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Neunhof – das Dorf mit den drei Herrensitzen

Die Wanderung von Lauf an der Pegnitz führt nach Neunhof, dessen politische Bedeutung unter Jakob Geuder (1575–1616) wuchs. Von der Herrschaft der Geuders, später, im 17. Jahrhundert der Welser und der Koler-Familie, zeugen noch heute drei imposante Herrensitze.

Im Mittelbau des Welserschloss befindet sich der »Weiße Saal«, das Prunkstück des Baus. Foto: Mile Cindric
Im Mittelbau des Welserschloss befindet sich der »Weiße Saal«, das Prunkstück des Baus. Foto: Mile Cindric

Der Ausgangsort der Wanderung ist Lauf an der Pegnitz, das Ziel einer der 15 Ortsteile von Lauf, die nach den Eingemeindungen der 1970er Jahre zur Stadt hinzukamen: das landschaftlich und historisch interessante Neunhof. Wer den sieben Kilometer langen Fußmarsch über Nuschelberg scheut, erreicht Neunhof auch mit dem Bus.
Von Lauf kommend sieht man Neunhof sehr spät, denn das Örtchen liegt in einer Senke. Die Häuser des Dorfes ziehen sich zu beiden Seiten des Einschnitts in südlicher und nördlicher Richtung die Hügel hinauf. Der Dorfkern liegt unten; durch ihn schlängelt sich die enge Hauptstraße – samt dazugehörigem, nicht unerheblichem Verkehr. Wer hier nur schnell durchfährt, dem erschließt sich die historische Bedeutung des 800-Seelen-Ortes freilich nicht. Man muss schon etwas genauer hinsehen.
So gibt es in dem Dorf die Johanniskirche mit den Totenschilden und der Grablege der Freiherren von Welser aus dem 16. Jahrhundert. Außerdem weisen noch heute drei repräsentative Herrensitze auf die Blütezeit von Neunhof vor allem zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert mit einem eigenständigen Territorium hin. Urkundlich festgehalten wurde »Cemo niuwen houe« (zum neuen Hof) das erste Mal um 1109 anlässlich einer Kirchenweihe als Schenkung an das Kollegiatstift St. Jakob in Bamberg. Der »neue Hof« war ein sogenannter Meierhof, also ein adeliger oder kirchlicher Gutshof mit einem Verwalter (Meier). Die Besitzer, Fürsten, reiche Kaufleute oder Kirchenmänner in den Städten, hielten sich in den Meierhöfen eher selten auf und hatten zum Ort eine »Freizeitbeziehung«. Deshalb wechselten sie im Laufe der Jahrhunderte öfter die Besitzer. Für Neunhof lassen sich im 15. und 16. Jahrhundert etwa die Nürnberger Bürger Hans Pirckheimer, die Nürnberger Patrizierfamilien Koler und Welser sowie der ebenfalls aus der freien Reichsstadt stammende Schultheiß Heinrich Geuder nennen.
Der politische Aufstieg des Ortes, zu dem die Siedlungen Tauchersreuth und Beerbach gehörten, begann bereits unter Jakob Geuder (1575–1616). Um seine Herrschaft auch baulich zu demonstrieren, plante er im Jahr 1610 ein Schloss, dessen Bau unter der Leitung des Steinmetz Heinz Egloff vonstatten ging. 1619 musste die Familie Geuder den fast fertigen Bau aber einstellen, weil ihnen das Geld ausging, ein paar Jahre später wurden die unfertigen Mittel- und Südwesttrakte ein Opfer der Flammen. Der weitere Aufstieg von Neunhof Ende des 17. Jahrhunderts ist eng mit der Nürnberger Patrizierfamilie der Welser verbunden. Diese bekamen nach langem gerichtlichen Hin und Her von Heinrich Geuder den Besitztitel übertragen, weil dieser bei den Welsern verschuldet war. Ein Rest des Ortes gehörte den Kolers. Nach dem Aussterben des letzten männlichen Mitgliedes der Koler-Familie im Jahr 1688 fiel der gesamte Koler’sche Besitz an seine Tochter Helene, die mit einem Welser verheiratet war. Die Welser hatten bereits kurz zuvor im Jahr 1685 mit dem Neuaufbau des abgebrannten Schlosses begonnen. Zehn Jahre später war er fertig. Die Innenausstattung wurde 1734 vollendet.
