Anzeige

Auf den Spuren von Kiebitz und Kleiber

Der pensionierte Forstoberrat Hartmut a. Strunz kann die meisten Vögel am Gesang erkennen. Fotos: Mile Cindric
Der pensionierte Forstoberrat Hartmut a. Strunz kann die meisten Vögel am Gesang erkennen.
Fotos: Mile Cindric

Hartmut A. Strunz (67) hat das besondere Gehör. Wer mit dem ehrenamtlichen Vogelkundler im Landkreis Erlangen-Höchstadt den kleinen Feldweg bei Niederlindach betritt, der kann in eine andere Welt eintauchen. Denn während der Laie nur die Geräusche der nahen Würzburger Autobahn wahrnimmt, kann der Profi sofort die unterschiedlichsten Vogelstimmen klassifizieren, interpretieren und einordnen. Das »Wiwiwi« eines Kleibers erkennt er sofort. Oder den »Wie hab‘ ich dich lieb«-Gesang eines Goldammermännchens. Auch den Revierabgrenzungsruf der Kiebitze weiß er sofort zuzuordnen.
Der gebürtige Coburger betreut als ehrenamtlicher Kartierer im Auftrag des Bundesumweltministeriums eine der 2600 zwischen Rügen und dem Bodensee vorhandenen »Dauerbeobachtungsflächen«. Sie wurden eingerichtet, um die Revierbestände häufiger Brutvogelarten in Deutschland zu erfassen. Etwa einen Quadratkilometer ist die Fläche rund um den Ort Klebheim groß, die der Forstoberrat a. D. zwischen März und Juni einmal im Monat abgeht. Drei Stunden benötigt er, um auf der etwa drei Kilometer langen Route alle wahrgenommenen Vögel möglichst punktgenau in eine Karte einzutragen und auch deren Verhaltensweisen zu notieren.
Dabei geht es nicht darum, besondere »Exoten« unter der Vogelwelt zu entdecken. Stattdessen sollen gerade die gewöhnlichen, häufigen Arten im Auge behalten werden. Denn sie sind es, deren Existenz zusehends bedroht ist. Das gilt vor allem für die »Bodenbrüter« – also Vögel, die eine Kuhle im Boden als Nest verwenden und mittlerweile sehr oft den schweren Ackergeräten der Landwirte zum Opfer fallen. Aber auch freilaufende Hunde stören die Vögel beim Brüten, die dadurch in Panik geraten und ihr Gelege verlassen.
»Ich hatte das Glück, mein Hobby zum Beruf machen zu können. »Als Förster im Naturpark Bayerischer Wald fand ich ein wunderbares Betätigungsfeld.«, sagt Strunz. Da wollte er natürlich auch im Ruhestand nicht auf die Erlebnisse in und mit der Natur verzichten. »Da meine Frau gebürtige Röttenbacherin ist und wir nun im Landkreis Erlangen-Höchstadt wieder fest verwurzelt sind, kam mir das Monitoring-Programm des
Ministeriums gerade recht«, berichtet Strunz. Zudem habe er schon als Jugendlicher eine Leidenschaft für Vogelstimmen entwickelt und sein Gehör über all die Jahre entsprechend geschult. Früher halfen ihm dabei spezielle Schallplatten und Kassetten, heute ist es natürlich das Internet, das eine schier unerschöpfliche Quelle für die Einordnung von Vogelstimmen ist.
Während wir langsam den kleinen Feldweg entlang gehen, erzählt der Vogelexperte, dass man manche Stimmen schon ab vier Uhr morgens hören kann – und das oft bereits ab Ende Februar. Die Amsel oder der Hausrotschwanz sind solch fleißige Sänger-Gesellen. Übrigens kommen 90 Prozent der Melodien von den Männchen. Der Buchfink ist ganz besonders aktiv, ihn kann man den ganzen Tag hören. Und dann unsere erste Entdeckung an diesem Morgen: Kiebitze sind am Himmel auszumachen. Sie grenzen mit ihrem Gesang und den auffälligen Flugbewegungen ihr Revier ab, wollen so Rivalen vertreiben und Weibchen herlocken. Drei solcher Reviere konnte Hartmut Strunz heuer schon finden.
