jener zur Hygiene dieser Praxis oder zu Schwalbennestern, Haiflossen oder hundertjährigen Eiern steht. Von den Inuit Grönlands ist überliefert, dass dem im Iglu nächtigenden Gast der Schlafsack samt Ehefrau des Hausherrn angeboten wurde – und eine Ablehnung solcher Verbundenheit eine schwere Kränkung darstellte, die binnen Stunden aus dem willkommenen einen unwillkommenen Gast machte. Was lebensgefährlich sein konnte.
Die weltweit verbreitete Gastfreundschaft kontrastiert mit recht rüden Umgangsformen für unwillkommene Gäste. In weniger zimperlichen Gesellschaften landeten unwillkommene Gäste im Kochtopf, am Marterpfahl oder im Massengrab. Etwas pragmatischere Zivilisationen schickten die Unwillkommenen in altertümliche Sklaverei oder in zeitgenössische Schwarzarbeit. Im aktuellen Europa, das sich gern als historische Keimzelle der universell gültigen Menschenrechte versteht, finden sich unwillkommene Gäste auf Grenzschutzbooten, in Auffanglager und vor Asylbehörden wieder. Kulturhistorisch ein gewaltiger zivilisatorischer Fortschritt! In Anbetracht dessen, dass Millionen nicht nur Deutsche vor 70 Jahren selbst als Kriegsflüchtlinge aus dem Osten hier neue Existenzen erfolgreich aufbauten, bietet gerade unsere Kultur einen wertvollen Erfahrungsschatz für weitere Fortschritte in dieser Richtung. Gerade solche Alte wissen da noch Vieles, wie das am besten geht, mit Integration und Überwinden von Widerständen. Da geht noch was!
Ihr Global Oldie

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