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Senioren, alte Bäume und Tumbleweeds

vignette2012Hello all, „einen alten Baum verpflanzt man nicht“ heißt es beschwichtigend im Hinblick auf die Sesshaftigkeit von Senioren. Jedoch ist in dieser Hinsicht kein Verlass auf die Botanik: die „Salsola“, auch Tumbleweed oder russische Distel genannt, trennt sich nach der Reife von ihren Wurzeln und kullert fortan vom Wind getrieben über Steppe und Prärie. Eine in Westernfilmen oft zitierte Kameraeinstellung als Sinnbild für Freiheit, Einsamkeit, Weite.
tumbleweeds
Das passt damit zu manchen Seniorengruppen in aller Welt:
Erfolgreiche Kanadier, die während ihres Berufslebens dem harschen Klima in Manitoba, Saskatchewan oder den Northwest Terretories getrotzt hatten, ziehen mit Beginn des Ruhestandes tausende Kilometer nach Westen, gern nach Victoria, der Hauptstadt von British Columbia auf Vancouver Island. Andere wandern regelrecht aus, nach Mexiko, bevorzugt an die Seen von Jalisco oder ins tropische Yucatán. Auch in Belize in Zentralamerika bilden sich englischsprachige Kleinkolonien aus nordamerikanischen Ruheständlern. Ein radikaler Neustart, der jenen durch die meist leutselige Art der Gleichgesinnten leichter fällt, „making new friends easily“. Mich würde interessieren, wie sie das mit der weiteren Familie und alten Freundschaften in Einklang bringen.
Apropos Familie: Schwerer fällt solche Migration den Zig-Tausenden an Chinesen aus der Volksrepublik, Hong Kong oder Taiwan, die teilweise noch im hohen Alter die Heimat verlassen und im Zuge der Familienzusammenführung ihren nach Kanada emigrierten Kindern folgen: Ein Schritt, der viel Mut verlangt; von den Alten, die alles Gewohnte weit hinter sich lassen, oft nicht mehr Englisch lernen und künftig sich nur innerhalb der neuen China- Diasporas in Toronto oder Vancouver bewegen können. Aber auch von deren Kindern, da ab sofort die Eltern in vielen Situationen auf die sprachliche Unterstützung der Kinder und Enkel angewiesen bleiben.
Unter deutschen und britischen Ruheständlern sind die kanarischen Inseln, Andalusien und die Costa de Luz, Oberitalien oder Florida als Altersruhesitz beliebt. Weiße südafrikanische Senioren zieht es seit einiger Zeit vermehrt nach Australien und Neuseeland, wo sie sich ein ein Alter mit mehr persönlicher Sicherheit erhoffen, wieder in englischsprachiger und klimatisch ähnlicher Umgebung – buchstäblich auf der anderen Weltseite.
Nicht endgültig trennen sich die „hybriden Altersmobilen“ von ihren Wurzeln: Zu dieser Gattung gehören z.B. die in einem vorherigen Blog beschriebenen „Snowbirds“, die jeweils für ein halbes Jahr per Auto oder Motorhome gemächlich zwischen den Nord- und Südstaaten der USA pendeln. Eine noch mildere Form findet sich in den Langzeiturlaubern, die nur für mehrere Monate ihren Lieben zu Hause Ade sagen, um dann wieder an den alten Beziehungswurzeln andocken.
Welche diesbezüglichen Gene in einem selber stecken: die der überwiegend Sesshaften oder die der Wanderer oder der Eroberer mit „verbrannten Schiffen“ am Ufer und „abgerissenen Brücken“ hinter sich, erweist sich bisweilen erst im Alter. Mag schon stimmen, dass man alte Bäume nicht umpflanzen soll – jedoch nicht jeder Alternde fühlt sich wie ein Baum.
„Tumbling weed keep on running…“
Noch ein Grund, Altern auch als spannende Erfahrung zu erleben.
Ihr Global Oldie

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