Nach ein paar Schritten bleibt der Vogelkundler wieder stehen. 16 Graugänse haben sich am Rand einer kleinen Schilffläche niedergelassen, Feldlerchen, Rauchschwalben und Lachmöwen ziehen über ihre Köpfe hinweg. Die Möwen, so berichtet Strunz, haben ihre Brutkolonie an den nahen Moorhofweihern.Leider gibt es an vielen Gewässern keinen großen Schilfbestand mehr. Auch das führt dazu, dass bestimmte Vogelarten dezimiert werden, die aufs Schilf angewiesen sind, was sich schon an ihren Namen ablesen lässt: Der Rohrbauer, die Rohrspatzen, Teichrohrsänger oder die Rohrdommeln zählen dazu. Schilf ist nicht nur ein guter Nistplatz, es hat auch eine Reinigungsfunktion für das Wasser und ist Schutz für Jungfische. Wo es fehlt, fehlen auch die Tiere. »Leider gibt es rund um unsere Weiher mittlerweile auch fast keine Laubfrösche mehr«, bedauert Strunz. Um dem entgegenzuwirken, werden seit geraumer Zeit Schilfflächen als Artenschutzräume von den Land- und Teichwirten erworben. Auch im Landkreis Erlangen-Höchstadt hat man ein entsprechendes Programm aufgestellt.
An einer kleinen Hecke am Wegesrand entdecken wir deren typische Bewohner: Kohlmeisen, Feldspatzen, Rotkehlchen und ein gelbes Goldammermännchen. »Herr Goldammer« zwitschert gerne und laut: Von einem etwas erhöhten Platz im Revier aus, der Fachmann spricht von einer »Singwarte«, ist das Lied der Goldammer oft bis in den Spätsommer zu hören. Die Kollegen anderer Vogelarten haben zu diesem Zeitpunkt bereits längst die Lust am Singen, Revierverteidigen und Weibchen-Beeindrucken verloren. Der Volksmund gibt hierzulande die Melodie des Goldammer-Gesangs oft mit dieser Eselsbrücke wieder: »Wie, wie, wie hab ich Dich lieb«. Na ja, etwas Phantasie ist schon nötig…
Zum Beobachtungsgebiet von Hartmut Strunz gehört auch eine Waldfläche. Sie liegt hinter dem kleinen Ort Klebheim. Gleich am Ortausgang links kann man sein Auto parken. Ein paar Schritte in den Wald hinein und man sieht am rechten Wegesrand idyllisch einen Weiher im Sonnenlicht glitzern. Im Gras sitzen Stare, Bachstelzen halten nach Nahrung Ausschau und Silberreiher blicken stolz auf ihr Revier. Und dann hören wir es: Das eingangs erwähnte »Wiwiwi« des Kleibers. Auch bei dieser Vogelart singen nur die Männchen. Als Reviergesang ist vor allem diese laute Pfeif-
Strophe »wi wi wi…« zu hören, die der Beobachter leicht imitieren kann. Das Singen ist von der Witterung, aber nicht von der Temperatur abhängig. Die Gesangsfrequenz verstärkt sich (auch bei großer Kälte) von Ende Dezember bis zum Frühjahr. Mit Brutbeginn wird der Kleiber sehr still. Nach dem Ausfliegen der Jungvögel sind wieder verschiedene Laute zu hören.
Wer mag, kann natürlich auch auf eigene Faust auf eine Vogelbeobachtungstour gehen. Hartmut Strunz schlägt dazu folgende Tour vor: Man startet am Südufer des Dechsendorfer Weihers und wandert Richtung Nordwesten zum Kleinen Bischofweiher. Von dort geht es weiter nach Röhrach. Über Röttenbach geht es durch den Wald zurück zum Dechsendorfer Weiher. Der 14,5 Kilometer lange Rundweg führt zumeist über Feld- und Radwege. Einkehrmöglichkeiten bestehen in Erlangen-Dechsendorf, Röhrach und Röttenbach. Entlang der Strecke kann man vor allem Wasservögel beobachten. Besonders geeignet sind der Kleine Bischofsweiher und die Weiher nördlich der Schule in Dechsendorf. Beobachtungsschirme am Schilf sind direkt neben dem Wanderweg zwischen Großem und Kleinem Bischofsweiher aufgestellt. An den Kleingewässern trifft man unter anderen den Eisvogel, im Wald sind viele Vogelstimmen zu hören. In den Siedlungen fallen die lauten schrillen Rufe der Mauersegler auf, in Röttenbach füttert ein Storchenpaar drei Junge. Zum Monatswechsel Juni/Juli wird das Ausfliegen der Jungstörche erwartet.
Karin Jungkunz
Selbst beobachten?
Wer neugierig auf das Erkennen von Vogelstimmen geworden ist: Es gibt noch reichlich Beteiligungsmöglichkeiten an dem ein oder anderen Beobachtungs-programm in der Region. Informationen erhalten Interessenten beim Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) unter www.lbv.de. In der Region ist die LBV-Geschäftsstelle Nürnberg-Fürth-Erlangen zentrale Anlaufstelle: www.nuernberg.lbv.de. Unter der Telefonnummer 0911 / 45 47 37 kann man auch das Jahresprogramm anfordern und sich über die vielfältigen Führungen und Wanderungen informieren, die der LBV anbietet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Skip to content