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Wo der Setzkasten seinen Ursprung hatte

Dem technischen Fortschritt haben wir eine Modewelle zu verdanken, die in den achtziger Jahren über uns hereinschwappte. Damals hängten sich Menschen eine Schublade mit kleinen Fächern an die Wand – den Setzkasten.

Bei Doris Schmitt aus Fürth-Stadeln hängt ein solches Exemplar noch zu Hause. Den Setzkasten hat ihr einst ihr Vater geschenkt. Er war selbst gelernter Buchdrucker und Schriftsetzer, und es war ihm deshalb wichtig, dass er seiner Tochter nicht eines dieser nachgebauten Exemplare beschaffte, sondern ein Original aus einer Druckereiwerkstatt. Zu erkennen ist ein solch echtes Stück nicht nur an den Gebrauchsspuren, sondern am Schubladengriff.

Der Schriftsetzer bewahrte in einem solchen Setzkasten die in Blei gegossenen Groß- und Kleinbuchstaben sowie Satz- und Sonderzeichen einer bestimmten Schriftart und -größe auf. Insgesamt 125 Fächer verschiedenen Formats enthält ein solcher Kasten – unterschiedlich groß deshalb, weil die Buchstaben n und e natürlich viel häufiger vorkommen als y und q. Dazu kommen noch Bleiformen für Undruckbares, wie etwa Wortzwischenräume.

In den 1970-er und 80-er Jahren stellten immer mehr Setzereien und Zeitungshäuser vom Blei- auf Lichtsatz um. Wenn man sich nun vergegenwärtigt, dass ein Setzkasten nur für eine einzige Schriftart und -größe verwendet wurde, dann wird schnell klar, dass plötzlich sehr viele solcher Setzkästen überflüssig geworden waren. Irgendjemand muss dann auf die Idee gekommen sein, das Ding an die Wand zu hängen und etwas hineinzustellen. Nur was? Die Fächer bieten nicht wirklich viel Platz. 

Bei Doris Schmitt stehen im Setzkasten viele kleine Gegenstände, die typisch sind: Puppenstuben-Zubehör, kleine Vasen, sogar Figuren aus Überraschungseiern. Eines hat ihr Vater ihr noch hineingestellt, was man nur in ihrem Setzkasten findet: die Bleilettern, die zusammengenommen seinen Namen ergeben.

Text: Georg Klietz
Foto: Masha Tuler

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