Anzeige

Gemeinsam verreisen mit Oma und Opa

Wenn Großeltern mit den Enkeln verreisen, dann entlastet das nicht nur die Eltern. Oft verstehen sich Alte und Junge besonders gut; beide genießen das Zusammensein jenseits des Alltags. Unser Autor Günter Dehn erinnert sich an solche Aktivitäten mit seinen Enkelkindern.
Foto: Günther Dehn
Foto: Günther Dehn

Wenn Großeltern mit den Enkeln verreisen, dann entlastet das nicht nur die Eltern. Oft verstehen sich Alte und Junge besonders gut; beide genießen das Zusammensein jenseits des Alltags. Unser Autor Günter Dehn erinnert sich an solche Aktivitäten mit seinen Enkelkindern.

Henri bekommt plötzlich einen verträumten Blick. »Eigentlich«, sagt er zu seinem Großvater, »eigentlich könnten wir doch mal miteinander in die Berge fahren«. Aha, in die Berge. Das haben Oma und Opa bisher noch nicht gemacht: Bergwandern mit den beiden Enkelsöhnen. Aber wie kommt der Großvater bloß auf Wandern?! Henri hat ganz andere Vorstellungen. So eine Art Caspar-David-Friedrich-Vision: »Am Abend auf dem Balkon unseres Zimmers stehen und einfach zuschauen wie die Sonne hinter den Bergen untergeht.« Na gut, denkt sich Opa, das mit dem Wandern wird sich schon ergeben. Kurz und gut, das Quartett – Oma (71), Henri (15), Opa (75) und Luis (12) – macht in den Herbstferien drei Tage Urlaub in einem Naturhotel in Südtirol. Hotelkomfort genießen ist für die Knaben »echt cool«. Sie kennen bisher nur einen Tapetenwechsel: den vom Wohnhaus ins Wohnmobil, mit den Eltern.

Immer was zum Schnabulieren

Die Großeltern machen sich nichts vor: ein helles, geräumiges Wohn-Schlafzimmer, eine eigene Kammer für die Buben, Schwimmbad mit Außenbecken, Sauna in allen Variationen, Frühstücksbuffet, nachmittags Kuchen, Suppe und Salate und Abendmenü (Oma erklärt die Handhabung des Bestecks »immer von außen nach innen«) – das alles spielt natürlich auch eine Rolle für die gemeinsamen Ferientage. Gleichwohl genießen die Jungs auch noch in diesem Alter Omas Fürsorge. »Oma, ist der Tante Emma-Laden wieder geöffnet?«, fragt Luis im Auto. Irgendwas zum Schnabulieren hat sie immer in ihrem Taschen-Laden. Und sie feixen über manche Aussprüche vom Großvater, belächeln seine zuweilen gespielte Hilflosigkeit: »Wo geht’s denn da zur Bergkristall-Sauna?« Da nimmt der Zwölfjährige seinen »orientierungslosen« Opa an der Hand. Früher war das umgekehrt.

Die Oktobersonne hat die letzten Sommerreserven geschickt. Aber ohne eine kleine Wanderung, meinen die Großeltern, dürften diese Tage nicht vergehen. Luis küsst die Oma auf die Wange: »Machen wir!« Na ja… Die Enkel haben bald eine Abzweigung vom Panoramaweg entdeckt, die zurück zum Hotel führt. Und schon sind sie weg. Sie wissen: Die Großeltern nehmen es nicht so genau mit nur halb eingelösten Versprechungen. Ganz selten wird mal die Gelbe und schon überhaupt nicht die Rote Karte gezückt. Oma und Opa sind einfach fast immer erreichbar. Wenngleich sie auch für sich selbst Zeit haben wollen. Das vollzieht sich indes ohne große Absprachen.

So ist es für die zwei Alten fraglos ein beglückendes Erlebnis, das gemeinsame Gehen in der milden Herbstsonne. Der Wunsch, Camel Cup zu spielen, am Nachmittag in der Sonne vor dem Haus, wird von den Enkeln geäußert. Opa hat keine Lust; die Großmutter ist bereit, später schaltet sich auch der Großvater ein. Ist es wirklich schon zehn Jahre her, dass sie mit dem Glück ihrer alten Tage einen Erstversuch auf einem Bauernhof im Bayerischen Wald starteten?! Mit einem Gepäckträger auf dem Autodach, der vor allem mit Legosteinen, Spielen und Vorlese-Büchern gefüllt war. Heute reicht den Knaben ihr Handy. Und ein paar Spiele. Die Mal- und Lego-Zeiten sind Legende.

