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Sensoren können für Senioren ein Segen sein

Ein Elektroroller wie dieser erkennt selbstständig Hindernisse wie Treppen oder Pfosten, bremst im Notfall automatisch ab und kann sogar neben einem her fahren, wenn man mal ein Stück laufen will. Das Gefährt selbst kostet um die 7.000 Euro, will man alle verfügbaren Assistenzsysteme eingebaut haben, kommen noch mal gut 3.000 Euro für die Technik hinzu. Dann hat der Roller Laser- und Ultraschallsensoren, ein Navigationsgerät, und so weiter. Forscher und Unternehmen entwickeln immer neue Assistenzsysteme für die Pflege und Mobilität von alten oder kranken Menschen. An der Universität Würzburg tüfteln Forscher unter Leitung von Informatik-Professor Klaus Schilling nicht nur an der notwendigen Technik, sie setzen sich darüber hinaus in einem interdisziplinären Projekt auch mit den ethischen und rechtlichen Fragen auseinander, die dieser Zukunftstrend möglicherweise aufwirft. Foto: epd
Ein Elektroroller wie dieser erkennt selbstständig Hindernisse wie Treppen oder Pfosten, bremst im Notfall automatisch ab und kann sogar neben einem her fahren, wenn man mal ein Stück laufen will. Das Gefährt selbst kostet um die 7.000 Euro, will man alle verfügbaren Assistenzsysteme eingebaut haben, kommen noch mal gut 3.000 Euro für die Technik hinzu. Außerdem hat der Roller Laser- und Ultraschallsensoren sowie ein Navigationsgerät. Foto: epd
79 Seniorenwohnungen haben sie mit Sensoren ausgestattet, 824 Interviews geführt und 6.100 Fragebögen an Senioren, Angehörige und Experten versandt: Fünf Jahre lang hatten mehr als 60 Wissenschaftler im niedersächsischen Forschungsverbund Gestaltung altersgerechter Lebenswelten (GAL) altersgerechte Assistenzsysteme im häuslichen Umfeld erforscht. Ziel war es, herauszufinden, wie sich die Lebensqualität von Senioren durch moderne Informations- und Kommunikationstechnik verbessern lässt.
Dass diese Forschung in Zeiten des demografischen Wandels wichtig ist, mögen die folgenden Zahlen verdeutlichen. Während das Alter der Bevölkerung Deutschlands im Mittel im Jahr 1950 bei 35,3 Jahren und im Jahr 2000 bei 39,9 Jahren lag, wird es für das Jahr 2050 auf 59,5 Jahre geschätzt. Der Anteil von über 80 Jahre alten Personen wird dann voraussichtlich bei 14,4 Prozent liegen. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 lag er bei 3,5 Prozent und 1950 sogar nur bei unter einem Prozent.
“Die moderne Technik kann sich für ältere Menschen als Segen erweisen“, erläuterte heute Dr. Gabriele Heinen-Kljajic, niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur. „Mit moderner Technik können sie länger als bisher an ihrem gewohnten Leben teilnehmen und in ihrer gewohnten Umgebung leben. Moderne Technik kann aber auch verlorene Fähigkeiten kompensieren, damit ältere Menschen weiter aktiv am Leben teilnehmen können.” Der Forschungsverbund wurde durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur im Rahmen des Niedersächsischen Vorab mit 5,36 Millionen Euro gefördert.
In der sogenannten GAL-NATARS-Studie wurden alleinstehende ältere Personen untersucht, die nach einer Schenkelhalsfraktur und anschließender stationärer Behandlung in einer Klinik bzw. in einer Rehabilitationseinrichtung wieder bei sich zuhause waren. Sensoren in ihren Wohnungen lieferten wichtige Informationen über den Genesungsprozess dieser Personen. Die Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass die Sensorüberwachung eine Schwachstelle bei der nachstationären Versorgung von Senioren beheben kann. Der niedersächsische Landesverband für Geriatrie (LVG) plädiert für die Fortsetzung dieser Studie, damit die Ergebnisse in die praktische Anwendung umgesetzt werden können.

