Er hat eine unbeschreibliche Karriere hingelegt und ist heute aus dem Straßenbild nicht mehr wegzudenken: der Rollator, das Symbol für eine mobile, alternde Gesellschaft. Branchen-Insider schätzen, dass derzeit etwa zwei Millionen Gehwägelchen in Deutschland in Gebrauch sind. Viele ältere Menschen nutzen die praktische Hilfe inzwischen innerhalb der Wohnung wie auch außer Haus. Etwa 30 Prozent besitzen zwei oder mehr Rollatoren.
Inge Hammer gehört zu ihnen. Die rüstige Seniorin wohnt im Seepark Mögeldorf, einer Nürnberger Einrichtung für betreutes Wohnen. In der Tiefgarage steht ihr Auto, und dort hat sie dauerhaft einen Rollator im Kofferraum geparkt. Seit kurzem verfügt sie über ein zweites Modell – in Pink. Warum die ungewöhnliche Farbe? »Der stand im Ausstellungsraum und hat mir gefallen«, antwortet die 79-Jährige. Sie hatte sich einen Zweit-Rollator zugelegt, weil ihr erster (in klassischem Silber) ein bisschen niedrig ist. Obwohl sie damit gut zurecht kam, hat sie es nun noch bequemer.
Fröhliche Farben sind inzwischen eher die Regel als die Ausnahme, bestätigt Thomas König, Geschäftsführer von Reha und Care, einem großen Händler für Produkte wie den Rollator. Er schwärmt von einer Ausführung mit einem weißen Rahmen. Wie bei Autos sei diese helle Farbe auch hier gerade modern. Doch dieses Modell werde nur noch eine begrenzte Zeit angeboten, dann folgt die nächste Kollektion.
Der Wettbewerbsdruck in der Branche nimmt zu. Inzwischen drängen immer mehr Hersteller auf den Markt. Der Produzent des Gemino 30, von dem König so begeistert ist, gehört dazu. Aber auch die Produkte der amerikanischen Firma Drive medical wie den Nitro L findet der Geschäftsmann spitze.
Daher hat es Marktführer Topro nicht mehr so leicht wie in den Anfangsjahren. Sein Modell Troja wird zwar immer noch stark nachgefragt, aber trotzdem sucht das Unternehmen nach neuen Vermarktungs-Ansätzen. So ging der norwegische Hersteller Topro jetzt eine Kooperation mit dem Fußballverein Borussia Dortmund ein und bietet einen Rollator für die Fans in schwarz-gelb mit dem Logo des Fußballclubs an. Die Idee für das Konzept mit dem Titel »Fan-Reha« hatten Jörg Aravantinos und Stefan Pöschel, der eine erfahrener Reha-Techniker, der andere Marketingfachmann und beide zusammen begeisterte Fußballfans. 399 Euro kostet das Sondermodell, und mit dessen Entwicklung soll noch lange nicht Schluss sein. Auch Kissen für Rollstühle und anderes Zubehör könnten künftig im Fan-Shop landen. Bisher ist Borussia Dortmund der einzige Fußball-Club, der so einen Rollator anbietet, sagt Juliane Papendorf, Pressesprecherin von Topro in Deutschland. Aber sie schließt nicht aus, dass andere Vereine wie der 1. FC Nürnberg nachziehen werden. Das Geschäft mit der rollenden Gehhilfe boomt. Bei ihrer Einführung 1990 wurden gerade einmal 15 000 Stück verkauft in Deutschland, 2005 waren es bereits 650 000 und fünf Jahre später stieg die Zahl auf 1,2 Millionen.
Laufen, nicht schieben
Walter Böck, der ebenfalls im Seepark Mögeldorf eine Wohnung hat, besitzt einen Topro Troja. Seit mehr als einem Jahr greift er zu der praktische Stütze. Der 90-jährige geht damit einkaufen und packt seine Waren in den Beutel, der am Gehwagen befestigt ist. Selbst im Winter traut er sich damit auf die Straße. Bordsteinkanten und andere Hindernisse weiß er geschickt zu nehmen. Er hebt das Gefährt einfach hoch. Christine Kinzel, einer seiner Nachbarinnen, ist klar, dass man eigentlich die Pedale benützen müsste, wenn man den Rollator über eine Erhöhung bugsiert. Doch sie beobachtet immer wieder Senioren, die ihre mobile Gehhilfe gar nicht fachgerecht handhaben. Das geht auch Inge Hammer aus dem Seepark so. »Manche nehmen ihn wie einen Kinderwagen«, hat sie beobachtet. Dabei soll man mit dem Rollator gehen und ihn nicht schieben.
Inzwischen entwickelt sich der Rollator immer mehr zu einem Prestigeobjekt. Das bestätigt auch Thomas König vom Fachgeschäft. Dennoch greifen die meisten seiner Kunden nach wie vor zu den gedeckten, unauffälligen Farben und legen Wert auf eine leichte Handhabung. Nur 6,3 Kilogramm bringt mancher Indoor-Rollator auf die Waage.
Die komfortablen Rollatoren werden angesichts der Bevölkerungsentwicklung sicher weiterhin steigende Absatzzahlen verzeichnen, heißt es in der Branche. Man schätzt, dass bis zum Jahr 2022 etwa sechs Millionen Stück in Deutschland im Einsatz sein werden.
Petra Nossek-Bock
Foto: Michael Matejka /PR
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