Es gibt ein Foto von Alhard Horstmann, das zeigt ihn im Alter von 14 Jahren mit dem »Kleinen Uhu« in der Hand. Das war keine Eule, sondern ein damals sehr beliebtes Segelflug-Anfängermodell. Heute ist Horstmann 77, und die Fliegerei hat ihn nie mehr losgelassen. Nur betreibt er sie jetzt ganz anders – in einem Zimmer im Dachgeschoss seines Hauses in Erlangen, vom bequemen Bürostuhl aus. Vor und neben ihm stehen Bildschirme bis zur Größe von 65 Zoll, mehrere Rechner, außerdem gibt es ein Steuerhorn und Pedale wie in einem richtigen Cockpit. Horstmann ist eines der erfahrensten Mitglieder in der »Neigungsgruppe Flugsimulator« im Senioren-Netz Erlangen des BRK. Seinem Hobby geht er mit Leidenschaft nach und führt auch andere Senioren ans Simulator-Fliegen heran.
Es war ein langer Weg vom »Kleinen Uhu« bis zum Hochleistungs-Simulator, den er »Flusi 5« (Flusi für Flugsimulator) nennt und mit dem er Zugang zum weltweit größten Flugsimulator-Programm hat. Horstmann studierte in Karlsruhe Informationstechnologie und wurde schließlich bei Siemens in Erlangen Entwicklungsleiter und Projektmanager für Software. Zuvor noch hatte er bei Triumph Adler mit Entwicklungscomputern für Hard- und Software gearbeitet – »und da waren auch Flugsimulatoren drauf«, sagt er. Die haben ihn begeistert.
2020 stieg Microsoft ein
»Bei mir zu Hause fing ich 1980 mit einem kleinen Rechner an«, erzählt Horstmann weiter, »da sah man auf dem Bildschirm nur eine schematische Schwarz-Weiß-Darstellung des Fluges«. Er hat noch Videos davon – der Laie kann nicht einmal erkennen, was sich da wo bewegt. Dann folgten praktisch alle zwei Jahre neue Versionen. Erst kam Farbe ins Bild, dann wurde die Umgebung nach und nach immer besser erkennbar. 2020 stieg der Softwareriese Microsoft ein und brachte MSFS 2020 auf den Markt, ein Programm, das hinsichtlich der Darstellung von Flugzeug, Szenerie (also der Umgebung des Flugzeugs und der Landschaft), Wetter, Navigation und Funk alle Bedingungen erfüllte.
Zehn Jahre ist es her, dass der Siemens-Pensionär davon hörte, das Senioren-Netz Erlangen (SNE) suche Experten, die Vorträge halten. »Da wollte ich mich einbringen«, sagt er. Zum ersten Vortrag seien etwa 25 Interessierte gekommen, daraus bildete sich ein Workshop mit zunächst fünf bis sechs Aktiven, dann wurden es bis zu zehn – alles Männer übrigens. Man traf sich alle vier Wochen in den Räumen des SNE und löste gemeinsame Aufgaben, etwa einen Rallye-Flug über England oder Übungen im Sichtflug und im Funkverkehr – der ja auch beim Simulator die gleiche Funktion hat wie beim richtigen Fliegen. Wenn es Probleme gab, konnte Horstmann helfen, sich notfalls auch bei anderen Teilnehmern einloggen und die Steuerung übernehmen.
Dann kam die Coronapause, doch inzwischen geht es weiter. Zum ersten Vortrag kamen auf Anhieb etwa 25 Interessenten, eine kleinere Gruppe ist schon wieder aktiv. Im Herbst will Horstmann einen neuen Kurs starten und dazu auch Einführungen geben. »Flugerfahrung ist nicht nötig«, meint er, »auch blutige Anfänger können mitmachen«. Was man braucht, ist ein geeigneter PC – oder ein gutes Notebook – »und ein wenig PC-Knowhow«. Zum Hochladen gebe es für ältere PCs schon Microsoft-Versionen für 10 Euro, anspruchsvollere für Standard-PCs und neue PCs mit entsprechender Grafikkarte kosten etwas mehr. »Wer will, kann sich auch ein Steuerhorn kaufen«, sagt der 77-Jährige. Dann könne man wie im richtigen Cockpit das Flugzeug steuern. Nach oben sind bei der Ausstattung keine Grenzen gesetzt.
