Unter Rentnerbands versteht man in der Regel etwas völlig anderes als der Fernsender SAT 1. Er zeigt nämlich in einer sechsteiligen Doku-Soap, wie eine aufgeweckte Gruppe Ruheständler im Alter zwischen 72 und 95 Jahren es noch einmal so richtig krachen lässt. Unter dem Motto „Rock statt Rente! Das Beste kommt zum Schluss“ startete der Sender Anfang August das außergewöhnliche Musikprojekt und reagiert damit auf den demografischen Wandel – nämlich, dass die Deutschen immer älter werden.
Die erste Folge war erstaunlich kurzweilig. Im Stil einer Dokumentation begeleitete die Kamera die rüstigen Mitglieder des neu geründeten Senioren-Chors. Ob beim Bummel durch den Berliner Stadteil Kreuzberg, wo zwei muntere Senioren sich mit ein paar Szene-Musikern anfreunden und die Tätowierungen der Freudinnen bewunderten oder im Eletrokmarkt, in dem sich zwei Teilnehmerinnen mit einem CD-Recorder austatteten: Nichts wirkte peinlich. Im Gegenteil. Die Hauptdarsteller überzeugten durch ihre Bereitschaft, sich auf das Projekt einzulassen. Im typischen Doku-Soap-Stil wurde den Zuschauern mehr verraten als den Akteuren. Das sorgt für Spannung. Und es ist in der Tat fraglich, wie viele der Senioren später auf der großen Bühne rocken.
Ein paar Details ärgerten bei der Premiere. Das dämliche Schnittbild mit den nach oben gestreckten Finger, das ständig eingeblendet wurde, war ebenso fehl am Platz wie die Art des Chorleiters, durch eine nicht sehr passende Auswahl der Titel zusätzlich Druck auf die Älteren auszuüben. Rührend, wenn eine ehemalige Sekretärin bekennt, dass sie sich gefreut hat, als ein deutsches Lied angekündigt wurde. Sie dachte an „Ännchen von Tharau“, der Chorleiter an ein Stück von den Deutschrockern „Die Ärzte“. Damit kamen die Älteren weitaus schlechter zurecht als mit einigen Rockklassikern internationaler Größe.
Trotzdem ein Projekt, das man in den nächsten Folgen weiter anschauen sollte. Es ist immerhin ein mutiges Experiemnt. Das Vorhaben ist umso bemerkenswerter, weil gerade die Privatsender lange in dem Ruf standen, nur an der jungen Zielgruppe interessiert zu sein, da vorwiegend die unter 49-Jährigen für die Werbewirtschaft interessant sind. Nun drehen die lebenslustige Senioren, die von Chorleiter Carsten Gerlitz, 43 Jahre, dirigiert werden, noch einmal so richtig auf. Es ist der erste Einsatz mit einer älteren Truppe für den Berliner, der internationale Rockhymnen wie „Highway to Hell“ und deutsche Punkrock-Klassiker mit dem „Ü 70 Chor“ einstudiert. Höhepunk der Serie ist laut Angabe des Senders SAT 1 ein Auftritt der deutschen Rockband PUR, die von den rüstig-rockigen Oldies begeleitet wird.
Wer sind die mutigen Senioren, die sich für den großen Auftritt qualifiziert haben? Hier zwei Beispiele:
Wilhelm Tromme, 95 Jahre alt, gehört dazu. Er begründet seine Teilnahme so: „Setzen Sie sich mal an einen Tisch mit älteren Leuten. Wovon sprechen sie? Vom Sterben oder über die Vergangenheit. Ich umgebe mich lieber mit jüngeren Menschen! Der gebürtige Dresdner lebt alleine in Berlin lebt und kocht immer noch täglich für sich. Gemeinsam mit seiner mittlerweile verstorbenen Frau bewirtschaftete der gelernte Koch einst ein Hotel auf Teneriffa. Heute engagiert sich der rüstige Rentner im Männerbund der „Schlaraffen“.
Eine Mitstreiterin ist Doris Kübler, 85 Jahre alt. Sie sagt: „Ich bin gespannt, was alte Leute in einem Chor noch erreichen können!“ Doris Kübler war sofort Feuer und Flamme, als sie von dem Projekt erfuhr. Wen wundert’s: Die 85-Jährige sang bereits als Kind in diversen Chören und nahm als Jugendliche Schauspielunterricht. Nach der Vertreibung aus Danzig erhielt die gebürtige Bochumerin sogar ein Stipendium für Gesang am Berliner Konservatorium. Nach ihrer Hochzeit hörte Doris auf zu singen. Doch ihre Leidenschaft für Musik überlebte mehrere
Lieben in ihrem Leben. Mit 85 will die agile Seniorin noch einmal zurück auf die Bühne: „Ich habe seit 60 Jahren nicht mehr das hohe Fis gesungen – aber hier im Chor geht es auf einmal wieder!“
Rock statt Rente! Das Beste kommt zum Schluss, SAT 1, ab 4. August, immer mittwochs um 20.15 Uhr, sechs Folgen.
Eine Antwort
Ich finde die Idee auf jeden Fall herbe cool. Schon allein wenn ich das Bild sehe, muss ich lachen.
Aber bei SAT1 zweifle ich sehr stark an der Umsetzung. Die haben die letzten Jahre über so viele Karren in den Dreck gefahren!
Mal schaun …