Der mehrgeschossige lang gestreckte Bau in der Ortsmitte am Welserplatz wird zu einem Barockgarten hin durch einen turmartigen Mittelrisalit (ein auf ganzer Höhe hervorspringender Gebäudeteil, der Bauten gliedert) geteilt. Hervorzuheben sind auch die zu beiden Seiten stehenden schmalen Erkertürmchen, die an Nürnberger Herrensitze erinnern sollen. Im Erker an der Nordostseite ist eine barocke Architekturmalerei von Michael Gebhardt aus dem frühen 18. Jahrhundert zu sehen. Im ersten Obergeschoss befindet sich im Mittelbau das Glanzstück des Welserschlosses, der »Weiße Saal« mit einer von Donato Polli im Zeitraum von 1693 bis 1697 geschaffenen Stuckdecke. Im Nordostflügel hingegen kann man in der Götterstube eines seiner Spätwerke aus den Jahren nach 1734 sehen, das eher der Zeit des Rokoko zuzurechnen ist. (Besichtigung ist möglich nach Absprache mit dem Stadtarchiv Lauf, Telefon 09123/184-166).
Direkt vor dem Schloss steht ein weiteres sehenswertes Gebäude, die sogenannte Brille. Dabei handelt es sich um einen zweigeschossigen barocken Bau mit Mansarddach, den 1722 Carl Welser erbauen ließ. Der Bau ersetzte das sogenannte Altherrenhäuslein, das noch von den Geuders errichtet wurde. Von Westen her betrachtet scheint das Haus wie eine Brille auf der »Nase« des Schlosses zu sitzen. Die Räume dienen heute als Gutsarchiv.
Bleibt noch von dem dritten »Schloss« von Neunhof zu berichten, dem Koler’schen Herrensitz. Erwähnt wurde das Gebäude in der Schlossstraße im Westen von Neunhof erstmals 1438. In ihm soll sich Willibald Pirckheimer, der mit einer Koler-Tochter verheiratet war, eine Zeit lang aufgehalten haben. Nach einem Brand nach einer Belagerung wurde das Anwesen nach zweihundert Jahren Ruinendasein 1749 mit einem nahezu quadratischen Grundriss wieder aufgebaut. Das ursprüngliche Walmdach wurde 1771 durch ein Mansardendach ersetzt. Das Haus befindet sich heute in Privatbesitz und ist von den Besitzern sorgfältig renoviert worden.
Alle drei Gebäude geben ein sehr gutes Bild von den Baustilen in diesem »Kleinstaat« um 1770 ab, denn die Gebäude sind allesamt in ihrer ursprünglichen Bausubstanz erhalten geblieben. Dies gelang nur, weil die Besitzer – vor allem die Welser’sche Familienstiftung – große finanzielle Opfer erbrachten. Die Anstrengungen haben sich gerade im Hinblick auf das 900-jährige Bestehen gelohnt.
Rainer Büschel
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Information
Wanderung Lauf–Neunhof (ca. 7 km)
Man erreicht den Bahnhof »Lauf rechts Pegnitz« bequem mit der Regionalbahn R 3, Richtung Neuhaus/Pegnitz. Dort verlässt man den Bahnhof und geht in die Nürnberger Straße, wendet sich nach rechts, um etwa 300 Meter bis zur nächsten großen Kreuzung zu gehen. Hier geht es wieder nach rechts, in die Eschenauer Straße Richtung Neunhof. Man erreicht nach etwa fünf Minuten den Ortsteil Kotzenhof. Am Ende trifft man auf das Zeichen »Rotes Kreuz auf weißem Grund«, das weg von der Hauptstraße in die Kunigunden-Siedlung führt. Von dort aus führt der Weg mit »Rotkreuz« hinter der Kreuzung links über die Straße nach Neunhof über Vogelhof in den Mischwald des Spitalwaldes nach Nuschelberg hinauf. In Nuschelberg folgt man weiter der Rotkreuz-Markierung und läuft, die Straße von Günthersbühl nach Neunhof überquerend, in den Ort hinab.
Einkehrmöglichkeit besteht in der Brauerei »Wiethaler«.

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