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Aus dem Liebesleben von Karl IV.

Geschichte kann man auf sehr unterschiedliche Arten vermitteln. In der Schule mussten die meisten vor allem Fakten pauken. Man lernte beispielsweise, dass der Name Karl IV. untrennbar mit der Goldenen Bulle von 1356 verbunden ist, dass er damit die erste deutsche Verfassung schuf, Nürnberg den Ruhm als Stadt der ersten Reichstage nach der Kaiserkrönung bescherte und die Päpste aus der Wahl der deutschen Herrscher ausgrenzte.

Bernhard Rufflar gibt zweimal in der Woche Literatur- und Geschichtskurse und begeistert seine Zuhörerinnen durch seinen lebendigen Vortrag. Foto: Michael Matejka
Bernhard Rufflar gibt zweimal in der Woche Literatur- und Geschichtskurse und begeistert seine Zuhörerinnen durch seinen lebendigen Vortrag. Foto: Michael Matejka

Geschichte kann man auf sehr unterschiedliche Arten vermitteln. In der Schule mussten die meisten vor allem Fakten pauken. Man lernte beispielsweise, dass der Name Karl IV. untrennbar mit der Goldenen Bulle von 1356 verbunden ist, dass er damit die erste deutsche Verfassung schuf, Nürnberg den Ruhm als Stadt der ersten Reichstage nach der Kaiserkrönung bescherte und die Päpste aus der Wahl der deutschen Herrscher ausgrenzte.
von Annika Peißker
Man kann Geschichte auch anders vermitteln. Zum Beispiel, indem man Bernhard Rufflar erzählen lässt. Wenn er über den König und Kaiser des Heiligen Römischen Reichs doziert, wird Geschichte erst wirklich lebendig. Leichtfüßig erzählt er, wie Karl bei seiner Krönung zum Kaiser den päpstlichen Machtzirkel in Rom düpierte: »Er reist nach Rom mit einem Gefolge von gerade einmal 300 Rittern. Dort lässt er sich die Krone aufs Haupt drücken und haut nach einem Tag wieder ab.« Die Art, wie Karl IV. »Länder einsammelte« und damit viele verstreute Gebiete einte, ist ihm eine Anekdote wert: »Die Mark Brandenburg hat Karl ganz einfach dem dortigen Regenten abgekauft. Das war nämlich Otto, der Faule. Der trug seinen Beinamen schon zu Lebzeiten. Nachmittags widmete er sich gern dem Studium der Körper schöner Frauen – das hat ihn fertig gemacht. Und abends wurde dann noch gebechert.«
Wenn Bernhard Rufflar einmal in der Woche im Bildungszentrum am Nürnberger Gewerbemuseumsplatz über historische Persönlichkeiten parliert, schallt häufig Gelächter durch den Fabersaal. Im Schnitt hören ihm 40 Interessierte zu. Senioren sind es, die an der Altenakademie in Nürnberg ihren Wissensdurst stillen. Der Dozent, selbst 77 Jahre alt, stillt ihn gern: Als ehemaligem Gymnasiallehrer ist ihm Bildung eine Herzensangelegenheit.
Frauen sind klar in der Überzahl
Etwa zweimal pro Woche fährt Bernhard Rufflar von seinem Wohnort Wendelstein nach Nürnberg, um an der Altenakademie zu unterrichten. Neben Deutscher Geschichte hält er auch einen Literaturkurs und bietet einmal monatlich eine Gesprächsrunde an, in der über aktuelles politisches Zeitgeschehen diskutiert wird – alles ehrenamtlich.
Denn das ist einer der wichtigsten Grundsätze der Nürnberger Altenakademie: Alle Dozenten arbeiten unentgeltlich, damit die kulturelle Bildung im Alter nicht mit hohen finanziellen Hürden verbunden ist. Gerade einmal 20 Euro pro Jahr zahlt man für die Zuhörerschaft – auch dank der Unterstützung durch das Bildungszentrum und die Stadt Nürnberg. Etwa 15.000 Senioren schreiben sich pro Jahr an der Altenakademie ein, vor allem aus dem Städteviereck Nürnberg-Fürth-Erlangen-Schwabach. »Der überwiegende Anteil davon sind Damen; geschätzt machen sie 80 Prozent der Zuhörer aus«, sagt Alexander Liebel. »Sie sind couragierter, neugieriger und flexibler.«
