
Ich möchte später nicht von meinen Enkeln gefragt werden: Oma, warum hast du nichts gemacht?« Dieses Zitat einer engagierten Großmutter könnte als Motto über den Aktivitäten einer immer größer werdenden Gruppe von Seniorinnen stehen, die sich in den politischen Diskurs einmischen wollen, um für Demokratie, Toleranz und Vielfalt zu streiten: die »Omas gegen Rechts«. Auf Bundesebene gibt es sie schon seit 2018, und seit spätestens Anfang dieses Jahres erheben sie auch in Franken immer lauter ihre Stimme, für sich, für ihre Enkelkinder und für eine Gesellschaft, die nach Rechtsaußen abzukippen droht. Wie machen sie das? Wir haben uns in Erlangen und in Nachbarstädten bei ihnen umgesehen.
Die Zunahme von rechtspopulistischen und extremistischen Strömungen, von Hass und Hetze, von Rassismus, Antisemitismus und Antifeminismus sowie die Ausgrenzung von Menschen mit Migrationsgeschichte waren der Erlangerin Petra Hannweg schon lange ein Gräuel. »Als ich den Bericht des Medienhauses Correctiv über die Remigrations-Konferenz in Potsdam und Pläne von Rechtsextremisten für millionenfache Abschiebungen las, stand für mich fest: Du musst selbst etwas tun.« Sie war damit nicht allein, und so gründeten sie und ein paar Mitstreiterinnen im April dieses Jahres die Erlanger Gruppe der »Omas gegen Rechts«.
Knapp 60 Aktive sind es mittlerweile, sie sind gut vernetzt in der Stadt, in der Region und auf Bundesebene. Jeden Freitagnachmittag werben sie auf dem Hugenottenplatz für ihre politischen Ziele mit einer Mahnwache – die 25. war Anfang Oktober. Das kommt gut an, auch bei den Jungen – »»Omas gegen Rechts finde ich super«, war an diesem Tag oft zu hören. »Männer dürfen übrigens auch mitmachen«, sagt Petra Hannweg, und das Alter spiele ebenfalls keine Rolle. »Wir brauchen generationenübergreifend auch die jungen Leute.«
Gegen Lügen und Verdrehungen der rechten Szene bestehen
Einer der »Opas gegen Rechts« ist Maximilian Kunert, der die »Jubiläums-Mahnwache« mit organisiert hat. Wichtig sind ihm politische Schulung und Argumentationshilfen, um gegen Lügen und Verdrehungen der rechten Szene bestehen zu können, wie er betont. Deswegen überlegen die Mitglieder der Initiative in Erlangen schon, ihr Angebot an Schulungen wie etwa Argumentationstraining oder Gewaltprävention auszuweiten. Außerdem gibt es eine Singgruppe, die bei politischen Veranstaltungen auftritt. Ebenso eine Demokratiegruppe, die Fakten und Positionen ausarbeitet. Ein weiteres Ziel: Man will mit anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen an den »Internationalen Wochen gegen Rassismus« Anfang nächsten Jahres in Erlangen teilnehmen.
Ähnliches ist in Nürnberg zu hören, wo es ebenfalls Mahnwachen gibt, jeden Montagabend an der Lorenzkirche, aber unter erschwerten Bedingungen. Denn diese Veranstaltungen sind eine Reaktion auf die gleichzeitig stattfindenden Auftritte des »Teams Menschenrechte«, einer Mischung von Corona-Leugnern, Gruppen vom rechten Rand und Gegnern von queeren und Trans-Menschen. »Wir werden von ihnen oft angefeindet und sogar als Hexen beschimpft«, sagt Gunda Krüdener-Ackermann von der Nürnberger Oma-Gruppe. Für ihre Generation, betont die 70-Jährige, die schon immer politisch aktiv war, sei es immer aufwärts gegangen, aber nun müsse man Angst vor der Zukunft haben. Politisch, aber auch, weil das Auftreten von Neonazis oftmals beängstigende Assoziationen wecke. Für sie heiße das »Widerstand statt Ruhestand«.
