Meine Krankenkasse riet mir neulich, ich solle mehr Videogames spielen. Das trainiere das Gedächtnis, verlangsame den Alterungsprozess des Gehirns, helfe bei Depressionen und Einsamkeitsgefühlen und setze bei Erfolgserlebnissen das Glückshormon Dopamin frei.
Nun ja, mir mussten sie das eigentlich nicht sagen. Ich daddel gerne mal. Deshalb kann ich da sogar noch Hilfreiches hinzufügen. Mit Videogames kann ich nämlich zudem auch meine Allmachtsphantasien und Autokratengelüste ausleben. Zum Beispiel, indem ich einen Barbarenstamm mit Investitionen in saubere Schultoiletten zur Weltmacht führe. Sogar den »Club« habe ich schon in die Champions League gehievt. Da haut es einem das Dopamin nur so raus. Auch als Gans ein ganzes Dorf möglichst effektiv zu nerven, bereitet mir neuerdings tierische Freude.
Nichts ist es allerdings mit den positiven Gesundheitseffekten, wenn man schon an einer komplizierten Steuerung scheitert, permanent verliert oder dauernd aufgefordert wird, seine Kreditkartennummer einzugeben.
Beim aktuell beliebtesten Spiel »Minecraft« habe ich regelmäßig schon in der ersten Nacht den Löffel abgegeben. Bei »Fortnite« waren es die Husks, die mich killten. Bei »Civilization« wiederum war ich gerade dabei, meinen ersten Bogenschützen auszubilden, da standen die Zulus bereits mit einer Armee vor meiner Hauptstadt und haben diese platt gemacht. Dopamin bleibt da natürlich ein Fremdwort.
Nachgerade in Verzweiflung gestürzt hat mich jedoch »Social Democracy«. Hier übernimmt man im Jahr 1928 die SPD und muss durch geeignete Entscheidungen verhindern, dass die Nazis an die Macht kommen. Das Spiel gibt es nur auf Englisch. Ist wohl auch besser so. Ich habe es jedenfalls trotz niedrigstem Level und mehrfacher Versuche nicht geschafft, nach der Wahl 1933 den Satz »Germany is lost« zu vermeiden. Das zieht wirklich runter. Da überlegt man sich vor lauter Depression sogar auszuwandern. Aber zahlt das die Krankenkasse?
PETER VIEBIG