Anzeige

Eher getrübte Aussichten – Ältere in den Betrieben & im Ruhestand

Wissenschaftler, Arbeitgeber-Vertreter, Gewerkschafter, die Bundesagentur für Arbeit und Vertreter des Arbeitsministerium – wenn sich die alle an einem Tisch treffen, müsste doch was raus kommen. Schön, wenn es dabei noch um ältere Arbeitnehmer/innen geht. Eindrücke von der Veranstaltung Wissenschaft trifft Praxis „Ältere am Arbeitsmarkt –Chancen, Risiken und Handlungsansätze“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) am 9./10.7.2013 in Nürnberg.
Der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Joachim Möller, im Gespräch mit dem einem der Referenten der Tagung, Axel Börsch-Supan, vom Max-Planck-Insititut/München. Foto: Rainer Büschel
Der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Joachim Möller, im Gespräch mit dem einem der Referenten der Tagung, Axel Börsch-Supan, vom Max-Planck-Insititut/München. Foto: Rainer Büschel

Die IAB-Tagung „Ältere am Arbeitsmarkt – Chancen, Risiken und Handlungsansätze“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) am 9./10.7.2013 in Nürnberg folgte dem Grundsatz, Wissenschaft & Praxis aufeinander treffen zu lassen. Das ist alles andere als selbstverständlich und auch zu begrüßen. Aber was tun, wenn sich Wissenschaftler bei etlichen Fragen zum Thema Alter schon nicht einig sind und dies aufgrund der Veranstaltungsstruktur kaum zur Klärung der offenen Fragen führt? Da haben es dann die Praxisvertreter aus den Unternehmen einfach, als Vertreter in der eigenen Sache und als Ankündiger von Programmen für Ältere aufzutreten, als zum Thema beizutragen.

Den Anfang bei der zweitägigen Tagung machte Axel Börsch-Supan (Center for the Economics of Aging im Münchner Max-Planck-Institut). Er entfaltete das Thema entlang der Fragen ,ob Ältere arbeiten können, müssen, sollen, wollen oder dürfen. Es überrascht eher nicht, dass Börsch-Supan die Fragen alle positiv beantwortete. Beim “dürfen” widersprach er dabei dem oft gebrauchten Argument, dass Ältere  Jüngeren den Arbeitsplatz streitig machen, wenn sie bis 65 oder gar bis noch länger arbeiten. Im Gegenteil, so der Professor in einem Ländervergleich: Je höher die Arbeitslosenquote, desto früher gingen die Menschen in manchen Ländern in Rente. Als Beispiel könnte hier Griechenland oder Spanien dienen.

Dieser Aussage widersprechen allerdings einige Ergebnisse des zeitgleich zu dieser Veranstaltung veröffentlichten  Kurzberichts des IAB „Wie Betriebe auf die Alterung ihrer Belegschaft reagieren“.  So hat sich in der Bundesrepublik die Zahl der 60- bis 65-Jährigen von 2001 bis 2011 prozentual zwar fast verdoppelt. Sie bleibt mit 27,5% der Beschäftigten 2011 aber doch weit unter ihren Möglichkeiten. Sarah Mümken von der Uni Duisburg-Essen fragte am nächsten Tag mit Hinweis auf  die Aussage von Börsch-Supan, ob man so einen Ländervergleich überhaupt anstellen könne. Die Regeln, nach denen Arbeitnehmer in den verschiedenen Länder in Rente gingen, seien nämlich kaum vergleichbar. Darüber hinaus werde die Arbeitslosenquote eher von der Konjunktur als von der Rentenpolitik beeinflusst.

Offen bleiben musste auch der Einwand der Forscherin aus Essen zur Feststellung des IAB, die Erwerbssituation der Älteren habe sich verbessert. Frau Mümken ließ dies aufgrund ihrer Forschungen zwar für die 55- bis 59-Jährigen gelten, stellte aber fest, dass die Arbeitslosigkeit bei über 60-Jährigen in den zurückliegenden zehn Jahren stark gestiegen sei. Sie führte dies vor allem auf die Abschaffung der so genannten 58er-Regelung zurück. Danach konnten Arbeitnehmer die Zeit bis zu einer abschlagsfreien Rente im BA-Leistungsbezug überbrücken, ohne als arbeitslos registriert zu sein.

Ähnliches lässt sich zu den Maßnahmen für Ältere in Betriebe sagen: Der IAB-Kurzbericht stellt fest, dass jeder fünfte Betrieb spezielle Maßnahmen für Ältere anbietet. Mit Abstand das beliebteste Instrument der Betriebe und der Arbeitnehmer ist die Arbeitsteilzeit. Diese wird aber mit Abschlägen bei der Rente erkauft, wenn sie der einzelne Betrieb nicht ausgleicht. Außerdem steht sie dem Ziel, Ältere im Betrieb zu halten, partiell entgegen. Andere Maßnahmen, wie Weiterbildung, altersgemischte Arbeitsgruppen und Gesundheitsmaßnahmen für Ältere, werden verstärkt angeboten. Für die Vertreter der Industrie – u.a. vom Personalverstand des Chemieunternehmens Evonik und Oliver Zander von Gesamtmetall – mutierte dies in ihren Vorträgen schon zur Neu- und Wieder(!)entdeckung der Älteren. Dem begegnete Jürgen Urban von der IG-Metall mit dem Hinweis, dass die Neuentdeckung der Älteren durch die Betriebe ein (medialer) Mythos sei. Gerade mal 4% böten spezielle Maßnahmen für Ältere an – in 95% der (Klein- und Mittel-)Betriebe passiere gar nix.

Einig waren sich hingegen der Rentenexperte Reinhold Thiede von der Rentenversicherung Bund und Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), was Altersarmut heutzutage angeht. Der Rentenexperte begründete die Altersarmut aus der Systematik des deutschen Rentenwesens, das die Veränderungen der Arbeitswelt abbilde. So drückten die zunehmenden Teilzeit-Verhältnisse, die durch Arbeitslosigkeit unterbrochenen Erwerbsbiografien und die zunehmende (schlecht bezahlte) Frauenerwerbsarbeit die Höhe der Renten. Dies gelte auch für Rentner/innen, die ihr Leben lang in die Rentenversicherung hohe Beiträge eingezahlt hätten, da sich diese am durchschnittlichen Renteneinkommen orientieren. Noch verstärkt werde der Trend zu niedrigen Renten bis hin zur Altersarmut nach Aussagen des DIW-Forschers durch die vielen Solo-Selbstständigen. Im Osten der Republik führe das sinkende Rentenniveau bereits heute dazu, dass zwischen 18% und 19% von der Altersarmut betroffen seien. Erschreckend sei für ihn, ergänzte Markus Grabka, dass trotz einer immer höheren Frauenerwerbsquote die Alterssicherung im Allgemeinen nicht gegeben sei.

Wenig zur Klärung konnte die Podiumsdiskussion am Ende beitragen. Das Podium, bestückt mit einigen Referenten und ergänzt um Vertreter, u. a. des DGB und des Arbeitsministeriums, wollte sich ihre (positive) Sicht auf die Erwerbstätigkeit Älterer nicht streitig machen lassen. Letztlich hat die Tagung des IAB aber trotzdem bewiesen, gerade mit hervorragenden Vorträgen zu Details der Beschäftigung Älterer, dass dieses Thema kein Randthema mehr ist und in Zukunft einen hohen Stellenwert hat.

Rainer Büschel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Anzeige
Anzeige

Aktuelle Beiträge

Skip to content