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Rothenburg von oben

Ein Turm ist mehr als ein Bauwerk. Er ist ein Symbol und steht für Machtanspruch und Wehrhaftigkeit genauso wie für Hochmut, Gefangenschaft oder möglicherweise für gelehrte Einsamkeit und Abgeschiedenheit. Türme sind – bis heute – für den Menschen etwas Besonderes. Vielleicht besteigt man sie deshalb selten an normalen Werktagen, wie der Schriftsteller Paul Maar feststellte, sondern eher bei Ausflügen oder an Feiertagen.
Cafè-Szene am Marktplatz. Links das Rathaus, in der Mitte die Ratstrinkstube mit der Touristinformation. Foto: Mile Cindric
Cafè-Szene am Marktplatz in Rothenburg. Links das Rathaus, in der Mitte die Ratstrinkstube mit der Touristinformation. Foto: Mile Cindric

Ein Turm ist mehr als ein Bauwerk. Er ist ein Symbol und steht für Machtanspruch und Wehrhaftigkeit genauso wie für Hochmut, Gefangenschaft oder möglicherweise für gelehrte Einsamkeit und Abgeschiedenheit. Türme sind – bis heute – für den Menschen etwas Besonderes. Vielleicht besteigt man sie deshalb selten an normalen Werktagen, wie der Schriftsteller Paul Maar feststellte, sondern eher bei Ausflügen oder an Feiertagen.

Von Rainer Büschel

Trotzdem empfiehlt das Magazin sechs+sechzig einen Wandertipp zum »Torturmweg Rothenburg« insbesondere unter der Woche, weil gerade da die Touristendichte in dieser Stadt, die geradezu als Musterbeispiel für eine mittelalterliche Stadt in Deutschland gilt, geringer sein kann.

Die Zahl der Türme spiegelte im Mittelalter Macht und Reichtum einer Stadt wider. Bremen soll einst 22 besessen haben, Schwäbisch Hall 30 und Nürnberg gar 88 Türme. Unser Ausflugsziel Rothenburg ob der Tauber kann da heute mit immerhin noch 46 mithalten. Die Altstadtmauern zieren allein 22 Türme, zwei befinden sich in der Stadt und alle zusammen ergeben den »Torturmweg Rothenburg«. Aber wie kommt Rothenburg zu einer solch stattlichen Anzahl von Türmen?

Zeichen der Macht und des Geldes

Einmal ergibt sich dies aus der Geschichte. Man nimmt an, dass etwa in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts der Siedlungsplatz beim heutigen Spitalhof von einer Burg bestimmt war. Auch wenn die Rothenburg nicht an wichtigen Verkehrsadern lag, so war die Nähe zur Handelsstraße von Würzburg nach Augsburg sowie vom Rheinland nach Italien immer ein Grund, sich gegen Feinde wie den Nürnberger Burggrafen Friedrich VI. oder die Ansbacher Markgrafen verteidigen zu müssen. Im 12. Jahrhundert wurde dann die Burgsiedlung als eigenes Gemeinwesen gegründet, das gegen Feinde von außen verteidigt werden musste, weshalb man die Burg zur Siedlung hin öffnete und einen Wall um sie baute – natürlich mit Türmen.

Türme verstärkten eine wirkungsvolle Verteidigung der Stadtmauern, weil man mit ihrer Hilfe die Stadtmauern seitlich bestreichen, also mit Schusswaffen absichern, und Angreifer quasi aus »Überblickshöhe« besser bekämpfen konnte; je mehr Türme, desto sicherer war die Stadtbefestigung. Jedoch, das half nur bedingt im 30-jährigen Krieg (1618-48) und noch weniger gegen die neun Tonnen Bomben, die US- Flugzeuge am 31. März 1945, nach eigener Aussage »mit Erfolg (über Rothenburg) abgesetzt« hatten. Im Ergebnis wurden damals 40 Prozent der Altstadt zerstört, auch einige Türme, die nach mehr oder weniger historischem Vorbild gleich nach 1945 wieder aufgebaut wurden.

