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Haareis, ein Winterrätsel lockt in den Wald

An kalten, schneefreien Tagen im  Wald zu finden: das Haareis, ein seltenes biophysikalisches Phänomen. Foto: Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft

Aufgepasst beim Wandern in der kalten Jahreszeit: Wer im Winter an kalten, schneelosen Tagen einen Waldspaziergang unternimmt, hat gute Chancen, auf eine merkwürdige Erscheinung zu treffen. An morschen Ästen am dunklen Waldboden hängen schneeweiße, wattebauschartige Büschel. Man denkt sofort an Zuckerwatte, Schafwolle, oder ist es vielleicht doch ein Pilz? Die Wahrheit ist weit faszinierender und ein biopysikalisches Phänomen: Haareis.

Die überaus feinen Eiskunstwerke formt keine Menschenhand, sie bilden sich unter den richtigen Bedingungen ganz natürlich. Auch wenn es nicht die Fruchtkörper eines seltenen Pilzes sind: ein unscheinbarer Pilz ist dennoch eine wichtige Voraussetzung für das Entstehen von Haareis, so die Spezialisten der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF). Das Phänomen entsteht nur auf abgestorbenen, feuchten Ästen von Laubbäumen, die von den Pilzfäden der Rosagetönten Gallertkruste (Exidiopsis effuso) durchwachsen sind – und das nur unter ganz speziellen Witterungsverhältnissen.

Dünn wie Menschenhaar

Voraussetzung ist, dass nach einer Regenphase die Lufttemperatur gerade so um den Gefrierpunkt liegt. Der Pilz ist winteraktiv und atmet. Die Gase seines Stoffwechsels verdrängen das im Totholz vorhandene, leicht unterkühlte Wasser an die Oberfläche. Dort gefriert es nun aber zu Eis und wird durch nachdrängende, beim Austritt aus den feinen Holzporen ebenfalls gefrierende Wasser weitergeschoben. Das kann man sich wie das Herausquellen der Zahnpasta aus der Tube vorstellen, auf die man unten drückt. Diese Eisform wächst also nicht wie ein Eiszapfen am Ende, sondern von seiner Basis her. Die Eishaare sind mit etwa 0,02 Millimeterdünn wie Menschenhaar und bilden sich mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit. Bei 5 bis 10 Millimetern pro Stunde kann so ein Eiskunstwerk über Nacht entstehen, vorausgesetzt, es wird genügend Wasser aus dem Totholz nachgeliefert.

Schon im frühen 19. Jahrhundert versuchen Naturkundler das Rätsel des Haareises zu lösen. 1918 beschäftigte sich auch der berühmte Polarforscher Alfred Wegener mit dieser merkwürdigen Erscheinung. Er erkannte, dass Pilze eine entscheidende Rolle bei der Bildung von Haareis spielen müssen. Aber erst 2008 gelang es Forschern aus Bern und Jülich die Prozesse, die das Haareis verursachen, weitestgehend zu entschlüsseln. Die genauen chemischen und physikalischen Prozesse bleiben dabei aber auch weiterhin noch ungeklärt.

Aber warum macht der Pilz das? Die Rosagetönte Gallertkruste schert sich wohl wenig um die Schönheit seiner Eisskulptur. Vielmehr dürfte der Vorgang dem Baumpilz als eine Art Frostschutzmittel dienen. Denn das Wasser gefriert nicht im Ast, dem Lebensraum des winteraktiven Pilzes, sondern außerhalb. Zudem wird durch die Energie, die beim Vorgang des Gefrierens frei wird, der Ast etwas wärmer als seine Umgebung.

Lange ist das Naturkunstwerk aber nicht zu bestaunen, also sollten Spaziergänger die kalten, schneefreien Tage nutzen: Wenn die meteorologischen Rahmenbedingungen sich auch nur geringfügig ändern, verschwindet es wieder.

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