Gelbwurst in die Hand

Der Kleine bekam noch jeden Morgen sein Fläschchen, umgelagert vom Gitterbettchen in die großelterliche Schlafstatt. Sie waren auf einem heruntergekommenen Bauernhof untergekommen. Nichts entsprach der Darstellung im weltweiten Netz. Eine verdreckte Rutsche in einer finsteren Scheune sollte der Spielplatz sein; keine Milch von irgendwelchen Hofkühen. Nichts. Und trotzdem war es lustig und schön. Die Ferienwohnung groß und hell. Platz zum Spielen. Die Glocken der Dorfkirche läuteten jeden Morgen. Und jeden Morgen lösten sie beim noch nicht zweijährigen Luis heftiges Weinen aus. Trotz Regens unternahm man Ausflüge in die unberührte Natur, einen Besuch bei den Glasbläsern. Zur Erinnerung gab es ein kleines Glaskunstwerk. Sie haben es heute noch. Oma erinnert sich: »Weißt du noch, wie wir in der Metzgerei im Ort vor unserer Ankunft einkauften, die Verkäuferin Henri ein Stück Gelbwurst (schon zu der Großeltern Kindheitstagen gab es Gelbwurst in die Kinderhand) anbot, er sich artig bedankte und sagte, er habe aber auch noch einen Bruder.« Wo der sei, fragte die Metzgerin. Er liege im Auto und schlafe. Kaum machte er die Augen auf, schob ihm sein Bruder die Scheibe Gelbwurst zwischen die Lippen. Während der ganzen Zeit gab es nicht einen Anruf von den Eltern. Ihr Vertrauen in die organisatorische und pädagogische Kompetenz der Großeltern tat gut. Das ist bis heute so geblieben.

Die ersten Großeltern-Enkel-Ferientage sind den Erwachsenen noch genau so erinnerlich wie die letzten. Und die dazwischen. Vier Tage im Allgäu, in einem »Familotel«, in dem von Anfang an sich alle duzten. Gewohnheitssache. Auch damals herrschte nasskaltes Wetter. Trotzdem nutzten die Enkel die kostenlose Eis-Zeit voll aus, so dass der Opa ab und an schon eine ängstliche Warnung ausstieß, Bauchweh und andere Malaisen fürchtete. Nichts passierte. Im Kletterwald mimte Oma die notwendige Begleitperson zwischen Ast und Stamm. Opa fotografierte. Das Tret-Car mutierte zur Großeltern-Rikscha. Die Jungen kutschierten die Alten bei Wind und Wetter durch Allgäus Auen. Jeden Abend, kurz vor dem Verlöschen der Nachtlampen, warteten die Buben auf Opas »Vorstellung«. Der friemelte dann das weich geknetete Ohropax in seine Gehörgänge. Danach nur noch kurze Gebärdensprache.

Mit solchen erfüllten Land-Tagen kann eine Kreuzfahrt durchs Mittelmeer nicht konkurrieren. Trotz zig Angeboten, Badelandschaft und beklemmendem Überfluss. Gebucht hat der sparsame Franke nicht zuletzt deshalb, weil Kinder bis zum 17. Lebensjahr kostenlos mitschippern konnten. Immerhin, ob Jung oder Alt, alle genießen die Ausflüge an Land. Henri dolmetscht hemmungslos in Englisch oder Französisch. In Rom warnt der Opa eindringlich vor Taschendieben. Das Ergebnis: Nur ihm wurde sein kleiner Geldbeutel mit fünfzig Euro geklaut. Der Spott hielt sich in Grenzen. Nicht wenige Großeltern bevölkern mit ihren Enkeln den riesigen, mit 4000 Passagieren bestückten Koloss auf dem Wasser. Da finden sich dann die Jungen und die ältere Generation. Oma und Opa verstehen sich gut mit einem Großelternpaar aus der Region, das mit seinen Enkeltöchtern, Zwillingen in Henris Alter, auf dem Mittelmeer kreuzt. Fortan wird vieles gemeinsam unternommen. Am Ende resümiert allerdings der Großvater: »Ein zweites Mal brauch’ ich das nicht.« Dann schon lieber Berge statt Meer. Enkel Luis sieht’s genauso. In Südtirol erfüllt sich sein Traum. Endlich erlebt er, wie ganz langsam die Sonne hinter den Bergen verschwindet. Der Urlaub mit den Großeltern war wieder ein voller Erfolg.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Skip to content