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Schöne Bücher sind sein Lebenswerk

Norbert Treuheit hat schon viele Bücher im Lauf der Jahre herausgegeben. Fotos: Mile Cindric

Norbert Treuheit, der 65 Jahre alte Gründer und Inhaber des ars vivendi Verlags in Cadolzburg, hat in seiner Karriere schon einige Erfolge erlebt. Aber 2021 war selbst für ihn ein ganz besonderes Jahr: So hat er sein Lebensprojekt, die Herausgabe einer mehrbändigen Shakespeare-Gesamtausgabe, vollendet; bereits zum zweiten Mal erhielt er den Deutschen Verlagspreis; eine Jury kürte »Tante Emma lebt« zum schönsten Regionalbuch Deutschlands; fünf Kochbücher bekamen Silbermedaillen der Gastronomischen Akademie Deutschlands (GAD); und schließlich erzielte er mit seinem Unternehmen ein wirtschaftliches Rekordergebnis. Es läuft also richtig gut bei Norbert Treuheit und seinem Verlag.

Die Corona-Pandemie hat Menschen (wieder) mehr zu Roman und Kochbuch greifen lassen, was Treuheit gleichermaßen zugutekommt. Denn eine Zutat im Erfolgsrezept seines unabhängigen Hauses, das sich in der zunehmend auf wenige Riesen-Konzerne konzentrierten Verlagswelt nach wie vor behauptet, ist das breite Spektrum, das er abdeckt. Jeder findet im Sortiment etwas: von Belletristik über bibliophile Ausgaben und Geschenkartikel, hübsch gestaltete Kalender bis hin zu Krimis und Kartenspielen. Auch deutsche Ausgaben ausländischer Autorinnen und Autoren hat er inzwischen im Programm, etwa die US-Amerikaner Ivy Pochoda und George Pelecanos. 

Mit einem solch umfangreichen und stetig wachsenden Angebot ist Norbert Treuheit mit seinem Verlag, den er 1988 im beschaulichen Cadolzburg gegründet und aufgebaut hat, seit Jahrzehnten erfolgreich und legt, wie das vergangene Jahr zeigt, an Verkaufszahlen und Beliebtheit beim Publikum sogar noch zu. Dennoch antwortet der in Fürth geborene Franke auf die Frage, ob er diesen Lebensweg noch einmal einschlagen würde, mit einem überraschend klaren »Nein«. Es sei freilich »wahnsinnig glücklich und stolz« mit dem, was er mit ars vivendi erreicht habe. Aber stünde er noch einmal vor der Entscheidung, er würde keinen Verlag mehr gründen. 

Schwieriger Start

Einen Verlag aufzubauen sei generell schwer, sagt Treuheit, noch schwerer aber sei es, wenn man, so wie er damals, mit gerade einmal 5000 Mark an den Start gehe. Mehr besaß er damals nicht, erinnert er sich. Das war auch einer der Gründe, warum er sein Unternehmen zunächst im Cadolzburger Elternhaus eröffnete. Der Standort im Landkreis Fürth war und ist ungewöhnlich: »Wer einen Verlag gründen wollte, machte das damals vor allem in München, das galt und gilt als Verlagsstadt schlechthin. Dass ein Verlag auch in Cadolzburg läuft, hat bei der Eröffnung so gut wie niemand gedacht«, erinnert sich der Verleger.

Aber es hat geklappt – und funktioniert immer noch. 1988 erfüllt sich Treuheit (anfangs noch gemeinsam mit einem Kompagnon) seinen damaligen Traum vom eigenen Verlag. In der Hinterhand hat der studierte Literaturwissenschaftler einen Plan B, er hat Beziehungen zu anderen Verlagen, bei denen er jederzeit als Lektor hätte arbeiten können. Doch diesen Rettungsanker wird er über sein ganzes Berufsleben hinweg nicht brauchen. Nicht einmal ein verheerender Brand in einem Großlager im Jahr 2013 wirft Treuheit weit zurück. 