Hobby mit Suchtfaktor
Man darf sich anfangs nur nicht entmutigen lassen. Selbst wer schon Erfahrung etwa im Segelfliegen hat, muss sich erst daran gewöhnen, wie das Sportflugzeug, das auf dem großen Monitor zu sehen ist, auf die Steuerversuche reagiert. Da irrlichtert die Maschine vor dem Start schon mal auf dem Vorfeld umher, ehe die Startbahn gefunden ist. »Jetzt Vollgas« sagt »Kopilot« Horstmann, und dann erhebt sich das Flugzeug über die Landschaft. Der Simulator-Flieger lernt, wie er am besten die Kurve nimmt und zurück zur Landebahn findet, die er mehr schlecht als recht trifft. Das Flugzeug kommt weit abseits der Piste zum Stehen. Der zweite Versuch ist etwas besser – und sofort hat einen der Ehrgeiz gepackt, die perfekte Landung hinzubekommen. Das ist der Suchtfaktor an diesem Hobby.
Horstmann hat seinen »Flusi 5« laufend weiterentwickelt. Zu der neuesten Microsoft-Version kam Prepar3D auf den Markt, ein Programm, »das uns das liebste ist, vor allem, wenn man den Airbus 320 fliegen will« – was er dann auch demonstriert: Die Passagiermaschine mit dem Namen »Hauptstadtflieger« erscheint auf dem 65-Zoll-Monitor, in 3D sehr detailgetreu dargestellt. Man erkennt gleich das Vorfeld des Nürnberger Flughafens mit Zubringerbussen, Tankwagen und Beschäftigen. Alles sehr realistisch – bis auf eines: »Auf dem Schirm herrscht Sonnenschein, wir haben heute aber Regen«, sagt Horstmann. Den kann er zuschalten, und schon gehen auch im Bild Schauer nieder. Was Piloten vor dem Start machen müssen, kann der Erlanger Flusi-Flieger in seinem Cockpit nachvollziehen, in dem er, auf weitere Bildschirme verteilt, 1:1 alle Instrumente des Airbus installiert hat: Vom Check der Stromversorgung über das Öffnen der Türen für die Passagiere, das Heranfahren der Fahrgastbrücke, die Eingabe der Flugroute über das das Starten der Triebwerke bis zum Start selbst. Zum Steuern hat er wie der echte Pilot einen so genannten Sidestick, der den Steuerknüppel ersetzt.
Es geht aber noch mehr, und es geht auch teurer: Horstmann spendierte 2005 einem Freund Flüge mit dem Airbus 320 auf dem Simulator der Lufthansa am Frankfurter Flughafen. Der Freund war von dem Erlebnis so begeistert, dass er das ganze Cockpit maßstabsgerecht in seinem Haus nachbaute und nun damit »fliegt«.
Alhard Horstman hat noch eine andere Vorliebe: die Heli-Fliegerei, also alles, was senkrecht abhebt. Auch dafür hat er die nötigen Steuereinrichtungen. Ein Favorit ist der Velocopter – den einst die damalige Digitalministerin Dorothee Bär (CSU) als »Flugtaxi« bekannt machte – und dafür viel Häme einstecken musste. Ein Fluggerät ähnlich den Drohnen, die man als Modell kaufen kann, aber mit Kabine und 15 ringförmig angeordneten Rotoren. Damit simuliert Horstmann einen Flug über Erlangen – jedes Gebäude, jede Grünanlage, jede Straße ist gut zu erkennen – und dann auf Wunsch, ganz spektakulär, unternimmt er einen Flug durch den Grand Canyon im US-Bundesstaat Arizona.
So anspruchsvoll muss es für die Teilnehmer der SNE-Kurse nicht sein. Alhard Horstmann will bei ihnen unabhängig vom Geldbeutel das Interesse und die Freude am Flugsimulator wecken.
Text: Herbert Fuehr
Fotos: Mile Cindric
Information
Wer sich genauer informieren will, kann sich an das SNE wenden: Telefon 09131-1200510 oder im Internet www.seniorennetz-erlangen.de