Bewegung im Alter bedeutet Selbstständigkeit und ein Plus an Lebensqualität. Ob Wandern, Radfahren oder einfache Übungen im Alltag – Dr. Sabine Britting vom Institut für Biomedizin des Alterns, Lehrstuhl für Innere Medizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, gibt Tipps, wie Senioren trotz Einschränkungen aktiv bleiben können und warum regelmäßige Bewegung vor Stürzen schützt und Stress reduziert.
sechs+sechzig: Welche Vorteile hat es, wenn man sich im Alter bewegt?
Sabine Britting: Das Schöne ist, dass Bewegung zum Alltag dazugehört und man sich konkret leichter tut, wenn man beweglich und aktiv ist. Außerdem kann die psychische und kognitive Gesundheit verbessert werden, und Bewegung wirkt sich positiv auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus. Durch Bewegung lernt man den eigenen Körper besser kennen und entwickelt verschiedene Ressourcen, um den Alltag gut zu meistern.
Wenn jemand im Seniorenalter wieder aktiv werden möchte, welchen Rat geben Sie für den Anfang?
Wenn man gezielt etwas für die eigene Gesundheit tun möchte, ist es wichtig, langsam zu beginnen und sich realistische Ziele zu setzen. Das hilft, motiviert zu bleiben. Wer sein Leben lang Sport gemacht hat, dem fällt es wahrscheinlich leichter, sich auch im Alter zu bewegen. Aber für Sport ist man nie zu alt. Alleine die positiven Gefühle nach dem Sport sind immens. Man sollte sich auf jeden Fall eine Umgebung schaffen, in der die Bewegung Freude bereitet. Denn alles, was man mit Freude tut, motiviert auch.
Wie kann man die Motivation beibehalten?
Am besten führt man sich vor Augen, warum man sich bewegen möchte. Vielleicht möchte man mit den Enkeln im Park spielen und dafür fit sein. Ich rate auch dazu, verschiedene Dinge auszuprobieren, zum Beispiel im Sportverein, um herauszufinden, welche Bewegungsart wirklich Freude bereitet und zu einem passt. Vielleicht gibt es im Bekannten- oder Freundeskreis auch Gleichgesinnte, mit denen man sich beispielsweise zum Spazierengehen verabreden kann. Das erhöht die Hemmschwelle abzusagen. Gruppentraining hat zudem einen sozialen Aspekt und bietet die Möglichkeit, neue Freundschaften zu knüpfen. Es kann auch hilfreich sein, bestimmte Zeiten für die Bewegung fest in den Tagesablauf einzuplanen.
Wie viel und wie oft sollte Bewegung Teil des Alltags sein?
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, zweieinhalb bis fünf Stunden pro Woche körperlich aktiv zu sein, um das Wohlbefinden zu steigern und die Muskulatur zu erhalten. Grundsätzlich ist aber jede Bewegung besser als keine. Es ist ratsam, zweimal pro Woche Krafttraining zu machen und dreimal pro Woche Balance und Beweglichkeit zu trainieren. Dabei sollte man immer auf die eigene Tagesform achten, besonders bei chronischen Erkrankungen. Kurze Bewegungseinheiten von 10 bis 15 Minuten lassen sich leicht in den Alltag integrieren und sind ebenfalls wirksam.
Welche Arten von Bewegung halten Sie für geeignet?
Für Senioren eignen sich verschiedene Sportarten: Spazierengehen, Wandern, Schwimmen und Radfahren sind besonders beliebt. Aber man kann auch kleine Einheiten über den Tag verteilt einbauen. Eine einfache Übung im Alltag ist zum Beispiel das Aufstehen von einem Stuhl mit vor der Brust verschränkten Händen. Hier nutzt man nicht den Schwung, sondern die eigene Muskelkraft. Diese Übung kann man täglich machen, am besten in einer Serie von dreimal zehn Wiederholungen; sie trainiert auch die Koordination. Für kürzere Strecken bietet es sich an, zu Fuß zu gehen oder das Fahrrad zu benutzen. Wenn man nur kleine Besorgungen im Supermarkt oder beim Bäcker macht, kann man auch das Auto stehen lassen. Wer viel mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, kann auch eine Haltestelle früher aussteigen und den Rest zu Fuß gehen.
Wenn Senioren bereits körperliche Einschränkungen haben, wie kann Bewegung am besten integriert werden?
Nach einer Operation oder Krankheit sind die angebotenen Reha-Maßnahmen schon sehr gut. Es gibt aber weitere Möglichkeiten, etwa den sogenannten Reha-Sport. Dieses Funktionstraining erstreckt sich über ein Jahr. Man sollte sich beim Hausarzt oder Physiotherapeuten über die verschiedenen Angebote informieren. Auch mit einer chronischen Erkrankung ist es gut, sich zu bewegen. Natürlich kann es sein, dass man die Übungen individuell anpassen muss. Außerdem gibt es Broschüren für ein Heimtraining, zum Beispiel von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die verschiedene Übungen vorschlagen, beschreiben und mit Bildern erklären.
Immer mehr Senioren steigen auf ein E-Bike um. Wie beurteilen Sie diesen Trend?
E-Bikes können, insbesondere beim Anfahren, sehr unterstützend sein. Wichtig ist, dass das Rad gut auf die eigenen Bedürfnisse angepasst ist. Empfehlenswert ist ein Modell mit einem niedrigen Einstieg, da dies das Risiko minimiert, beim Aufsteigen umzufallen. Im Großraum Nürnberg gibt es unter anderem an der FAU verschiedene Kurse, die den Umstieg erleichtern können. Auch das Training der Fahrtechnik auf verkehrsarmen Strecken kann helfen, sich sicherer zu fühlen.
Empfehlen Sie, einen Helm zu tragen?
In Deutschland gibt es keine gesetzliche Helmpflicht, und laut ADFC tragen nur 40 Prozent der Fahrradfahrer einen Helm. Bei E-Bike-Fahrern liegt die Quote immerhin bei 60 Prozent. Statistiken zeigen jedoch, dass ein Helm die Schwere von Kopfverletzungen deutlich reduzieren kann. Ich würde auf jeden Fall dazu raten, da man mit einem E-Bike oft schneller unterwegs ist. Im Alter nehmen das Hörvermögen und die visuelle Wahrnehmung ab. Zusammen mit einer verminderten Reaktionsgeschwindigkeit kann dies zu einem erhöhten Unfallrisiko führen.
Text: Lea Maria Kiehlmeier
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