
Da kommen Menschen von weit her, die noch nie von den Beatles und den Rolling Stones gehört haben – und wir entdecken gemeinsam die Musik als universelle Sprache, singen deutsche Lieder auf Persisch und Lieder, die die Geflüchteten mitbringen … fantastisch!« Alexander Hofmann ist die Begeisterung anzuhören, mit der er auf zehn Jahre Flüchtlingshilfe im Nürnberger Stadtteil Ziegelstein zurückblickt – auf ein freiwilliges Engagement, das er bis heute begleitet. Gemeinsam mit seiner Frau Iris Hofmann hatte er 2015 die Stiftung »IN.MEDIA.VITAE FOUNDATION« (IMV) gegründet, um »in der Mitte des Lebens« anderen zu helfen, wieder in ihre Mitte des Lebens zurückzukommen. Als 2015/2016 rund zwei Millionen Menschen in die Europäische Union flohen, war es keine Frage, wem die Zuwendung der gemeinnützigen Stiftung primär gelten sollte.
Im Ziegelsteiner Helferkreis, der sich nach zehnjähriger Tätigkeit durchaus als Nürnberger Vorzeige-Helferorganisation sehen darf, gibt es derzeit 32 regelmäßig aktive Ehrenamtliche und sechs weitere, die sporadisch mitarbeiten. Manch eine kommt nur eine Stunde wöchentlich zur Hausaufgabenbetreuung, ein anderer bietet in den Wintermonaten einen Deutschkurs für Erwachsenen an. Ein ehemals im Personalbereich tätiger Rentner unterstützt beim Berufseinstieg. Das anhaltende Engagement im Helferkreis führt Susanne Mahlein zurück auf die spezifische Bewohnerschaft von Ziegelstein. »Hier sind viele Menschen ehrenamtlich tätig, viele sind im Ruhestand und haben Zeit, sich einzubringen. Aber auch das mittlere Alter ist gut vertreten.«
Unermüdlich aktiv
»Nürnberg war eine der Städte, die in der Flüchtlingskrise vorbildliche Arbeit geleistet haben«, findet Stiftungsgründer Hofmann. Schon bevor die erste Gemeinschaftsunterkunft (GU) in ihrem Stadtteil eingerichtet wurde, hatte sich in Ziegelstein im Herbst 2015 ein ehrenamtlicher Arbeitskreis gebildet, der Anfang 2016 einen Helferkreis bildete. Von Anbeginn wurde er durch die Stiftung unterstützt. »Wir wollten nicht vorgeben, was zu tun ist, wir hatten auch nicht die Kompetenz dazu«, meint Hofmann. »Daher waren und sind wir sehr froh über den Helferkreis und stolz darauf, dass er immer noch Zulauf hat.«
Aktive der ersten Stunde sind Susanne Mahlein und Birgit Frühling. Beide sind erfahrene Ehrenamtlerinnen und erhalten seit einiger Zeit von der IMV-Stiftung eine Aufwandsentschädigung auf Minijob-Basis. Susanne Mahlein, zuständig für die Koordination des Helferkreises, für die Kommunikation und den Kontakt zu den Partnern, organisiert die Aktivitäten in einer von der Regierung von Mittelfranken im Stadtteil betriebenen Gemeinschaftsunterkunft. Hier leben Familien aus Äthiopien, Somalia, Benin, Ghana sowie Syrien, Irak, Iran, Aserbaidschan, Georgien und Belarus. Susanne Mahlein lebte mit ihrer Familie lange in Äthiopien und kann gut nachempfinden, wie man sich in einem Land fühlt, in dem man sich nicht auskennt. »Wir sind damals dort so warm aufgenommen worden, eine äthiopische Familie hat uns regelrecht adoptiert«, erinnert sie sich. Nun erhalten die nach Deutschland Geflüchteten von den Ehrenamtlichen Wertschätzung und Zuwendung.
