Heiteres
Christine Leitl, 71, früher Handelsfachwirtin und Tourismusexpertin, lebt in Roßtal. Sie hat bereits eine zweibändige »Familiensaga« verfasst, die vorwiegend in der Toskana spielt, sowie Erzählungen und ein Kinderbuch
Kabale und Liebe am Nordseestrand
Ziemlich ungestüm geht es zu in Christine Leitls neuem Roman »Warum dieser Traum?«. Totschlag und Verrat, scheiternde Ehen, erste Liebe, verlassene Liebe – Jung und Alt, das gesamte Personal ist gnadenlos verheddert in einem Netz aus Leidenschaft und Intrige – kann sich aber dank pausenloser Zufälle irgendwie herauswinden und bewahrt in der Regel Contenance. Die Geschichte nimmt ihren Anfang in Nürnberg, wo die Abiturientin Edda mit ihren reichen Eltern in einer eleganten Villa wohnt. Alles könnte gut sein, hätte Edda nicht seit Kindheitsjahren einem immer wiederkehrenden Albtraum, aus dem sie schreiend erwacht. Ihre Eltern beruhigen sie – die Ursache sei gewiss ein schrecklicher Film, den sie als Kind gesehen und nicht verarbeitet habe. Edda glaubt das nicht. Sie beschließt, den Ort zu suchen, in dem das reetgedeckte Haus steht, das ihr im Traum erscheint. Heimlich fährt sie an die Nordsee und klappert mit ihrem Fahrrad die Küste ab – derweil machen ihre nichtsahnenden Eltern Golf-Urlaub in Florida. Und tatsächlich wird Edda fündig. Was sie nun, zusammen mit ihrer neu gefundenen Freundin Blue, erfährt und erlebt, kann sie kaum fassen. Die Eltern eilen aus den USA herbei, ihr Kindermädchen zu Hause in der Nürnberger Villa trifft fast der Schlag, und Edda steht am Ende und am Anfang ihres jungen Lebens…. Ein neuer Freund ist auch in Sicht. »Warum dieser Traum?« ist Lesefutter für alle, die sich mit einer etwas irren, aber spannenden Geschichte eine kleine Auszeit vom Alltag nehmen möchten.
Christine Leitl, »Warum dieser Traum?«, TRIGA-der Verlag, Leipziger Straße 2, 63571 Gelnhausen-Roth, 2020, € 15.-
Für Kinder
Dorothea Meyer, 69, hat viele Jahre in der Nürnberger Stadtverwaltung gearbeitet. Sie veröffentlicht unter ihrem Mädchennamen Dorle Engl. Seit 1979 wohnt sie in Neumarkt/Oberpfalz und hat ihr Geschichtenbuch ihren Enkelkindern Antonia, Vincent und Georg gewidmet.
Was alles so passiert
Noch bevor die »Geschichten« von Dorle Engl in Druck gingen, hatte ein Fachpublikum schon ersten Beifall gespendet und Wiederholung verlangt. Die drei Enkelkinder der Autorin hatten abends vor dem Schlafengehen ihrer Oma gelauscht, die so wundervoll und aus dem Stegreif erzählen konnte. Noch Monate später wollten sie einzelne Geschichten immer wieder hören, und wenn sich die Großmama nicht mehr ganz genau an die Handlung erinnern konnten, halfen sie aus. Da beschloss Dorle Engl, ihre Geschichten aufzuschreiben und ein Buch daraus zu machen. Das liegt jetzt vor: von der Autorin selbst illustriert und gestaltet und ein Tipp für alle Vorlese-Eltern und -Großeltern. Die Kinder können sich ohne Gruseln und Angst im Erzählten wiederfinden, denn es geht um Sachen, Menschen und Begebenheiten aus ihrer Alltagswelt. Da unterhalten sich drei Tortellini-Packungen im Regal des dunklen Abstellraums miteinander, ein kleines Mädchen fürchtet sich vor einer Spinne und ein kleiner Hund sitzt tropfnass im Regen und vermisst sein Frauchen. – Zehn Geschichten mit gutem Ende, die Kinder (bis etwa fünf/sechs Jahren) in freundliche Träume geleiten können.
Dorle Engl, »Geschichten«. Verlag BoB – Books on Demand, Norderstedt 2019. € 22. – (auch über den Buchhandel und/oder Internet erhältlich)
Lyrisches
Ludwig Fels,74, in Treuchtlingen geboren, dessen soeben erschienenes Buch wir vorstellen, ist am 11. Januar 2021 verstorben. Fels lebte seit vierzig Jahren als freier Schriftsteller in Wien. Er verfasste Erzählungen, Romane, Hörspiele, Theaterstücke und Lyrik und wurde mit zahlreichen bedeutenden Literaturpreisen ausgezeichnet.
