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Abschied von der Fürther Wärmestube

Wolfgang Sperber war der Anker der Fürther Wärmestube. Jetzt geht er in den Ruhestand. Foto: Melanie Kunze

Wenn Wolfgang Sperber an seinem Schreibtisch sitzt, kann er eigentlich selten lange über seiner Arbeit bleiben. Denn immer wieder klopft jemand an die Fensterscheibe. Dann steht der 65-Jährige auf, öffnet das Fenster und fragt freundlich, was er denn tun könne. An diesem Herbstvormittag bekommt er mehrere Anfragen, einmal klopft ein älterer Herr, weil er sich nach dem Befinden von Wolfgang Sperber erkundigen möchte. Der lächelt und sagt: »Bei mir ist alles okay. Danke.«

Der Sozialpädagoge ist seit 30 Jahren eine feste Bezugsperson für hilfsbedürftige Menschen, die zum Fürther Treffpunkt in die Hirschenstraße 37a kommen. Manche brauchen Unterstützung, weil sie nicht wissen, wie sie an eine bezahlbare Wohnung kommen können. Manche freuen sich über ein gutes Wort, einen Kaffee und eine warme Mahlzeit, die in der Wärmestube ausgegeben wird. Nebenan gibt es einen Laden, in dem Bedürftige günstige gebrauchte Kleidung oder Haushaltsartikel bekommen. Eine der wichtigsten Aufgaben des Treffpunkts ist aber die sogenannte Wohnungsnotfallhilfe für Menschen, die von Wohnungsnot bedroht sind oder gar ihre Behausung verloren haben. Besonders in diesen schwierigen Zeiten ist der Fürther Treffpunkt für immer mehr Frauen und Männer sowie Familien eine wichtige Anlaufstelle. Rund 50 bis 60 Menschen suchen täglich den Kontakt zu der sozialen Einrichtung. Meist sind sie 40 Jahre oder älter, manche von ihnen haben Alkohol-Probleme. Es kämen aber auch immer wieder jüngere Menschen, die in Not geraten sind, berichtet Sperber und ergänzt: »Der Frauenanteil hat in den letzten Jahren zugenommen.«

Träger des Treffs ist die Stadt Fürth. Unterstützt wird dieser zudem durch Spenden. Außerdem sammeln die Verantwortlichen bei verschiedenen Aktionen wie beim Fürther Apfelmarkt Geld und machen auf ihre Projekte aufmerksam. »Pro Jahr sind wir auf eine ausreichend große Summe angewiesen«, sagt Sperber. Auch an der sozialen Einrichtung gehen die gestiegenen Preise für Lebensmittel und Energie nicht spurlos vorüber. Man habe in der Vergangenheit gut mit den verfügbaren Mitteln gewirtschaftet, sodass die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine und die Energiekrise noch einigermaßen abgefedert werden können, sagt der Sozialpädagoge. Häufig gehe es in seinen Beratungen darum, eine Wohnung zu finden. Immer öfter gehe es aber auch um gestiegene Energie­kosten. »Viele könnten in diesem Winter von einer hohen Stromrechnung überrascht werden«, warnt der 65-Jährige.

Heizkosten müssen Sozialhilfeempfänger nicht aus ihrem Regelsatz zahlen. Das Jobcenter übernimmt diese im Rahmen der Kosten der Unterkunft – solange sie angemessen sind. Wenn die Mehrkosten plausibel sind, zahlt das Jobcenter auch eine Nachzahlung. Aber es übernimmt nicht die Stromrechnung. »Wir versuchen deshalb, schnell zu helfen, wenn jemand in Not gerät«, sagt Sperber, »wir wollen auf keinen Fall, dass jemandem Strom und Wasser abgestellt werden.« Daher sei der Treffpunkt auch in regelmäßigem Austausch mit dem örtlichen Energieversorger infra.

Hoffentlich hält »Wolfi« durch

Schnelle Hilfe für Betroffene gibt es beispielsweise in Form eines Darlehens in besonderen Fällen, das aus einem Fonds des Fürther Treffpunkts finanziert wird. In den vergangenen 30 Jahren konnte Wolfgang Sperber oft, aber nicht immer helfen. Er erzählt von »Wolfi«, einem Wohnungslosen. Manchmal mache er sich Sorgen, denn »Wolfi« werde älter und sei gesundheitlich beeinträchtigt. Der Mann hätte gern eine Wohnung in einem ganz bestimmten Viertel. Doch das sei leider nicht realisierbar. Und so sei er weiterhin ohne Obdach. »Ich hoffe, dass er gesundheitlich durchhält«, bangt Sperber, der rund um seinen Schreibtisch zahlreiche Fotos und Sprüche aufhängt hat. »Jeder Mensch braucht eine Wohnung, eine Bank ist kein Zuhause«, steht auf einer der Karten. Bald räumt der Sozialpädagoge seinen Arbeitsplatz und geht in Rente. Seine Stelle soll bis Frühjahr 2023 neu besetzt werden. Bis dahin übernimmt das Team übergangsweise die Aufgaben.

In der Fundgrube gibt es Secondhand-Kleidung und Nützliches für den Haushalt. Foto: Melanie Kunze

Die Wärmestube in der Fürther Innenstadt unweit des Bahnhofes existiert schon seit 1992. Menschen in Not bekommen dort Hilfe und fachlichen Rat. Anfänglich mit einer ABM-Stelle ausgestattet, sind heute neben Sperber zwei feste Mitarbeiter und fünf Ehrenamtliche vor Ort und nehmen sich Zeit für persönliche Beratungen. Allerdings kommen auch sie hin und wieder an Grenzen. »Soziale Beratungen reichen nicht mehr, wir brauchen bezahlbaren Wohnraum«, mahnt Sperber. Und der sei in den vergangenen Jahren immer schwerer zu finden gewesen.

Anschaffungen aus Spendengeldern

Wenn für einen Bedürftigen eine Wohnung gefunden wurde, unterstützen die Fürther beim Umzug, beim Renovieren und Transportieren der Möbel soweit es personell möglich ist. Für Letzteres hat sich der Treffpunkt einen kleinen Bus gekauft. Solche Anschaffungen bezahlen die Verantwortlichen aus den Spendengeldern. Doch weil immer mehr Privatpersonen und Unternehmen sparen müssen, fürchtet Sperber, dass unterm Strich für 2022 weniger Geld reinkommt. Immerhin gibt es auch Positives zu berichten. Kürzlich konnte einer bulgarischen Familie mit vier Kindern geholfen werden. Sie hauste bis vor kurzem in einer Pension, jetzt lebt sie in einer Wohnung; der Vater macht morgens einen Sprachkurs und geht nachmittags zur Arbeit. Die Familie hat jetzt ein geregeltes Leben und die Chance, ein Teil der Gesellschaft zu sein. Sperber sagt: »Das sind die Erfolgsgeschichten, die Mut machen.«

Text und Foto: Melanie Kunze

Information

Der Treffpunkt Wärmestube in der Hirschenstraße 37a in Fürth hat Montag, Dienstag, Mittwoch und Freitag von 9 bis 16 Uhr geöffnet. Weitere Informationen sind im Internet unter www.fuerther-treffpunkt.de zu finden. Wer spenden möchte, findet dort die Kontoverbindung.

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