Das Foto der erkrankten Auguste D., das vor mehr als 100 Jahren um die Welt ging, würde kaum ein Mensch mit dem romantischen Städtchen Marktbreit am Main in Verbindung bringen. Und doch, es gibt eine Verbindung. 1906 diagnostizierte Alois Alzheimer an der 56-jährigen Auguste D. ein Hirnleiden, die später von Emil Kraeplin so genannte Alzheimersche Krankheit. Auch wenn der Arzt zu dieser Zeit seinen Geburtsort lange hinter sich gelassen hatte, Aloysius Alzheimer, so sein Geburtsname, wurde am 14. Juni 1864 in Marktbreit in der heutigen Ochsenfurter Straße 15a geboren. Die Bevölkerung selbst wusste lange nicht, welch berühmten Sohn sie da in ihren Mauern beherbergt hatte. Denn erst 1989 wurde im Rahmen eines Symposiums zum 125. Geburtstag des Wissenschaftlers bekannt, dass er ein Sohn der Mainstadt war. Heute gehört das Geburtshaus Alzheimers, das zu einer Gedenk- und Tagungsstätte umgebaut wurde, sicherlich zu den Sehenswürdigkeiten, die kein Besucher versäumt haben sollte.
Und Sehenswürdigkeiten hat die 3700 Seelenstadt viele zu bieten, die zu den wärmsten und trockensten Regionen Deutschlands gehört. Auf die ersten trifft man schon vor den Stadttoren, am Ufer des Mains. Dort steht ein gut restaurierter Tretrad-Kran, mächtig, aber funktionslos im kleinen Mainhafen. Das heutige Industriedenkmal ließ Fürst Johann I. zu Schwarzenberg 1784 bauen. Im Inneren steht ein gut erhaltenes Doppelräder-Triebwerk. Gleich daneben befindet sich das 1745 erbaute »Schwarzenberger Lagerhaus«, das im Zweiten Weltkrieg zerstört, und 1951 wieder aufgebaut wurde. Seit 2003 dient das alte Lagerhaus als Stadthalle.
Beide Bauwerke verweisen auf die Bedeutung der Mainstadt als Handels- und Verkehrsstandort. Sie ergab sich aus der 1557 durch König Ferdinand I. ausgesprochenen Erhebung des Ortes Niedernbreit zum Marktflecken Marktbreit. Im Ort durften seit dieser Zeit Wochenmärkte sowie vier große Jahrmärkte abgehalten werden. Außerdem wurde es Marktbreit erlaubt, ein Ortswappen zu führen, in dem sich die Figur des Stadtpatrons, des Heiligen Georg, befindet.
Diese obrigkeitsstaatlichen Maßnahmen hätten aber nicht eine so durchschlagende Wirkung gehabt, wäre da nicht die geografisch günstige Situation. Marktbreit liegt am südlichsten Punkt des Maines, von dem aus die kürzeste Landverbindung zur Donau besteht. Die merkantile Bedeutung des Ortes lässt sich unter anderem aus der Tatsache ermessen, dass noch 1842 über 11.000 Zentner Kaffee im Hafen umgeschlagen wurden. Als dann die ersten Eisenbahnlinien im nordbayerischen Raum gebaut wurden, ging es stetig bergab. Den endgültigen Todesstoß erhielt der Fernhandel auf dem Main mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie Würzburg-Ansbach im Jahre 1864.
Das Wasser des Mains war nicht nur Segen, sondern auch Fluch, weil die Launen der Natur dem Ort immer wieder verheerende Hochwasser bescherten, so zum Beispiel im Jahr 1784. So stoßen die Besucher beim Rundgang auf Markierungen an Häuserwänden, die die Hochwasserstände der vergangenen Jahre anzeigen. Da half die Stadtummauerung wenig, die heute noch gut erkennbar ist. Einen Eindruck von der ehemaligen Befestigung gibt das »Maintor«, durch das man die Stadt vom Fluss her betritt. Es ist das letzte Tor der Stadtmauer, das im Jahr 1600 fertig gestellt wurde. Von hier aus gelangt man mit ein paar Schritten zum Marktplatz, dem Kreuzungspunkt der alten Hauptstraßenzüge.
