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Applaus für Seniorentheater Tempo 100

Seit 25 Jahren eine feste Größe im Nürnberger Kulturleben: Das Seniorentheater Tempo 100. Die Darsteller arbeiten alle ehrenamtlich mit. Foto: Michael Matejka
In Berlin nennen sie sich »Spätzünder« oder »Altes Eisen«, in Wuppertal »Rauhreif« und in Sankt Augustin sind es »Die Bühnengeister«: Senioren, denen die Bühnenbretter die Welt bedeuten. Auch in Nürnberg gibt es eine Gruppe, die sich im Kulturleben der Stadt schon lange etabliert hat: »Tempo 100« feiert in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag.
Das 1. Seniorentheater Nürnberg ist ein Kind des Bildungszentrums und des Nürnberger Staatstheaters. Diejenigen, die das Kind am Leben gehalten haben und ihm immer wieder frisches Blut in die Adern pumpen, könnten gut und gerne seine Großeltern sein. Keiner und keine der zehn Mimen, fünf Frauen und fünf Männer, ist jünger als 60 Jahre. Agile Senioren, die die Erfüllung ihres Ruhestandsdaseins nicht nur in der ausführlichen Morgenlektüre der Tageszeitung oder emsiger Gartenpflege finden wollten. Einmal im Leben in eine andere Rolle schlüpfen – das war’s, was man sich vorstellte.
Drei Stunden Probe
Zwei Mal in der Woche wird für jeweils drei Stunden intensiv geprobt. Und zwar ein Jahr lang. Dann ist Premiere. In diesem Jahr steht zum Beispiel als nächstes Dürrenmatts Komödie »Herkules und der Stall des Augias« auf dem Spielplan. Dann mutieren profane Berufe wie Hausfrau, Lehrerin, Beamter und kaufmännischer Angestellter zu Figuren aus einer anderen Welt und Zeit. Peter Höfle ist dabei der Nationalheld Herkules, Uschi Weidinger gibt Polybios, seinen Sekretär.
Dass die 67-jährige Uschi den Sekretär spielt, hat einen triftigen Grund: Im Ensemble fehlen Männer. Offenbar scheut der fränkische Mann das Rampenlicht. Akteur Harald Eschler aus Katzwang hat das aber nicht davon abhalten können, beim Seniorentheater mitzumachen. Er gesteht aber ein: »Am Anfang hat es mich schon einige Überwindung gekostet. Man darf sich nur nicht komisch vorkommen.«
Seit einem Jahr ist der 63-Jährige mit von der Partie und schafft es prächtig, aus sich herauszugehen. Mittlerweile ist er auch für die Finanzen von »Tempo 100« zuständig. Zu den Einnahmen aus den Aufführungen gibt die Stadt einen Zuschuss, das Theater stellt dem Ensemble seinen Fundus zur Verfügung. »So kommen wir einigermaßen über die Runden«, versichert Eschler. Er und alle anderen Akteure engagieren sich ehrenamtlich. Allein die Regisseurin Tamara Kafka bekommt ein kleines Salär. Ihr ist es zu verdanken, dass die Jünger des griechischen Tragödiendichters Thespis (fast) alle Hemmungen ablegen, dass jede und jeder von ihnen gewissermaßen in seiner Rolle verschwindet. Die 69-jährige gebürtige Pragerin Kafka, die einst auch am Schauspielhaus Nürnberg inszenierte, führt seit 1993 die munteren Mimen professionell durch Stücke wie Thornton Wilders »Die Königinnen von Frankreich« oder auch Johann Nestroys »Der Zerrissene«. Sie testet, wer für welche Rolle geeignet ist. Sie schafft es, dass sich Verspannungen lösen und Schüchternheit abgebaut wird.
Die Wunderwelt des Theaters hat Tamara Kafka schon als Kind kennengelernt. Der Vater, Landarzt in einem kleinen Städtchen nahe Prag, hatte eine Theatergruppe gegründet, in der der halbe Ort mitspielte. »Da wurde meine Leidenschaft für das Theater geweckt«, versichert die Regisseurin. Sie ist davon überzeugt, dass gerade das Theaterspielen Kopf und Körper fit hält: »Das ist eine mögliche Prophylaxe gegen Demenz.«
Eine ihrer Schauspielerinnen, die Pfarrfrau Uschi Weidinger, war schon in der Schule immer dabei, wenn ein Stück aufgeführt wurde. »Bei Tempo 100 stand ich ziemlich lange auf der Warteliste. Aber vor einem Jahr hat es dann geklappt«, erzählt die zierliche Person. Ihren Mann, den ehemaligen Pfarrer von St. Jakob, kriegt sie nicht auf die Bretter der Kammerspiele. Er habe es »nicht so mit dem Textlernen«, erklärt sie. Dass das männliche Element nicht stärker vertreten ist, bekümmert auch die Regisseurin. Es müsse ja nicht jeder gleich ein Bruno Ganz sein. Freilich müsse man eine gewisse Eignung schon mitbringen.
So, wie sie etwa Otmar Hitzegrad hat. Er, der im stressigen Berufsleben keine Zeit für ein Hobby hatte, stieß im Bildungszentrum auf »Tempo 100« und bewarb sich. Wenn er mitmachen wolle, beschied ihn die Chefin allerdings, müsse er seine Aussprache deutlich verbessern. Hitzegrad wollte unbedingt. Seine ersten Versuche jedoch vertrieben die Familie samt Hund aus dem Haus. »Also verzog ich mich in den Wald und übte und übte.« Jetzt verstünden ihn sogar die Zuschauer in der letzten Reihe. Hat Hitzegrad vor der Premiere Lampenfieber? »Aber wie, aber wie!«
Dass der Adrenalinspiegel in ungeahnte Höhen steigt, kennen wohl alle Schauspieler, jung oder alt. Es stellt sich spätestens dann ein, wenn Barbara Heublein, die 70-jährige Regieassistentin und Inspizientin, das Zeichen gibt: »Noch fünf Minuten… so, jetzt aber raus!« Dieses aufregende Gefühl möchte in der Truppe aber niemand mehr missen – schließlich sind alle befallen vom Theatervirus; infiziert für den Rest ihres Lebens. Und so wird das »Tempo 100« wohl noch lange Zeit mit ungebremster Leidenschaft über die Bretter der Nürnberger Kammerspiele brausen.
Günter Dehn
Fotos: Michael Matejka
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Wer Interesse an ausführlichen Informationen über die Angebote des Seniorenrats der Stadt Fürth hat oder sogar Lust, selber aktiv zu werden, der findet im Internet unter www.senioren-rat-fuerth.de.to ausführliche Informationen.
Natürlich kann man auch einfach im Seniorenbüro im Fürther Rathaus vorbeischauen. Sprechzeiten sind Dienstag und Freitag von 9 bis 12 Uhr. Telefon 0911 / 9741839.

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