Nur für echte Franken
Zuletzt hatte Ludwig Fels ein Mundart-Lyrik-Bändchen vorgelegt mit einem Titel, den nur waschechte Franken sofort verstehen: »Dou di ned o«. In seinem Vorwort schreibt er – sozusagen als Erklärung für eine so andere Art Lyrik, wie man sie sonst von ihm kennt: »Alles kommt zurück und vergeht, ließe sich sagen. Ich lausche in die Vergangenheit, versuche die Stimme zu hören, mit der ich damals sprach. Wo ich lebte, wurde ich verstanden …« Wir als Leser verstehen ihn auch und lesen seine »Boesie« mit dankbarem Vergnügen. Lassen wir ihn selbst zu Wort kommen mit dem titelgebenden Gedicht, das so fabelhaft in diese Zeit passt. Und nun auch zu seinem überraschenden Tod …
Dou di ned o
Dou di ned o
der Johnny Cash is gschdorm
und der Leonard Cohen a
und a sunschd nu a Hafn Laid
seid die Weld beschded
Maler, Dichder, Bläideli
und die maschdn
had man ned amal kennd
und der Herbert Hisel is gschdorm
und der Matthias Egersdörfer
Gottseidank no ned
aber der Eppelein von Gailingen
und dem sei Bferd a
und Frangn san gschdorm
und Deidsche
un d a boar denna no leem
machd aber nix.
Ludwig Fels, »Dou di ned o«, Mundartlyrik, ars vivendi verlag, Cadolzburg 2020, € 15,-
Heiteres
Heidemarie Brosche, 65 »als Lehrerin brandneu im Ruhestand«, lebt in 86316 Friedberg und schreibt seit mehr als dreißig Jahren Kinder-, Jugend- und Sachbücher. Dies ist ihr erster Roman für Erwachsene.
Von Schuhen und Menschen – und einem Dackel
Es müssen nicht immer die großen Katastrophen sein. Die kleinen reichen auch. Eine Ehefrau findet eine Nachricht von ihrem Ehemann, er zieht aus. Eine junge Frau verwirklicht ihren Traum, eröffnet ein exquisites Schuhgeschäft, die Kunden bleiben aus. Ein Student hadert mit seiner Mutter, von der er sich im Stich gelassen fühlt. Jede/r von ihnen muss sein Leben auf die Reihe kriegen, und das ist kein leichtes Stück Arbeit. Heidemarie Brosche erzählt in ihrem Erstlingsroman »Schuhhimmel mit Turbulenzen«, wie Elke, 63, (Ehefrau und Lehrerin), Petra, 40, (Schuhladen-Inhaberin) und Max, 21, (BWL-Student) mit mal mehr, mal weniger Schwung durch die Turbulenzen ihres Alltags steuern. Dackel Tilo, Alter unbekannt, ist mit von der Partie.
Beschwingt und humorvoll lässt die Autorin ihre Leserinnen an der Krisenbewältigung ihrer drei Protagonisten teilhaben. Sie entlieben und verlieben sich, werden durch freundschaftliche Bande gehalten und nehmen trotz eigener Sorgen Anteil am Schicksal ihrer Mitmenschen.
Heidemarie Brosche, 65, seit Kurzem Lehrerin im Ruhestand, hat sich mit diesem Roman erstmals an ein Buch für Erwachsene gewagt – bislang hatte sie Kinder-, Jugend- und Sachbücher verfasst. Der warmherzige Erzählton und der flotte Fortgang der Geschichte machen den »Schuhhimmel« zu einem unbeschwerten Lesevergnügen.
Heidemarie Brosche, »Schuhhimmel mit Turbulenzen«, 26/books, Bert-Brecht-Weg 13, 71549 Auenwald, 2020, € 10,95
Ernstes
Ursula Muhr, 65, Dipl.-Verwaltungswirt (FH), seit 1989 freie Autorin, lebt wieder in Altdorf bei Nürnberg. Sie hat zahlreiche Bücher für Erwachsene und Kinder verfasst und wurde mehrfach – auch für ihre Lyrik – ausgezeichnet. 2010 war sie Stadtschreiberin der Residenzstadt Gotha.