Unterstützung beim Lernen
Gespielt und gebastelt wird in einer wöchentlichen Kinderstunde. Außerdem gibt es eine Hausaufgabenhilfe. Gesprochen wird wie in der Schule Deutsch, und die Motivation ist auf beiden Seiten groß. »Wenn die Kinder aus dem Hort kommen, will jedes als erstes bei der Betreuung sein«, beobachtet Mahlein immer wieder. Und ihre Kollegin Birgit Frühling ergänzt: »Die Eltern können meist nicht helfen, sie kennen unser Schulsystem ja nicht. Wir können den Kindern erklären, was sie machen müssen. Außerdem ist es im Gemeinschaftsraum ruhig, die Kinder können am Tisch sitzen – und sie genießen die Aufmerksamkeit, die sie erhalten.« Manche schaffen es dank der Unterstützung in die Realschule oder sogar auf das Gymnasium. »Einer unserer auf Mathematik spezialisierten Helfer hat eine junge Frau aus dem Irak durch das Abitur an der Fachoberschule gebracht. So etwas kriegen alle mit und freuen sich«, erklärt Susanne Mahlein.
Es gibt in Ziegelstein außerdem eine Gemeinschaftsunterkunft, die von der Stadt betrieben wird. Sie ist aktuell gut zur Hälfte mit Familien belegt. Die meisten Bewohnerinnen und Bewohner flohen aus Syrien, der Ukraine, Äthiopien oder Eritrea. Hier koordiniert Birgit Frühling die Aktivitäten der Helfer. Die Hausaufgabenhilfe ist enorm gefragt. »Da wir sehr viele Kinder betreuen, konzentrieren wir uns auf die Erst- bis Viertklässler.«
Ohne gute Zusammenarbeit mit den hauptamtlich Beteiligten würde noch so großes ehrenamtliches Engagement nicht viel ausrichten können. Susanne Mahlein und Birgit Frühling ist daher die gute Kooperation mit Partnern wie den Sozialberatungen und das Einvernehmen mit den Betreibern der Gemeinschaftsunterkünfte wichtig. Auch die evangelische Melanchthon-Kirchengemeinde, der SportService, der Jugendtreff BRIXX und das Amt für Kultur und Freizeit der Stadt Nürnberg wirken mit, um die Integration der Geflüchteten zu erleichtern.
Ort der Begegnung
In Zusammenarbeit mit dem städtischen Kulturladen Ziegelstein wird einmal monatlich in das Café O.K. eingeladen. »Mit diesem Begegnungsort möchten wir den Geflüchteten die Möglichkeit geben, abseits von den Kursen Deutsch zu sprechen, so wie man es auf der Straße spricht.« Birgit Frühling freut es besonders, dass auch bereits Ausgezogene, die jetzt in anderen Stadtteilen wohnen, immer wieder gerne zum kostenfreien Brunch kommen. Sada, die vor zehn Jahren aus Äthiopien kam, gehört zu den Stammgästen. Die junge Mutter genießt den Austausch mit den Frauen, die sich an die Tischchen verteilt haben. Jedes Mal gibt es ein Thema, so berichtete einmal eine Kinderärztin über die U-Untersuchungen. Heute wird gebastelt: Aus bunten Baststreifen entstehen Libellen für den Tischschmuck.
»Man kann im Ehrenamt unglaublich viel bewegen – und es macht Freude, anderen zu helfen. Positives schafft Positives«, davon ist Stifter Alexander Hofmann überzeugt, er würde sich freuen, wenn sich weitere Freiwillige anschließen. Ansprechpartnerin ist Susanne Mahlein. »Wer sich für eine ehrenamtliche Mitarbeit interessiert, kann seine Präferenzen einbringen und angeben, wie viel Zeit er oder sie investieren möchte. Dann schauen wir, welche Einsatzmöglichkeiten es gibt.« »Jeder kann mit Ideen kommen«, betont Alexander Hofmann. »Man kann auch mal reinschnuppern!« Und: Man muss nicht mal im Stadtteil leben, auch »Auswärtige« sind willkommen!
Text: Alexandra Foghammar
Fotos: Claus Felix
Information
Die Termine für das Café O.K. im Kulturladen Ziegelstein stehen im Internet unter www.gemeinsam-in-ziegelstein.de. Anfragen an den Arbeitskreis Flüchtlinge Ziegelstein sind möglich per Mail an helferkreis-in-ziegelstein@gmx.de.




