Zweimal pro Woche radelt Günter Heckl mit dem Mountainbike von der Fürther Hardhöhe zur Schleuse Eibach in Nürnberg – das sind 18 Kilometer einfach. Unermüdliche Bewegungsfreude und Naturverbundenheit – diese Eigenschaften charakterisieren den 80-Jährigen schon sein ganzes Leben. Sie machen ihn zur Idealbesetzung für seine ehrenamtliche Aufgabe als Naturschutzwächter bei der Stadt Nürnberg.
Er geht unter anderem im Steiner Faberpark Streife, am Regnitzgrund zwischen Reichelsdorf und Katzwang und eben am Main-Donau-Kanal bei Eibach und dem angrenzenden Forst, in dem 60 Vogelarten heimisch sind.
Deutschlandweit die einzige stabile innerstädtische Kreuzotter-Population
In seiner Funktion hat es ihm eine Tierart besonders angetan, für die sich nicht alle Menschen erwärmen können: Er setzt für den Schutz von Kreuzottern ein. Nach Schätzungen von Experten leben zwischen Eibacher Schleuse und Sauerbruchstraße rund 40 Exemplare der stark bedrohten Art – es handelt sich um die deutschlandweit einzige stabile innerstädtische Kreuzotter-Population. Eine Seltenheit, die auch immer wieder Wissenschaftler aus der ganzen Republik anzieht, die die Reptilien kartieren und zu Forschungszwecken beobachten.
Damit die Schlangen auf der unscheinbaren Böschung sonnige Plätzchen, Unterschlupfmöglichkeiten und genug Nahrung finden, hat Heckl am Damm entlang des Kanals Reisig-, Stein- und Sandhaufen sowie Heunester angelegt. Auf letzteren nehmen die Kreuzottern gerne ein Sonnenbad. Dann können auch Spaziergänger die scheuen Reptilien beobachten. Auch Eidechsen und Wildbienen finden ideale Bedingungen. Was Heckl wichtig ist: »Die Leute dürfen die Tiere gerne anschauen, aber ihnen auf keinen Fall nachstellen, etwa um noch schnell ein Foto zu machen.«
Vorher glich das Gebiet einem Müllplatz
Um den Lebensraum von Tieren und Pflanzen zu schützen, ist Heckl engagiert bei der Sache – mit sichtbarem Erfolg. So hat er sich dafür stark gemacht, dass der Waldrand an einer nahe beim Kanal gelegenen, viel befahrenen Straße durch einen Zaun geschützt wird. Vorher glich das Gebiet einem Müllplatz voller Exkremente und Abfall. Jetzt hat es sich in ein artenreicheres Terrain entwickelt. Hasen, Füchse, Rehe und Biber sind heimisch geworden. Hier pflegt der Naturschutzwächter einen kleinen Weiher, schneidet ihn im Herbst frei, damit sich Wasserpflanzen und Tiere am und im Wasser im Frühjahr ausbreiten können. »Im Sommer schwirrt es nur so vor Libellen, im Biotop gibt es kleine Fischchen und Frösche«, freut sich Heckl – seine Augen leuchten, wenn er von den Tieren erzählt.
Die Böschung nicht betreten
Um Menschen für die Umwelt und ihren Schutz zu sensibilisieren, tut er vor allem eines: reden. Er weist Spaziergänger darauf hin, dass sie die Wege entlang des Kanals in der Brut- und Schonzeit nicht verlassen und die Böschung nicht betreten dürfen. Und er bittet Hundebesitzer, ihre Vierbeiner an die Leine zu nehmen, damit sie Kreuzottern und anderes Getier nicht verschrecken. Interessierten erzählt er von den seltenen Schlangen und räumt mit Mythen auf – etwa, dass ihr Biss immer lebensbedrohlich sei. Meist verursacht das Gift nur Übelkeit und Kreislaufbeschwerden. Der letzte Todesfall liegt Jahrzehnte zurück. Die Reptilien setzen ihr Gift laut Heckl zur Verteidigung außerdem selten ein – meist ist das nur der Fall, wenn sie ein zweites Mal zuschnappen, weil ihre Drohung beim ersten Mal nicht verstanden worden ist.