Auch nach Nöten und Niederlagen geht seine Erfolgskurve immer wieder nach oben. Mit »Sekt und Selters« veröffentlicht Treuheit einen alternativen Gastroführer, in dem Autorinnen und Autoren die Kneipenszene im Großraum vorstellen und bewerten. Daneben nimmt die Rubrik »Kochbuch« einen großen Raum im Sortiment ein. Kein Wunder: Dem Essen und Trinken gehört neben Büchern die große Leidenschaft des Literaturliebhabers Treuheit, der privat gerne Thomas Glavinic, Robert Bolaño und Paul Auster liest. 

Eine mehrbändige Shakespeare-Gesamtausgabe wurde 2021 fertig.

Anerkennung und Preise

Der Verlag wächst ebenso wie sein Ansehen. Immer wieder erhalten einzelne Bücher und auch sein Verlag Ehrungen, Norbert Treuheit ist inzwischen ebenfalls vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Kulturpreis der IHK-Kulturstiftung der mittelfränkischen Wirtschaft für seine Verdienste zur Förderung der fränkischen Literaturszene. Denn fränkische Autoren wie die Krimischriftsteller Jan Beinßen oder Dirk Kruse sind bei ihm unter Vertrag, ebenso die fränkischen Kult-Autoren wie Helmut Haberkamm und Fitzgerald Kusz. 

Und dann gibt es da noch Ewald Arenz. Treuheit bewies bei ihm, dass er einen Blick und ein Gespür für Talente hat. Mit »Alte Sorten« und »Der große Sommer« hat der in Fürth lebende Autor zuletzt die Spiegel-Bestsellerlisten gestürmt. Doch sind diese Bücher nicht mehr bei ars vivendi erschienen, sondern beim viel größeren DuMont Buchverlag in Köln. Wie findet das Norbert Treuheit, der sich immer einen richtigen Besteller-Wurf made in Cadolzburg gewünscht hat, nachden jetzt einer seiner Autoren einen Bestseller geschrieben hat, aber einen anderen Verlag wählte? »Es ist auf jeden Fall schön, dass wir weiterhin noch gemeinsame Projekte planen und angehen«, antwortet er, »auch wenn wir leider keine besten Freunde mehr sind.«

Krankheit verschiebt die Koordinaten

Der erfolgsverwöhnte Verleger musste auch im Persönlichen lernen, dass das Leben nicht nur Sonnenseiten kennt. Im Jahr 2006 erkrankte Treuheit schwer an einer erbbedingten Leberschädigung. Eine Transplantation rettete in letzter Minute sein Leben. Seither achtet er etwas mehr auf Ausgleich und Entspannung. Er trifft sich mit Freunden, lädt sie – natürlich – zum Essen ein. Mit seinem Hund geht er regelmäßig an die frische Luft. Früher habe er das nicht gemacht, erzählt er, sondern durchgehend am Schreibtisch gesessen. Die Krankheit habe bei ihm Wertigkeit und Wichtigkeit im Leben doch etwas verändert, die Koordinaten ein wenig verschoben. 

Eines aber ist bei Norbert Treuheit noch immer gleich: die Lust und die Leidenschaft für Literatur, für Bücher, für seinen Verlag. Noch denke er nichts ans Aufhören, sagt er. 

Nachfolge ist noch offen

Schon vor ein paar Jahren hat er sich darüber Gedanken gemacht, wie es mit ars vivendi und seinen Mitarbeitenden einmal weitergehen könnte. »Ich möchte auf keinen Fall, dass das Unternehmen irgendwann zerschlagen wird«, sagt er. Entsprechende Angebote hatte er bereits vor einiger Zeit erhalten. Damals waren zwei große Kalenderverlage an ihn herangetreten, die den Kalenderverlag herauskaufen wollten. »Solche Sachen möchte ich wirklich nicht, und wenn, dann möchte ich den Verlag in Hände übergeben, bei denen ich mir sicher bin, dass in meinem Sinn weiter gemacht wird.« Das heiße aber nicht, dass er nicht bereit wäre, wenn wirklich die entsprechende Person oder Möglichkeit käme, loszulassen, ergänzt er. »Es müsste dann halt nur alles stimmen – meine weitere Existenz müsste entsprechend gesichert sein, das heißt, ganz banal gesprochen, es müsste dann das entsprechende Geld fließen.« 

Text: Sharon Chaffin
Fotos: Mile Cindric

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