Rathaus im Renaissance-Stil
Bevor man diesen allerdings erreicht, hat man die ganze Pracht und Herrlichkeit des Ortes beinahe in einer Straße fokussiert, der Marktstraße. Gleich nach dem Stadttor befindet sich rechter Hand das im Renaissance-Stil 1579 bis 1581 erbaute Rathaus. Bemerkenswert neben dem prachtvollen Bau ist die Festdiele im ersten Obergeschoss, die heute als Trausaal genutzt wird, und ein reich vertäfelter Ratssaal. Schräg gegenüber, an der Ostseite des Marktplatzes steht das »Haus zur Groe«, ein barockes Handelshaus, 1752 erbaut vom Kaufmann und damaligen Bürgermeister Georg Günther. Ebenfalls auf der Ostseite des Platzes, nur durch eine Straße getrennt, befindet sich das von der jüdischen Familie Wertheimer zwischen 1719 und 1725 im Stil des »Würzburger Barock« errichtete »Wertheimhaus«.
Dieses schöne Handelshaus verweist auf ein relativ friedliches (und erfolgreiches) Zusammenleben der christlichen Bevölkerung mit den Juden am Ort, bereits im frühen 18. Jahrhundert. Das ist erstaunlich, da Marktbreit – im Gegensatz zu dem nicht weit entfernt Iphofen, das von Fürstbischof Julius Echter zur Stärkung des katholischen Glaubens mit Geld reich beschenkt wurde – seit der Reformation evangelisch-lutherisch war und bis heute in der Mehrheit geblieben ist.
Der Handelsort Marktbreit musste und muss seine Gäste bewirten. Deshalb findet sich am Marktplatz das Hotel »Löwen«. Die »Fürstlich Schwarzenbergische Herberge« stammt ursprünglich aus dem 15. Jahrhundert und behauptet von sich, das zweitälteste Gasthaus in Bayern zu sein. Das Zierfachwerk des Hauses stammt aus dem 18. Jahrhundert. Der Marktstraße durch eng beieinander stehende Häuser etwa einhundert Meter folgend, öffnet sich der Schlossplatz mit dem siebenstöckigen Seinsheimischen Schloss. 1580 von Georg Ludwig v. Seinsheim als Alterssitz erbaut, diente es die meiste Zeit als Amtshaus Bayerns, war ab 1806 Amtsgericht und wurde später von der Stadt Marktbreit genutzt. Wer sich nicht bereits auf dem Platz vor dem Schloss für eine Einkehr niederlassen will, dem sei ein Spaziergang entlang der Stadtmauer empfohlen, der auch am im 16. Jahrhundert angelegten Gemeindefriedhof mit reizvollen Epitaphien und dem romantischen Malerwinkelhaus vorbeiführt.
»Frauenzimmer« in der Kleinstadt
Das im 17. Jahrhundert errichtete Handelshaus wird heute als Museum genutzt, das unter anderem die Dauerausstellung »Frauenzimmer – Lebensstationen in einer fränkischen Kleinstadt« enthält. Diese beschäftigt sich mit dem Leben von Frauen aus Marktbreit, die zwischen 1875 und 1925 geboren wurden.
Wem dies alles noch nicht reicht, dem seien die verschiedenen Rundwege (siehe Info) zwischen 2,5 und 4 Kilometern Länge, unter anderem zu den Überresten eines 1985 entdeckten Römerlagers, oberhalb von Marktbreit empfohlen. Wenn sich dann langsam ein Hungergefühl einstellt, empfiehlt es sich, die Stadt Richtung Main zu verlassen, diesen zu überqueren und im Nachbarort Segnitz im Gasthaus »Zum Goldenen Anker« einzukehren. In dem über 400 Jahre alten Haus und draußen, in einem bezaubernden Garten, werden nicht nur gut zubereitete Fische aus dem Main angeboten, sondern auch Schlangenfleisch, Känguru und andere exotische Spezialitäten.
Rainer Büschel