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Neuer Fahrsimulator testet Mobilität von Senioren

Mobil im Alter trotz Arthrose und künstlichen Gelenken? Mit modernster Technik erlaubt eine neue Fahrsimulationssoftware die Beurteilung des Reaktions- und Bremsverhaltens älterer Probanden. Auch zeigt sie die Bewegungsfähigkeit von Senioren mit künstlichen Knie- oder Hüftgelenken während des Autofahrens auf. So gibt sie Aufschluss darüber, ob und wann ältere Menschen ab 65 Jahren wieder hinter dem Steuer sitzen dürfen.

Fahrsimulator
So real wie möglich: Im Fahrsimulator wird die Fahrtauglichkeit von älteren Menschen geprüft. Foto: Drumm/UKS

Mobil im Alter trotz Arthrose und künstlichen Gelenken? Mit modernster Technik erlaubt eine neue Fahrsimulationssoftware die Beurteilung des Reaktions- und Bremsverhaltens älterer Probanden. Auch zeigt sie die Bewegungsfähigkeit von Senioren mit künstlichen Knie- oder Hüftgelenken während des Autofahrens auf. So gibt sie Aufschluss darüber, ob und wann ältere Menschen ab 65 Jahren wieder hinter dem Steuer sitzen dürfen.
Für eine wachsende Zahl älterer Menschen ist in der heutigen Zeit der Erhalt der Mobilität ein zentraler Aspekt für Unabhängigkeit und Lebensqualität. Das betrifft zum einen die physische Bewegungsfreiheit, die in den vergangenen Jahrzehnten durch den Einsatz von Endoprothesen (künstliche Gelenke wie beispielsweise Hüft- und Kniegelenke) insbesondere bei älteren Patienten deutlich verbessert werden konnte.
Prof. Dr. Dieter Kohn, Direktor der Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie am Universitätsklinikum des Saarlandes UKS in Homburg, erläutert: „Die Endoprothetik ist eine der wesentlichen Errungenschaften der Medizin in den letzten 50 Jahren. Es gibt wenige gleich erfolgreiche Operationsverfahren. Niemand ist heute mehr gezwungen, Arthroseschmerzen zu erdulden oder aufgrund von Hüft- oder Kniearthrosen nur noch ein Leben im engsten Umkreis, gebunden an den Gebrauch von Stöcken oder gar eines Rollstuhls, zu führen. Das künstliche Gelenk stellt die Mobilität wieder her. Wissenschaftliche Grundlagen gibt es allerdings gerade in diesem Bereich wenige. Dies gilt auch für häufige und wichtige Aktivitäten, so z. B. das Führen eines Kraftfahrzeugs.“
Zum anderen setzt Mobilität jedoch auch voraus, dass eine objektive und subjektive Sicherheit für die Teilnahme am Straßenverkehr gewährleistet ist. Der soziokulturelle und wirtschaftliche Hintergrund der Verschiebung der Alterspyramide ist sicher vielschichtig, doch wirkt er sich auf die Siedlungsstrukturen und den Mobilitätsbedarf deutlich aus. Experten belegen einen großen Zuwachs der älteren Bevölkerung in ländlichen und suburbanen Regionen, die oftmals unter einem wirtschaftlich bedingten Rückgang öffentlicher Verkehrsmittel leiden.
Alleine in der Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie des UKS wurden 2012 ca. 400 Endoprothesenoperationen vorgenommen. Ein großer Teil dieser Patienten war hierbei noch aktiv am Straßenverkehr beteiligt und maßgeblich auf die Fortbewegung im Kraftfahrzeug angewiesen. Bei der Klärung der Frage nach dem Wiedererlangen der Fahrtüchtigkeit während der postoperativen Rehabilitationszeit äußert der Patient oftmals sogar schon vor der Operation einen eingehenden Beratungswunsch durch den behandelnden Arzt.
„Viele Patienten fragen uns in der Ambulanz sowohl vor als aber auch nach der Operation, wann sie wieder in der Lage sein werden, Auto zu fahren. Harte wissenschaftliche Daten fehlen diesbezüglich. Häufig treffen wir als Ärzte diese Entscheidung individuell. Durch den Fahrsimulator erhoffen wir, neue Erkenntnisse zu erlangen, damit wir die Nachbehandlung unserer Patienten weiter verbessern können.“ berichtet PD Dr. Konstantinos Anagnostakos, Geschäftsführender Oberarzt der Klinik, über den klinischen Alltag.