Ein weiter Grund für die große Zahl der Verteidigungstürme lag im Bestreben der Stadtspitze unter Bürgermeister Heinrich Toppler im 14. Jahrhundert, Rothenburg autonom zu versorgen. Die Stadt konnte so ihr reichsstädtisches Gebiet auf Kosten des verarmten Landadels vergrößern und musste in der Folge aber auch mehr Land verteidigen. Hinzu kam, dass das aufstrebende Bürgertum es sich leisten konnte, viele Mittel in die Abwehr von Feinden zu investieren. Erfolg und Sicherheit, wir kennen das auch in heutiger Zeit, zogen viele Menschen an, so dass sich Rothenburg rasch vergrößerte und die Stadt im Hochmittelalter in mehreren weiteren Wellen von 1270 bis 1370 erweitert wurde.  Um die Vorstädte wurde dann zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert ein Mauerwall mit vielen, neuen Türmen zur Verteidigung gebaut.

Stehen blieben einige der alten Türme, die einst »Außengrenzen« markierten und der alten Stadtbefestigung gedient hatten. Noch heute zu sehen sind der »Weiße Turm« oder das »Innere Galgentor« und der »Markusturm«, Relikte aus der Öffnung der Burg und der ersten Erweiterung der Stadt nach Westen hin (um 1200). Nicht mehr existieren hingegen der »Blaue Turm« oder das »innere Klingentor« und der »Rote Turm«.

Wasser wurde 80 Meter nach oben gepumpt

Die erweiterten Stadtmauern wurden bis zum 17. Jahrhundert von den vier Tortürmen Klingen-, Galgen-, Röder- und Spitaltor arrondiert, was zum burgartigen Charakter Rothenburgs im Hochmittelalter beitrug und bis heute das Erscheinungsbild der Stadt bestimmt. Die Türme dienten dabei aber nicht alleine der Verteidigung. Der mächtige Klingentorturm im Südwesten wurde zugleich als Wasserturm genutzt. Aus der Tauber entnommenes Wasser wurde von der Bronnenmühle über einen Höhenunterschied von etwa 80 Metern in das Wasserbecken im oberen Turm gepumpt (1594). Oder der Strafturm, auch »Schuldthurm« genannt, indem Bürger nach leichten Straftaten ihre Strafe abbrummten. Auch der Schießpulverturm – ursprünglich Fürbringersturm genannt – verrät schon im Namen, was in seinem Inneren aufbewahrt wurde. Und gewohnt wurde in manchem Turm schon im Mittelalter – wenn es auch »nur« der Henker im gleichnamigen Turm war.

Auch wenn der etwa vier Kilometer lange Rundweg um die Stadtmauer fast barrierefrei ist, sollte man auf die zugänglichen Mauern der Stadtbefestigung oder gar auf einen der Türme steigen. Belohnt wird man mit gigantischen Blicken ins Taubertal und vielfältigen reizvollen Blickbeziehungen zwischen den Türmen, der Stadt und dem Landschaftsraum. Man versteht, warum Maler wie Carl Spitzweg oder Ludwig Richter in Rothenburg zahlreiche, wenn auch ziemlich verklärende Motive im 19. Jahrhundert für ihre Bilder fanden. Vielleicht überkommt den »Turmbezwinger« ganz oben auch ein Gefühl, wie es der Schriftsteller Paul Maar beschreibt: »Wir werden geradezu in die Höhe getrieben, eilig nehmen wir Stufe für Stufe, immer höher hinauf, und ruhen nicht eher, bis wir oben atemlos aus dem halbdunklen Bauch des Turmes auf die Plattform treten, ins blendend helle Licht.«

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Der »Torturmweg Rothenburg«

führt etwa vier Kilometer lang rund um die Altstadt und ist fast barrierefrei.
gliedert sich in 22 thematische Stationen mit Info-Tafeln in deutscher und englischer Sprache.
ist in zwei Richtungen begehbar. Empfehlenswert ist der Einstieg in den Weg an den Haupttoren Rödertor, Galgentor, Klingentor, Burgtor, Kobolzeller Tor und Spitaltor.
weist viele Sitzbänke entlang des Weges auf.
ist auch in einer Infobroschüre beschrieben, die die Touristeninformation am Marktplatz für vier Euro verkauft.

Entlang des Turmweges bzw. innerhalb der Stadtmauer erreicht man sieben öffentliche Toilettenanlagen auf relativ kurzem Weg.

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