Obwohl er vor allem für Menschen eine Leuchtturmfunktion haben könnte, die am Ende ihres Lebens aus körperlichen oder geistigen Gründen nicht mehr in der Lage sind, ihr Leben selbst bestimmt führen zu können und die unter (gerichtlich verfügter) Betreuung stehen.
Die Zahl der Betreuungsverfahren in der Bundesrepublik steigt. Nach Angaben des Berliner Rechtsanwaltsbüros für Seniorenrecht von Georg Zenker waren es im Jahr 2011 mehr als 1,3 Millionen, zwei Prozent mehr als 2009. »Aufgrund der demografischen Entwicklung wird die Zahl der Betreuungsfälle weiter steigen«, kommentiert Andreas Scheulen, Fachanwalt für Familienrecht in Nürnberg, diesen Sachverhalt. Seit 16 Jahren betreut seine Kanzlei solche Menschen (momentan sind es etwa 60): »Auch wenn das Älterwerden und die Einrichtung einer Betreuung zu Recht mit Angst besetzt sind, hat der Gesetzgeber ein solides Gesetz geschaffen, das das Wohl der Betreuten im Auge hat.«
So wurde das Betreuungsgesetz, das die Vormundschaft über Volljährige und die so genannte Gebrechlichkeitspflegschaft ablöste, 1990 verabschiedet. Kern dieses Gesetz ist die Einrichtung einer Betreuung durch ein Gericht, wenn ein Erwachsener aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen. Unter diesen Sachverhalt fallen beispielsweise Suchterkrankungen oder auch Demenz.
Hinweise von Banken
Den Antrag auf die Einrichtung einer Betreuung kann entweder der Betroffene selbst stellen oder das Gericht erhält einen Hinweis, eine solche zu beantragen. »Hinweise an Gerichte kommen beispielsweise von Banken«, weiß Andreas Scheulen. Sie bemerken, dass ihre (kranken) Kunden ihr Geld verschwenden und beispielsweise ohne ersichtlichen Grund hohe Summen abheben. Unter den Hinweisgebern sind ebenso Nachbarn Erkrankter. Wenn diese beispielsweise vermuten, einen so genannten Messie vor sich zu haben – einen Mann oder eine Frau, der oder die beispielsweise aufgrund einer psychischen Störung die Wohnung vermüllt. »Kein Mensch muss aber befürchten, gegen seinen Willen unter eine Betreuung gestellt zu werden«, versichert Andreas Scheulen. Denn dem Willen des Betreuten kommt eine zentrale Bedeutung im Gesetz zu. Lehnt der Betroffene eine Betreuung ab, folgen Gerichte meist dieser Willensäußerung.
In dem mehrstufigen Betreuungs-Verfahren ist zwar das Gericht Herr des Verfahrens, bestellt aber, um die Verfassung des Erkrankten zu klären, ein unabhängiges Sachverständigen-Gutachten. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Abwägung, ob der Erkrankte fähig ist, die Tragweite seiner Handlungen abzuschätzen.
Ist eine gerichtliche Betreuung nach gründlicher Prüfung verfügt, stehen Wunsch und Wohl des Betreuten im Mittelpunkt. Des-halb suchen die Gerichte als ehrenamtliche Betreuer: Verwandte, Freunde, aber auch Nachbarn. Sehr vorteilhaft sei es, meint Andreas Scheulen, wenn der Betreute noch in der Lage ist, sich selbst seinen Betreuer auszusuchen.
In der Praxis kommen mehr als die Hälfte der Betreuer aus dem familiären Umfeld. Nur, wenn sich niemand aus diesem Personenkreis findet, kann das Gericht einen berufsmäßigen Betreuer bestellen. Berufsmäßiger Betreuer ist man dann, so Andreas Scheulen, wenn man mehr als zehn Betreuungen führt. Nach Angaben des Rechtsanwaltsbüros Zenker aus Berlin wird derzeit ein Drittel aller Betreuten von berufsmäßigen Betreuern unterstützt.
An den berufsmäßigen Betreuern entzünden sich meist die Konflikte. So berichtete unter anderem das ZDF-Polit-Magazin frontal 21 in zwei Beiträgen (20. November und 4. Dezember 2012) von Fällen, in denen Angehörige nach Interventionen berufsmäßiger Betreuer nicht mehr mit den Betroffenen in Kontakt treten konnten. Auch die Talk-Sendung »Menschen bei Maischberger« mit dem (reißerischen) Titel, »Entmündigt – wenn Betreuung zum Alptraum wird«, (6. März 2013) schlug in dieselbe Kerbe. »Im Einzelfall sind solche Probleme nicht auszuschließen«, kommentiert Andreas Scheulen die Fernsehbeiträge.
Die Gesetzeslage und die Praxis zeigen aber eine hohen Regelungs- und Kontrolldichte, mit denen pflichtwidriges Verhalten entgegen gewirkt werden kann. Dass es trotzdem zu Konflikten kommen kann, räumt Scheulen ein. Viele nahe Verwandte sind auch künftige Erben und verstehen zum Beispiel nicht, dass Vermögen, wie etwa das Eigenheim, beim Umzug in eine Pflegeeinrichtung zur Finanzierung der Heimkosten einzusetzen sind, verdeutlicht der Fachanwalt. In strittigen Fällen könnten aber Gerichte zur Überprüfung eingeschaltet werden.
Auf den weiteren Vorwurf, der in den Fernsehsendungen erhoben wurde, dass die Überprüfungen aufgrund personeller Unterbesetzung der Gerichte oft unterbleibe, kann Scheulen nur mit den eigenen Erfahrungen aus Nürnberg antworten: »Das Betreuungsgericht und die Betreuungsbehörden in Nürnberg erledigen ihre Aufgaben in diesen Fällen dem gesetzlichen Auftrag entsprechen ordnungsgemäß.«
Der Rechtsanwalt sieht auch andere Defizite. So kritisiert er, dass Ehrenamtliche zwar ein Einführungsgespräch bekämen, aber eine weitere, kontinuierliche Schulung kaum stattfinde. Gerade die ehrenamtlich Tätigen bräuchten mehr Unterstützung.
Es wird zu wenig bezahlt
Auch die schlechte Bezahlung der berufsmäßigen Betreuer und Betreuerinnen sei ein Manko. Scheulen bestätigt, dass ein be-rufsmäßiger Betreuer 30 bis 100 Fälle braucht, um davon leben zu können: »Angesichts des immens hohen bürokratischen Aufwands und der notwendigen Qualifikation wird zu wenig bezahlt«, kritisiert der Rechtsanwalt. Eine Versuchung der Betreuer in die »Kasse« der Anvertauten zu greifen, sieht er aber nicht, da hier die Kontrolldichte sehr hoch sei. Scheulen bemängelt die fehlende Ausbildung für die Betreuer, da die Verwaltungsmaterie oft kompliziert sei. »Bei einer Betreuung ist viel zu regeln und man stellt sich oft die Frage, wann greife ich ein?«, urteilt der Anwalt.
Die größeren Probleme sieht Scheulen aber bei den Vorsorgevollmachten. Hier bevollmächtigt ein Erkrankter eine Person seines Vertrauens, für ihn zu handeln – und zwar zu einem Zeitpunkt, wo ihm ein selbst bestimmtes Leben noch möglich ist. Diese Art der Vorsorgevollmacht unterliegt keiner (gerichtlichen) Kontrolle, und Missbrauch sei hier leichter möglich.
Rainer Büschel
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