Über die Rente mit 67 wird heftig debattiert. Einmal im politischen Raum, und zum anderen an Stammtischen und in Kaffeekränzchen, bei Pensionärsversammlungen und in Wandergruppen. Magazin 66-Autorin Melita Tilley hat sich bei Unternehmen und Gewerkschaften umgehört, wie sich diese auf den demografischen Wandel einstellen.Immerhin sollen derzeit nur jeder Fünfte über 55 und jeder Vierte über 60 noch in Lohn und Brot stehen, womit die Voraussetzungen für eine Rente mit 67 in keiner Weise gegeben wären.
Axel Gerntke, Ressortleiter für die Allgemeine Sozial- und Arbeitsmarktpolitik bei der IG-Metall ist nicht allein mit seiner Meinung, dass die demografische Entwicklung von der Politik im Grunde dazu missbraucht wird, das Rentenalter anzuheben. Die faktisch einseitig für Arbeitgeber „eingefrorenen“ Beiträge führten so zu höheren Profiten für Unternehmen bei gleichzeitiger Kürzung der Renten auf der Seite der Arbeitnehmer. Hinzu kommt die zumeist allein von den Beschäftigten zu tragende teure Finanzierung einer privaten Altersvorsorge wie der Riester- Rente, deren Rentabilität für die Versicherten erst kürzlich von der Friedrich-Ebert-Stiftung aufgrund einer Studie infrage gestellt wurde. Für Axel Gerntke und seine Kollegen bei der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG-BCE) gelten Respekt und Wertschätzung der älteren Beschäftigten als unabdingbar: Schließlich fanden sich Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters in der Vergangenheit doch eher diskriminiert und vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis herausgekauft oder gar mit recht unzimperlichen Methoden herausgedrängt. Wertschätzung sei eine wichtige Basis für die Gesundheit und Motivation der Mitarbeiter, von denen letztendlich der Erfolg eines Unternehmens abhinge. Dazu gehörten eine gesundheitliche Vorsorge und gute Arbeitsbedingungen, die bereits bei den Jungen ansetzen müssten, denn neben der körperlichen sei auch die psychische Belastung zu einem immer größeren Problem geworden, so Gerntke. Kritisch gesehen werden die Abschläge, die sich durch die weitere Anhebung des Rentenalters um bis zu 7,2 Prozentpunkte erhöhen können. Damit dies nicht zu einer Rentenkürzung führe, sei für die Zukunft die Entwicklung von flexiblen und sozialverträglichen Ausstiegsmodellen nötig.
Um hier Abhilfe zu schaffen, hat die Gewerkschaft IG-BCE Arbeitskonten für eine zusätzliche betriebliche Altersvorsorge von knapp 1000 Euro pro Mann und Jahr durchgesetzt. Damit soll vom 59. bis 65. Lebensjahr auch nach 2009 eine flexible Arbeitsteilzeit finanziert werden, die einen stufenweisen Übergang in den Ruhestand für diejenigen ermöglicht, die auf eine solche Überbrückung nach wie vor angewiesen sind. Die altersbedingte Abnahme an Konzentration und Reaktionsvermögen wird in manchen Unternehmen bereits durch regelmäßige innerbetriebliche Weiterbildung und gemischte Teams von Jung und Alt, ausgeglichen. Die Dynamik und der Ideenreichtum der Jüngeren ließe sich so ideal mit der Erfahrung Älterer ergänzen, bestätigten die dazu befragten Firmen AUDI, BMW, Staedler und die Vertreter vom Verband der Chemo-Industrie (VCI).
In Zusammenarbeit mit den führenden Gewerkschaften wurden und werden weiterhin Modelle für eine bessere Integration und längere Beschäftigung entwickelt. Vieles davon ist unter Einsatz beträchtlicher Investitionen bereits umgesetzt worden, wie die Pressesprecher der oben genannten Unternehmen einhellig berichten. In der Metropolregion Nürnberg ist die Traditionsfirma Staedler seit 2009 dabei, mit dem Programm „pro futura“ die daraus gezogenen Erkenntnisse in allen Fertigungsbereichen zu verwirklichen. Dort wie in der Auto- und Chemo-Industrie hat man sich zum Ziel gesetzt, die Leistungsfähigkeit und Kompetenz der Mitarbeiter durch Weiterbildung, eine betrieblich geförderte und finanzierte Gesundheitsvorsorge, individuelles Coaching und eine spürbare Verbesserung des Arbeitsumfeldes, zu stärken. Im Ergebnis hat sich das Qualitäts- und Produktivitätsniveau in den einschlägigen Unternehmen wesentlich verbessert. Obwohl ursprünglich aufgrund des demografischen Wandels initiiert, kommen diese Maßnahmen inzwischen nicht nur den älteren Mitarbeitern, sondern der gesamten Belegschaft zugute.
In der Automobilherstellung wird 2015 voraussichtlich fast jeder dritte Mitarbeiter über 50 sein, 2020 fast jeder zweite. Um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken, haben z.B. BMW und AUDI in den letzten sieben bis neun Jahren breit angelegte Projekte mit ähnlichen Strategien entwickelt. So wurden Einzelmaßnahmen gemeinsam mit der Belegschaft erarbeitet – vom gelenkschonenden Holzfußboden, über schwenkbare Monitore mit größerer Schrift, Lupen, ergonomische Sitz- und Montagemöglichkeiten bis hin zu einem breiten Sportangebot und Schulungen zum Thema Gesundheit und Ernährung. All das macht eine allmähliche Verschiebung der Perspektive zum Thema „Altersbild“ erkennbar, ganz im Sinne der Altersforscher. Denn auch die Wissenschaftler mahnen mehr Anerkennung und Teilhabe an der Gesellschaft für die Älteren an, anstatt in ihnen lediglich ein Problem zu sehen. Dazu müssten allerdings erst einmal die Barrieren über das Alter in den Köpfen fallen, nach dem Motto: Gesellschaftliche Annerkennung und Teilhabe sollten vor der Leistung stehen und nicht umgekehrt.
Text: Melita Tilley
Foto: Michael Matejka
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