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In 824 Tagen um die Welt

Doris und Klaus Höhle hatten sich auf ihre Mammut-Tour mit Marathon-Training vorbereitet. Trotzdem verlangte ihnen die Radreise um die Welt viel Disziplin ab. Foto: Mile Cindric
Doris und Klaus Höhle hatten sich auf ihre Mammut-Tour mit Marathon-Training vorbereitet. Trotzdem verlangte ihnen die Radreise um die Welt viel Disziplin ab. Foto: Mile Cindric

Eigentlich müssten Doris und Klaus Höhle aus Erlangen-Frauenaurach im Guinnessbuch der Rekorde stehen. Denn die 57-Jährige und ihr 69-jähriger Mann sind nachweislich das älteste Ehepaar, dem es gelang, mit dem Rad die Welt zu umrunden. Doch aus dem Eintrag wurde nichts wegen fehlender Formalitäten. Denn sie hätten die Reise vorab als Rekordversuch anmelden müssen. So aber haben der pensionierte Bauleiter und die ehemalige Beamtin außer der Familie nur den engsten Freundeskreis in den kühnen Plan eingeweiht. »Zum Abschied gab es keinen großen Bahnhof, wir hatten auch keine Sponsoren. Denn wir hatten uns überlegt: Wenn es schief geht, wenn wir vielleicht in Österreich schon wieder umdrehen müssen, heißt es womöglich: ›Ach, die zwei alten Deppen sind wieder da‹«, berichten die beiden.
Doris Höhle und ihr Ehemann, klein und drahtig, stecken beim Interviewtermin in Radlerkluft. Im Flur stehen die Räder, jederzeit griffbereit sozusagen. Sie berichten von ihrer bemerkenswerten Leistung: Am 15. März 2006 schwangen sich der damals 66-jährige Klaus Höhle und seine 55-jährige, frisch in den Vorruhestand eingetretene Ehefrau Doris bei eisigen Temperaturen und Schnee auf die voll bepackten, 50 Kilo schweren Fahrräder. In den folgenden zwei Jahren und vier Monaten durchquerten sie 40 Länder. Dabei legten sie 57.093 Kilometer zurück, bewältigten 338.321 Höhenmeter, verbrachten 3.491 Stunden im Sattel, gönnten sich nur 133 Ruhetage und absolvierten 23 Flug-, Schiffs- und Fährtage – macht einen Tagesdurchschnitt von 85,5 Kilometer (ohne Ruhetage).
Über die Hälfte der Nächte schlief das Paar im Zelt, und gekocht wurde regelmäßig auf dem kleinen Benzinkocher. »Luxuriöse Abendmahle waren das nicht, aber dafür haben wir beim Essen die Vögel zwitschern gehört«, freut sich Doris Höhle. Seit ihrer Rückkehr im Juli 2008 nach Frauenaurach regt sie das Überangebot in den Supermärkten auf: »Zweieinhalb Jahre als Radvagabunden unterwegs zu sein, ändert die Lebenseinsichten.«
Traum ging in Erfüllung
Für Klaus Höhle ist mit der Tour ein Jugendtraum in Erfüllung gegangen. Auf den habe er sich erst mit 65 Jahren besonnen, als er alte Leute sah, die tagaus, tagein dieselben Wege entlang gingen. »Man darf nicht nur vom Abenteuer träumen, man muss es auch wahr machen, bevor es zu spät ist«, sagt er. »Halbe Sachen gibt es für Klaus nicht«, ergänzt Doris Höhle. »Er hat noch nie aufgegeben.« Plötzlich sind wieder jene Momente der Mammut-Tour gegenwärtig, in denen sie glaubte, vor Schmerzen nicht mehr weiterzukönnen. »Das Bein tat mir weh, der Arm schlief mir ein. ›Ich komme als Krüppel nach Hause‹, habe ich manchmal gejammert. Doch als wir in Südamerika waren, hat mir gar nichts mehr gefehlt«, sagt sie triumphierend. Spätestens dort muss Doris Höhle überzeugt gewesen sein von dem Satz, den sie im Gespräch immer wieder fallen lässt: »Vieles ist bloß eine Sache der Überwindung.«