Die Mitarbeiter der Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie sowie des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz DFKI an der Universität Saarbrücken möchten mit dem hier vorgestellten Modell neue Erkenntnisse über die Fahrtüchtigkeit von Patienten mit Arthrose sowie nach endoprothetischen Eingriffen untersuchen.
„Eine zu frühe Wiederteilnahme der operierten Patienten am Straßenverkehr könnte womöglich in einer erhöhten Unfallrate resultieren. Allerdings gilt es nicht zu vergessen, dass eine verzögerte Wiederteilnahme mit einer reduzierten Lebensqualität der Patienten einhergehen kann,“ so Dr. Nora Diehl, Assistenzärztin und Studienverantwortliche der Klinik.
OpenDS – Fahrsimulationssoftware für die Forschung
Die flexible und erweiterbare Open-Source-Software ermöglicht virtuelle Autofahrten in einer realistisch simulierten 3D-Umgebung. Die Integration der Fahrsimulationen in die Fahrerkabine eines Smart erlaubt eine realistische Fahrphysik und vermittelt ein wirklichkeitsnahes Fahrgefühl. Die Testperson steuert einen virtuellen Wagen aus der Fahrerposition hinter dem Lenkrad und blickt dabei auf eine gewölbte Leinwand, auf der die Wegstrecke im Blickfeld als nahtlose Zylinderprojektion dargestellt wird.
Der realistische Testaufbau, bei dem die Testperson im Smart Platz nimmt, macht zunächst einfache Bewegungsabläufe erforderlich wie Einsteigen, das Lenkrad drehen oder die Pedale bedienen. Hinter dem Lenkrad erwarten den Probanden gezielte kognitive und motorische Tests. So muss mit dem sogenannten Three-Vehicle-Test der PkW in der Kolonne gesteuert und dabei das Verkehrsgeschehen in der simulierten Umgebung im Auge behalten werden. Gleichzeitig muss das Fahrzeug sicher geführt, in der Spur gehalten und abgebremst werden, wenn die Ampel rot zeigt. Beim conTRe-Test (Continuous Tracking and Reaction Task), der von der Automotive-Forschungsgruppe am DFKI entwickelt wurde, sind Koordinations- und Reaktionsaufgaben zu bewältigen: Im Sichtfeld des Nutzers werden zwei Balken eingeblendet, die durch Bewegung des Lenkrads übereinander zu legen sind. Die Tests werden protokolliert und die Ergebnisse können anschließend ausgewertet werden.
Die für die Patienten des Universitätsklinikums des Saarlandes konzipierten Testszenarien haben den Charakter einer Vorstudie: In einem nächsten Entwicklungsschritt soll z.B. der mechanische Widerstand der Pedale variabel einstellbar sein, um die vom Patienten aufgebrachte Muskelkraft zu messen und in einem nächsten Testlauf seinen Fortschritt zu dokumentieren. „Die Zusammenarbeit mit der Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie des UKS eröffnet uns die Chance, Open-Source-Software für ein konkretes Anwendungsszenario anzupassen, in der Praxis einzusetzen, zu verbessern und so einen Beitrag zur Mobilität älterer Menschen zu leisten.“, so Dr. Christian Müller, Senior Researcher und Leiter der Automotive-Forschungsgruppe am DFKI. Das zu erreichende Ziel wäre insbesondere das Klären zweier Kernfragen, die sich die Projektbeteiligten im Rahmen der Projektentwicklung stellten:
1. Führt die Arthrose der großen Gelenke der unteren Extremität eines PKW-Fahrers zu einer Gefährdung im Straßenverkehr?
2. Zu welchem Zeitpunkt ist ein Wiedererlangen der Fahrtüchtigkeit nach endoprothetischen Eingriffen gewährleistet?
Fundierte Kenntnisse über den korrekten Zeitpunkt der Wiederteilnahme am Straßenverkehr könnten dazu beitragen, die Lebensqualität der Patienten in der Rehabilitationsphase weiter zu steigern und das Unfallrisiko frisch operierter Personen zu reduzieren. Der Erhalt der Mobilität erhöht den Grad der Selbstständigkeit, was außerdem soziale Hilfs- und Pflegeeinrichtungen entlasten und somit zu reduzierten Kosten im Gesundheitswesen beitragen könnte.

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