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Scheiße, Fuck und Ähnliches

Tochter, 15, schmeißt sich die Umhängetasche über die Schulter und entschwindet in Richtung Haustür. Mutter, schwanger vom neuen Lebensgefährten, fragt: »Wann bist du zurück?« Tochter: »Weiß nicht, ich übernachte bei meinem Freund.« Mutter, verlegen: » Habt ihr…, benutzt ihr… Kondome?« Tochter, genervt: »Mamaa!« Weg ist sie. 

So geht es zu im Fernsehen, nennt sich Familienserie und kommt zur besten Sendezeit. Die Sache ist verwickelt und zunächst schwer zu durchschauen. Zwei Familien, Patchwork, die Kinder mal hier, mal da, alle gereizt. Umgangston rau und direkt, ohne überflüssige Rücksichtnahme. 

Söhnchen 1 zeigt Mamas Neuem gern mal den Stinkefinger und Söhnchen 2 – andere Familie – ist lieb, aber nervig. Der Ex von Mama 1 leidet unter Sex-Entzug und hüpft mit einer soeben angelachten Schönheit gleich beim ersten Date in die Kiste. Mama 2, Typ cool und arrogant, serviert, nach erfolgter Trennung vom Ehemann, kurz und schnöde ihren aktuellen Lover ab und fängt eine neue Beziehung an. Söhnchen 2 ist nun nicht mehr nett, sondern frustriert. Und so ähnlich und so fort … 

Und jetzt ich, zuschauende Seniorin, allein lebend mit Katze: »Kapierst Du das?« Katze, schnurrend: »Brrrr…« Das bringt nicht viel. Aus Sicht der alten Dame (das bin ich!), Generation »Ein Mädchen geht als Jungfrau in die Ehe!«, ist alles sehr verwirrend. Die Frage ist: Zeigt das Fernsehen (schließlich handelt es sich hier um das seriöse Öffentlich-Rechtliche!), wie es im wirklichen Leben ist? Knallen Teenies heutzutage ihren Erzeugern die Tür vor der Nase zu und keifen wie wild gewordene Handfeger (so nannte man das früher) in Richtung Mütter, Väter und die Wände? Schreien alle, jung und alt, dauernd Scheiße, Fuck und Ähnliches? Springt der Nachwuchs permanent beleidigt vom Esstisch auf, hängen alle, quer durch die Generationen, Chips mampfend vor der Glotze und vergnügen sich mit merkwürdigen Videospielen, bei denen man abknallt, was sich gerade bewegt? 

Das wüsste ich gern. Meiner Katze ist’s egal. Sie hat kein Handy und keine Spielkonsole. Wenn ich sie rufe, kommt sie oder nicht, unsere Konversation bleibt höflich. Früher, das muss man sagen, war sie eine konsequente Verfechterin der freien Liebe und nicht zimperlich. Ihre Freier ziemlich ungeniert beim Sex und ihre Kinder keineswegs legitim. Lassen wir das. 

Fest steht: Fernsehen aus und alle Fragen offen. Andererseits, überlege ich mir, ist man auch noch in fortgeschrittenen Jahren durchaus lernfähig. Vielleicht macht es ja Spaß, mal so ganz man selbst zu sein. Käme auf einen Versuch an. Probeweise übe ich ein paar Four-letter-Words in meiner Wohnung und nehme mir vor, sie auszuprobieren, wenn Besuch kommt. Mal sehen, was passiert. Bloß: Einsamkeit im Alter ist auch nicht so prickelnd …

Text: Brigitte Lemberger
Cartoon: Sebastian Haug
Foto Homepage: Victoria Borodinova/Pixabax

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