Weitere Forschungsarbeiten befassten sich mit folgenden Themen:
Persönlicher Haushalts- und Aktivitätsassistent:
Dieser unterstützt bei der täglichen Haushalts- und Aktivitätsplanung wie bei Terminplanungen und -erinnerungen. Diese Funktionen sind unabhängig vom Gesundheitszustand und Alter nützlich für den Endanwender; ein Interesse für die Technologie wird so frühzeitig geweckt.
Monitoring im Präventions- und Rehabilitationssport:
Dieses Szenario richtet sich an Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen, denen die Möglichkeit eines ärztlich betreuten und telematisch überwachten Heimtrainings angeboten wird. Vitalparameter wie EKG oder Atemfrequenz werden während des Trainings kontinuierlich überwacht. Wenn die Werte individuell vorgegebene Grenzen überschreiten, kann das System eingreifen und etwa beim Fahrradergometer die Belastung reduzieren.
Sensorgestützte Aktivitätserkennung:
Wie können gefährlichen Situationen im Alltag verhindert werden? In diesem Forschungsszenario geht es sowohl um akut auftretende Gefahrensituationen (das Vergessen einer eingeschalteten Herdplatte) als auch um die langfristige Vorhersage bei schleichenden Veränderungen und Funktionsverlusten. Dies ermöglicht eine frühzeitige Intervention, um akute Gefahrensituationen bereits vor Eintreten zu verhindern. Unauffällig verbaute Sensortechnik (ambiente Sensorik) wie Bewegungsmelder und Lichtschranken ermöglichen diese Anwendung.
Sensorgestützte Sturzprävention und -erkennung:
Stürze zu erkennen und zu verhindern ist das Ziel dieses Szenarios. Anhand von technisch messbaren Mobilitätsparametern wie Gehgeschwindigkeit und Gangbild kann eine Sturzgefahr frühzeitig erkannt und rechtzeitig interveniert werden. Sollte die betroffene Person dennoch stürzen, kann das Ereignis automatisch erkannt und ein Alarm ausgegeben werden.

Zentraler Dreh- und Angelpunkt eines Assistenzsystems für Senioren ist eine technische Plattform, die bei einem späteren Produkt bequem in eine kleine Box passen sollte und vom Aussehen und Platzbedarf einem Satellitenreceiver ähnelt. Dieses System erfasst die Sensordaten, steuert die oben beschriebenen Szenarien und setzt im Notfall Alarmmeldungen ab. Wie sich das häusliche Umfeld in neue Versorgungsprozesse integrieren lässt, und wie sich dadurch die Versorgungslandschaft verändert, wird ebenfalls im GAL-Forschungsverbund untersucht. Nach den technischen Entwicklungen in der Anfangsphase wurden im zweiten Teil des Projektes die Systeme unter Realbedingungen getestet und durch Senioren und Angehörige beurteilt. Dazu wurden die bereits erwähnten 79 Testinstallationen bei Personen mit und ohne Pflegebedarf sowie in Wohneinrichtungen für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung eingebaut und getestet.
Darüber hinaus greift der Forschungsverbund gesellschaftliche, ökonomische und psychologische Voraussetzungen und Konsequenzen auf. Nehmen Einsamkeit und Abhängigkeit zu oder werden Angehörige und Unterstützungsleistende entlastet? Wie lassen sich Assistenzsysteme finanzieren? Lassen sich alterstypische Veränderungen wie z.B. abnehmende Gedächtnisleistungen verlangsamen oder aufhalten? Schließlich beschäftigt sich der Forschungsverbund mit den Fragestellungen von Datenschutz und informationeller Selbstbestimmung sowie der Nutzbarkeit assistiver Systeme für die klinische Geriatrie.
Über GAL:
Der Niedersächsische Forschungsverbund “Gestaltung altersgerechter Lebenswelten” (GAL) wird von OFFIS – Institut für Informatik in Oldenburg koordiniert. Zum Verbund gehören neben OFFIS die Technische Universität Braunschweig, das Kompetenzzentrum HörTech, das Fraunhofer Institut für Digitale Medientechnologie, die Medizinische Hochschule Hannover, die Charité, die Universitäten Oldenburg, Vechta, Osnabrück und Jena sowie als klinisch-geriatrische Partner das Klinikum Oldenburg, das St. Bonifatius Hospital Lingen und das Klinikum Braunschweig. Die Partner haben die Frage untersucht, welchen Beitrag Informations- und Kommunikationstechnik vor dem Hintergrund des demografischen Wandels zur Gewinnung und Aufrechterhaltung von Lebensqualität, Gesundheit und Selbstbestimmung in der zweiten Lebenshälfte leisten kann. Neben der konkreten Entwicklung altersgerechter Assistenzsysteme und deren Erprobung im Rahmen von Studien wurden auch ökonomische, soziologische, psychologische und ethische Fragestellungen untersucht.

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