Als Vorsitzender leitet Liebel den Verein, in dessen Rahmen die 1991 gegründete Altenakademie läuft. Das Programm im aktuellen Sommersemester umfasst etwa 120 Veranstaltungen. Die Kurse, Vorträge, Konzerte und Ausflüge verteilen sich auf zwölf Kategorien – von Politik und Sprachen über Musik und Religion bis hin zu Gesundheit und Reiseberichten. Wer mag, kann seine Spanisch-Kenntnisse ebenso trainieren wie sich über den Urknall informieren, die Literatur-Nobelpreisträgerin Alice Munro näher kennenlernen oder Lach-yoga probieren. Etwa 100 Dozenten geben regelmäßig ihr Wissen weiter. Eines haben sie alle ge-meinsam: Sie sind »nachberuflich« tätig, also bereits im Ruhestand.
Auch Bernhard Rufflars Karriere in der Erwachsenenbildung begann mit der Pensionierung: Als er 1998 aus gesundheitlichen Gründen das Nürnberger Sigena-Gymnasium verließ, habe er sich »furchtbar gelangweilt«, erzählt er. Eine ehemalige Kollegin lud ihn damals ein, probehalber einen Vortrag an der Altenakademie zu halten. Es klappte auf Anhieb, und so gehört Rufflar seit 1999 fest zum Dozentenstamm. »Ich habe hier das Beste aus meinem früheren Beruf konserviert«, sagt der Wendelsteiner hochzufrieden. »Ich muss keine Noten verteilen und keine Aufsätze korrigieren, es gibt keine Stoffabfrage und keine Konferenzen. Alle Teilnehmer kommen freiwillig – und Hausaufgaben drücke ich ihnen auch nicht auf.«
Gefragtes Angebot
Rufflar schätzt an der Altenakademie die Vertrautheit und Beständigkeit – und natürlich, dass seine Kurse gut nachgefragt werden. Eine Teilnehmerin ist ihm bereits seit 1999 treu und hört sich  inzwischen zum dritten Mal den Geschichtszyklus von Friedrich dem Großen bis zur Gegenwart an. Doch langweilig wird es ihr sicher nicht. Zum einen bereitet Bernhard Rufflar jede Stunde aufs Neue vor, liest weitere Quellen, versucht neue Akzente zu setzen. Zum anderen ist er ein fesselnder Redner – der immer wieder gern Exkurse einstreut.
So haben in seinem Vortrag über Karl IV. auch eine Oper von Richard Wagner, ein Ausflug zu »Romeo und Julia« und ein Zitat von Smetana Platz. Er doziert wie nebenbei über die Geografie Frankreichs, wundert sich über die tiefere Bedeutung des Ausspruchs »jemandem ein Kind schenken« und lässt kurz seiner Verehrung für den Politiker Bismarck freien Lauf: »In den jetzigen Krisentagen in Berlin wünsche ich mir meinen Bismarck.«
Liebe zum gedruckten Wort
Keine Frage, der Mann, der aus einer Handvoll Stichpunkte einen gut einstündigen Vor-trag zaubert, ist gebildet. »Ich bin ein Lesemensch«, sagt er – und das von Kindesbeinen an. Von einem Onkel aus Leipzig bekamen er und sein Zwillingsbruder alte, abgelegte Geschichtsbücher geschickt, die die Buben fesselten. »Auch unsere Mutter hat uns gebremst: Wenn wir Radio hörten, mussten wir stillsitzen.« Bis heute hat sich so eine Liebe fürs gedruckte Wort, für Konzerte und Theater und für leidenschaftliche Diskussionen gehalten.
Wie lange er sein Wissen noch vermitteln will? »Solange der Geist frisch bleibt, bin ich dabei«, sagt Bernhard Rufflar prompt. Nach Überzeugung des Vorsitzenden Alexander Liebel dürfte das noch ziemlich lang sein, denn sein Motto lautet: »Die Altenakademie ist ein Jungbrunnen – für Dozenten wie für Zuhörer.«
Wer mehr über die Altenakademie wissen möchte, kann sich an die Geschäftsstelle am Gewerbemuseumsplatz 1, Zimmer U 115, in Nürnberg wenden unter Tel. 0911 /  53 70 10 (geöffnet Montag bis Donnerstag von 13:00 bis 15:30 Uhr) sowie per E-Mail an info@altenakademie-nuernberg.de Das aktuelle Programm steht auch online auf www.altenakademie-nuernberg.de.

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