Ein Frauenleben
Über das Furchtbare, das sie erlebt hatte, sprach sie fast nie. Für die Enkel erschuf sie aus ihren Erinnerungen an das Sudetenland eine Märchenwelt: der Bauernhof, die Mühle am Bach, der Teich, der Garten, die Tiere – das war Idylle. »Oma, erzähl` von daheim«, baten die Kinder immer wieder und ließen sich verzaubern vom »Land hinter den Spiegeln« (so die Autorin). Aurelia Hochberger, 1899 im Sudetenland geboren, Tochter eines Hopfenbauern, später Gattin eines Müllermeisters und Mutter zweier Kinder, machte die Katastrophen und Verluste ihres Lebens mit sich selber aus. Ihr war es wichtig, weder Verzweiflung noch Hass an ihre Nachkommen weiterzugeben.
Nun hat ihr die Enkelin ein Denkmal gesetzt. Mit ihrem Buch »Auf dieser Kuhbleek bleib ich nicht« skizziert Ursula Muhr das Leben einer mutigen und entschlossenen Frau, deren Schicksal dem vieler Menschen gleicht, die den Krieg und die schweren Jahren danach durchleiden mussten. – Wegen der abgelegenen Lage ihres Dorfes blieb die Müllersfamilie in der Nähe von Kaaden zunächst relativ unbehelligt. Dank seines kriegswichtigen Berufs wurde der Vater nicht eingezogen. Einquartierungen mussten sie hinnehmen, auch marodierende Banden. Dann kam der 31. Mai 1945 und Entsetzliches geschah. Am 30. Juni 1945 erfolgte die Vertreibung der sudetendeutschen Bevölkerung durch tschechische Soldaten. Innerhalb von zwei Stunden musste auch Aurelia Hochberger Haus und Hof verlassen. In einem Treck, zusammen mit ihren zwei halbwüchsigen Kindern, schlug sie sich über die Grenze nach Bayern durch. Stationen des Überlebens: Unterkunft auf einem verkommenen Bauernhof, das »Sudetenlager« bei Altdorf und endlich zwei kleine Zimmer in diesem Ort – wo sie schließlich mit ihrer Familie ein Heim fand bis zu ihrem Tod. Auch ihre Enkelin, die Autorin Ursula Muhr, lebt heute als freie Autorin wieder in Altdorf. Dass sie kein verklärendes Bild gezeichnet hat, sondern einen starken Menschen mit Ecken und Kanten, macht die Qualität dieses gut geschriebenen Erinnerungsbuches aus.
Ursula Muhr, »Auf dieser Kuhbleek bleib ich nicht«. Spielberg Verlag, Neumarkt 2020, € 13,90
Spannendes
Maria Dries, eigentlich Ilse-Maria Dries, in Erlangen geboren, studierte Sozialpädagogik und Betriebswirtschaftslehre. Seit 2010 schreibt sie Kriminalromane, die zunächst in unserer Region spielten. Ab 2014 verlegte sie die Schauplätze ihrer zahlreichen Krimis in die Bretagne, neuerdings nach Bordeaux im Südwesten Frankreichs. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in der Fränkischen Schweiz.
Verlockungen in Bordeaux
Vielen Krimifreunden ist er längst vertraut, der smarte Monsieur le Commisaire Philippe Lagarde mit seinen langen Beinen, den Lachfältchen um die saphirblauen Augen und dem gepflegten Dreitagebart. Aufgrund einer Schussverletzung vorzeitig aus dem Polizeidienst ausgeschieden, steht er nun als Sonderermittler der Kriminalpolizei den örtlichen Kollegen in komplizierten Fällen zur Seite. Die aufzuklärenden Verbrechen ereignen sich in der herben Landschaft der Bretagne und Normandie. So spannend die Autorin die Suche nach den Tätern erzählt, so liebevoll geht sie in der Beschreibung von Menschen, Orten und Landschaften ins Detail. Nach mehr als einem Dutzend Fälle in und um Barfleur (zuletzt »Der Kommisar und der Teufel von Port Blanc«) wendet sich Maria Dries seit Jüngstem nach Bordeaux, wo sich die weizenblonde Madame le Commisaire und Polizeipsychologin Pauline Castelot als ebenso attraktive wie erfolgreiche Ermittlerin der Verbrechensbekämpfung annimmt. »Das Grab im Médoc« ist der erste Bordeaux-Krimi einer geplanten Reihe. Leser werden sich bei der Lektüre nicht nur wohlig gruseln, sondern sich wie gewohnt leicht neiderfüllt an der Schilderung von guten Weinen und phantastischen Gerichten erfreuen – und vermutlich Lust bekommen, den Verlockungen Frankreichs selber an Ort und Stelle zu erliegen, natürlich ganz ohne Mord und Totschlag.
Maria Dries, »Der Kommissar und der Teufel von Port Blanc«, Aufbau Verlag Berlin 2021, € 9,99
Marie Dries, »Das Grab im Médoc«, Aufbau Verlag Berlin 2020, € 9,99
Alle Buchtipps: Brigitte Lemberger