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Der demografische Wandel verläuft sehr unterschiedlich

Auch nach eienr neuen Bevölkerungsprognose ändert sich an dem Trend wenig. Foto: epd
Auch nach eienr neuen Bevölkerungsprognose ändert sich an dem Trend wenig. Foto: epd
Der demografische Wandel erfasst die gesamte europäische Gesellschaft, allerdings nicht gleichermaßen. Schrumpfungs- und Alterungsprozesse verlaufen in einzelnen Regionen Deutschlands und Europas ungleich. Migration und Bevölkerung wird sich diesen Prozessen in mehreren Beiträgen widmen. Den Anfang machen wir mit dem demografischen Wandel in den urbanen Räumen Deutschlands. Das meldet das Online-Portal Migration & Bevölkerung. Dieses wird in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für Politische Bildung erstellt.
Der Urbanisierungsgrad der deutschen Bevölkerung liegt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bei 75 %. Knapp 60 % der Bevölkerung leben in Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern, davon etwas mehr als die Hälfte in Großstädten mit über 100.000 Einwohnern. Die demografische Entwicklung der urbanen Regionen verlief und verläuft jedoch sehr unterschiedlich.
Städtischer Bevölkerungsrückgang: Wie die Auswertung der Zensusdaten zeigt, liegen zwischen dem oberbayerischen Erding und dem sächsischen Hoyerswerda demografische Welten: 37 % Wachstum im Süden, 46 % Schrumpfung im Osten seit 1990; hier das Einzugsgebiet des wirtschaftlich und demografisch boomenden Münchens, dort die durch wirtschaftliche Transformation, Abwanderung und Geburtenausfall geprägte Provinz Ostdeutschlands. Der demografische Ost-West-Gegensatz ist ein wesentliches Strukturmerkmal der letzten zweieinhalb Jahrzehnte. Zwar ist die Gesamtbevölkerung seit 1990 dank zuletzt deutlich gestiegener Zuzugszahlen leicht gewachsen (1990: 79,8 Mio.; 2012: 80,5 Mio.), regional entwickelten sich die Zahlen – mit Nachteilen für die neuen Bundesländer – aber sehr unterschiedlich (vgl. Ausgaben 8/07, 5/07). Dies belegt auch die Gemeindestatistik des Statistischen Bundesamtes. Demnach liegen die 45 am stärksten geschrumpften Städte mit mehr als 20.000 Einwohnern in den neuen Bundesländern. Der Bevölkerungsrückgang liegt dabei zwischen 18 % und 46 %. Erst auf Platz 46 folgt mit Bremerhaven eine westdeutsche Stadt (-17 %). Absolute Zahlen zeigen allerdings ein differenzierteres Bild. Misst man die demografische Entwicklung der Städte am absoluten Bevölkerungsverlust, befinden sich unter den ersten zehn Städten mit schrumpfender Bevölkerung fünf aus Ostdeutschland (Halle, Chemnitz, Magdeburg, Rostock, Schwerin) und fünf aus Nordrhein-Westfalen (Essen, Duisburg, Gelsenkirchen, Bochum, Wuppertal). Die beiden Spitzenreiter, die ostdeutsche Stadt Halle und die Ruhrgebietsmetropole Essen, verloren seit 1990 80.000 beziehungsweise 60.000 Einwohner. Demografische Schrumpfung ist in Städten im gesamten Bundesgebiet ein Thema.
Städtisches Bevölkerungswachstum: Demografisches Wachstum findet nur in einigen Regionen Deutschlands statt. Von den 665 Städten, die mehr als 20.000 Einwohner haben, verzeichneten laut Volkszählung 2011 424 ein Bevölkerungswachstum, das fast ausschließlich auf Land-Stadt-Wanderung und internationale Migration zurückzuführen ist. Die meisten wachsenden Städte verzeichnete das stark urbanisierte Nordrhein-Westfalen (130), gefolgt von Baden-Württemberg (81), Niedersachsen (54) und Bayern (52). Schlusslichter waren das weniger stark urbanisierte Schleswig-Holstein (11), Sachsen-Anhalt (9), Sachsen (7) und Thüringen (2).
Zu den wachsenden Städten gehörten mehrheitlich (388) die kleineren und mittleren Städte (unter 100.000 Einwohner). In diesen belief sich das Wachstum auf bundesweit 1,3 Mio. Personen. Die kleineren und mittleren Städte im Umland der Metropolen Berlin, Hamburg und München profitieren durch Suburbanisierung („Stadtflucht“) von der Dynamik und Attraktivität der angrenzenden Großstädte. Nur 36 der wachsenden Städte waren Großstädte (über 100.000 Einwohner), hier lag das Wachstum bei knapp 900.000 Personen.
Der zunehmenden Verstädterung stand in den letzten 25 Jahren der Rückgang der ländlichen Bevölkerung gegenüber, allerdings regional sehr ungleich verteilt. Der eindeutige Verlierer war der ländliche Raum in Ostdeutschland. Aber auch strukturschwache Westgebiete wie der Bayerische Wald, das Sauerland oder weite Teile des Saarlands verloren Bevölkerung.
Ausblick: Setzt man diese Entwicklungen in Bezug zu den koordinierten Bevölkerungsvorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes und der Statistischen Landesämter, so lassen sich daraus folgende Trends ablesen: Insgesamt wird es mittelfristig eine stagnierende, langfristig eine schrumpfende Bevölkerung in Deutschland geben. Das Ausmaß der Schrumpfung wird wesentlich von der Anzahl neuer Zuwanderer abhängen. Eine proaktive Migrationspolitik kann die Schrumpfung verlangsamen, aber nur bedingt aufhalten (vgl. Ausgaben 5/10, 10/09). Ein natürliches Wachstum durch einen Geburtenüberschuss und eine aktive Familienpolitik wird es weder kurz- noch mittelfristig geben, da die Jahrgänge potenzieller Eltern vergleichsweise klein und die Geburtenraten niedrig sind. Schrumpfung und Wachstum werden sich gleichzeitig ereignen. Ostdeutschland und strukturschwache Gebiete im Westen schrumpfen weiter, der Einzugsbereich von Großstädten sowie die kleinen und mittleren Städte im Westen gewinnen. Urbane Schrumpfung wird sich weiterhin vor allem im Ruhrgebiet und in den meisten ostdeutschen Städten vollziehen.

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