Davon kann ihr Gatte ein Lied singen. 1991 startete Klaus Höhle, damals war er 51 Jahre alt, bei einem Volkslauf im Pegnitztal; Kollegen hatten ihn dazu überredet. »Ich kam als Vorletzter ins Ziel – von 159 Teilnehmern!«, verrät er. Danach begann der Bauleiter systematisch zu trainieren. Schon ein Jahr später lief Höhle seinen ersten Marathon. Wiederum ein Jahr später errang er bei seinem ersten Kurztriathlon – 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren, 10 Kilometer Laufen – den zweiten Platz der Altersklasse 50. Heute kann das Mitglied des Erlanger Triathlon-Duathlon-Vereins TDM Franken mit Siegermedaillen nur so klimpern. »Sport kann das Leben verändern, er verhilft zu einer besseren Lebensqualität«, sinniert der Rentner. »Es macht einen Unterschied, ob man mit einer gewissen Vitalität alt werden kann oder nicht.«
Doris und Klaus Höhle sind seit 34 Jahren verheiratet und haben zwei erwachsene Söhne. Seit ihr Mann in den Ruhestand gewechselt ist, betreibt Doris Höhle ebenfalls aktiv Triathlon. Binnen Jahresfrist gelang ihr der Sprung in den Leistungssport. Auch Doris Höhle gehört dem TDM Franken an und tritt ständig zu Wettkämpfen an. »Man muss im Alter möglichst viel gemeinsam machen, das gibt dem Leben Sinn«, kommentiert ihr Mann.
Auf ihrer großen Rad-Reise haben sie auch viel Kurioses erlebt. »Es war in Südafrika«, erzählt Klaus Höhle, »wir befanden uns zwischen Johannesburg und Durban.« Die gigantische Hotelanlage, bis zu der es die beiden an jenem 28. Januar 2007 geschafft hatten, war luxuriös. »Viel zu luxuriös, als dass wir uns darin auch nur eine Nacht hätten leisten können. Also fragten wir bloß nach einem Platz für unser Zelt«, berichten sie. Der fand sich schnell. Doch weil sie so verschwitzt waren, gab man ihnen gleich noch den Schlüssel für ein Appartement. Dort könnten sie duschen, wurde ihnen gesagt. »Natürlich nahmen wir das Angebot gern an. In der Zwischenzeit informierte die Rezeption allerdings den Hotelbesitzer. Der Mann kam, hörte unsere Geschichte und am Ende jenes Tages schliefen wir nicht in unserem Zelt, sondern in der Fürsten-Suite. Kostenlos übrigens«, erzählen sie weiter.
»Der Besitzer der Nobelherberge änderte nach unserem Besuch sein Leben. Der Mann kaufte sich ein Mountainbike und scharte Freunde um sich. Seither unternehmen sie ausgedehnte Touren durchs Land.« Das sei aber kein Einzelfall, sagt Höhle. Ein 66-jähriger Grenzer aus Tijuana, einer mexikanischen Stadt an der Grenze zu Kalifornien, schrieb dem Ehepaar eineinhalb Monate, nachdem er ihnen ein Einreisevisum ausgestellt hatte, eine E-Mail. Er habe seinen Dienst quittiert und ein Wohnmobil und ein Mountainbike gekauft. Nun fahre er damit durch die Nationalparks. »Klaus, du hast mich überzeugt«, zitiert der Deutsche den Amerikaner.
Alles ist möglich
»Wir sind der lebende Beweis, dass man auch in späteren Jahren noch über Energien und Potenziale verfügt. Sie stecken in jedem, man muss sie nur wecken! So mancher wird nach ein paar Wochen Training überrascht sein, was alles möglich ist!«, sagt Klaus Höhle und macht der Generation 50plus Mut. Und Doris Höhle ergänzt: »Man muss bloß dranbleiben. Das ist das ganze Geheimnis!« Irgendwann werde die körperliche Anstrengung zur Gewohnheit! »Es gibt Leute, die sind schon mit 40 alt. Ich werde im November erst 70«, verkündet Klaus Höhle. Er würde gern ein Buch über die Abenteuertour veröffentlichen. »Vielleicht hilft uns jemand, die Tagebucheindrücke lesbar zu machen? Denn erstens kann ich nicht schreiben und zweitens will ich nicht meine besten Jahre am Schreibtisch verplempern.«
Die besten Jahre? Klaus und Doris Höhle wälzen schon wieder Atlanten. Über die Strecke sind sie sich bereits einig geworden. »Diesmal radeln wir Richtung China. Das sind bloß 11.000 Kilometer, und das ist in ein paar Monaten machbar.«
Ute Fürböter


Information
www.hoehles-challenge.de
Mehr Eindrücke von der großen Reise nebst Resonanzen gibt das Ehepaar am 3. Dezember 2009 ab 19 Uhr im Begegnungszentrum des Kultur- und Freizeitamtes der Stadt Erlangen in der Fröbelstraße 6 zum Besten.

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