Die Enkel sollen in einer freien Gesellschaft aufwachsen
Angst und Wut wegen des Rechtsrucks in der Gesellschaft waren auch die Gründe, weshalb sich Edeltraut Schmerer in Forchheim bei den »Omas gegen Rechts« engagiert. Ihre Enkel sollen in einer freien Gesellschaft aufwachsen können, und dafür tut sie, was sie sich früher nie hätte vorstellen können: Sie geht mit 75 noch auf die Straße. Oder zum Tag der deutschen Einheit ins einst geteilte Mödlareuth, auch um gegen die dort alljährlich aufmarschierende AfD zu protestieren. Sie macht das noch aus einem anderen Grund, nämlich zur Verteidigung der Frauenrechte gegenüber den Neonazis, »die uns wieder zu Gebärmaschinen machen wollen«.
Genau das ist auch ein Hauptanliegen der »Omas gegen Rechts« in Erlangen, wenn Petra Hannweg bei der Mahnwache wirbt, Flyer und Omas-gegen-Rechts-Plaketten (»alle selbst gemacht«) verteilt und das Gespräch mit Vorbeikommenden sucht: »Eigentlich sind wir eine Frauenbewegung und kämpfen für Frauenrechte«. Das Echo ist durchwegs positiv, einige Passanten freilich gehen kopfschüttelnd vorbei, und es sei auch schon vorgekommen, sagt eine Teilnehmerin, »dass wir beschimpft wurden«.
Das ist aber nichts gegen die Welle des Hasses und der Drohungen, die sich in den sozialen Medien über die engagierten Frauen ergießt. Auf Facebook, Whatsapp, Tiktok und Co. aber sind die »Omas gegen Rechts« selbst aktiv, denn »da erreicht man die jungen Leute«, sagt Petra Hannweg. Gerade in dieser Altersgruppe wurde und wird ein deutliches Abkippen nach Rechts festgestellt. Da müsse man dranbleiben und ins Gespräch kommen. Für Tiktok, das gerne vom ganz rechten Spektrum bespielt wird, hatten sich die Omas etwas Besonderes einfallen lassen: Das Wildschwein Eberhardt, das in kurzen Sequenzen rechte Lügen und vor allem die AfD entlarvt. Derzeit ist allerdings Sendepause, neue Folgen werden vorbereitet.
»Wir müssen Haltung zeigen«
So richtig in Aktion kann man die »Omas gegen Rechts« bei Demonstrationen erleben, wie etwa Ende August, als der Jurist Ulrich Vosgerau, der den AfD-Funktionär Björn Höcke vor Gericht vertrat, geladener Gast bei einem »Kamingespräch« des mittelfränkischen Bezirksverbands der CSU-Mittelstandsunion in Erlangen war. Da kamen ganz selbstverständlich auch die Omas aus Nürnberg und Forchheim zur lautstarken Unterstützung, denn, so Edeltraut Schmerer: »Wir müssen Haltung zeigen«.
Den Rechten entgegen zu treten, braucht Mut. Den haben schon höchste Stellen den »Omas gegen Rechts« bescheinigt: Deren Bundes-Organisation, ein eingetragener Verein, wurde 2020 vom Zentralrat der Juden in Deutschland mit dem Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage ausgezeichnet, außerdem erhielt sie für ihren Einsatz den Aachener Friedenspreis 2024.
Großmütter haben, wie der Gewalt- und Konfliktforscher Professor Andreas Zick auf dem Bundeskongress der »Omas gegen Rechts« im Beisein einer Delegation aus Franken betonte, dank ihrer Erfahrung »ein besonderes Gespür dafür, dass die Mitte der Gesellschaft brüchig ist« und Einstellungen sich verschieben. Bei der Mahnwache in Erlangen spann eine Interessentin den Gedanken radikal weiter und kam zum Ergebnis: »Wenn Omas regieren würden, wäre die Welt viel besser«.
Text: Herbert Fuehr
Foto: Mile Cindric
Information
Mitstreiterinnen und Mitstreiter werden immer gesucht, hier die Kontaktadressen:
- omasgegenrechts-erlangen@gmx.de
- ogrnbg@gmail.com
- omas.forchheim@gmail.com