Der 80-Jährige weiß, dass er hier viel Aufklärungsarbeit leisten muss. Viele Menschen haben große Vorbehalte gegen die Reptilien. Vor einigen Jahren haben Unbekannte in Eibach sogar sieben Schlangen erschlagen. Der Nürnberger Stadtrat hat darauf eine Kreuzotterschutzverordnung erlassen. Kurz darauf war Heckl erstmals als Naturschutzwächter am Kanal im Einsatz.
Zusammenleben von Schlangen und Menschen hat sich spürbar entspannt
Beworben hatte er sich für das Ehrenamt, weil sich dabei der Kontakt zu Menschen und Natur verbinden lassen. Bei all seinen Begegnungen mit Spaziergängern, Hundehaltern, Freizeitsportlern und Jugendlichen strahlt der vitale 80-Jährige eine natürliche Autorität aus. Wie man höflich und bestimmt zugleich auftritt, hat er einst als Ordner im Gästeblock beim 1. FC Nürnberg und natürlich als kaufmännischer Angestellter im Außendienst gelernt. »Da gewöhnt man sich einen verbindlich-resoluten Ton an«, sagt Heckl. »Aber mir ist es immer wichtig, dass wir im Guten auseinander gehen, die Leute sollen nicht verärgert heimgehen«, sagt er. Tatsächlich hat sich seiner Einschätzung nach das Zusammenleben von Schlangen und Menschen spürbar entspannt, seit Heckl hier auf Streife geht und – wo es nötig ist – das Gespräch sucht, verwarnt, aufklärt. »Die Menschen sehen: Hier ist jemand, der aufpasst.«
Als Naturschutzwächter ist er dreimal die Woche fünf Stunden auf Streife. Wenn er sein ganzes Zuständigkeitsgebiet abfährt, legt er 80 Kilometer zurück. »Ich habe ein angeborenes Helfersyndrom und mache das aus einem inneren Drang heraus«, sagt der agile Senior lachend. Er könnte auch kleinere Runden drehen, aber er will sein Revier in Ordnung haben.
Der ehemalige Leistungssportler hat bis heute eine bewundernswerte Kondition. »Ich war immer am Rumrumpeln«, sagt er. Jahrelang in der Läuferszene aktiv, hat Heckl zahlreiche Marathons, Triathlons, Stadtläufe sowie Wettkämpfe beim LAC Quelle Fürth absolviert. Auch als Bergsteiger ist er seit jeher aktiv und hat Berge bis 6500 Meter bestiegen. Dreimal war er auf dem Mont Blanc, zweimal auf dem Großglockner, die Zugspitze hat er von allen Seiten erklommen. Als »eine Art Frühsport« hat er zudem 30 Jahre lang nachts die Nürnberger Nachrichten zugestellt. Auch heute noch, in seinem vorgerückten Alter, joggt er mal eben zehn Kilometer.
Niemand fühlt sich zuständig
Mit dem gleichen Eifer dokumentiert er seine Tätigkeit als Naturschutzwächter. In fünf prall gefüllten Ordnern hat er seine Streifenberichte abheftet. Mit roten Einmerkern markiert er besondere Vorkommnisse. Etwa wenn Jugendliche ein Lager samt Feuerstelle im Wald gebaut haben. Er sorgt dann dafür, dass es schleunigst abgebaut wird, damit sich die Natur wieder ungestört ausbreiten kann. Oder wenn – wie leider so oft – jemand Sperrmüll im Forst ablädt. Meist bleibt es an Heckl hängen, den Schrott abzutransportieren, weil sich sonst niemand zuständig fühlt. Ein Ende bereitet hat er auch einem Sextreff, der sich am Marthweg etabliert hatte. »Das geht natürlich nicht im Naturschutzgebiet«, sagt Heckl bestimmt. Zwei- bis dreimal spricht er in solchen Fällen eine Verwarnung aus, wenn das nicht hilft, informiert er die Polizei.
Die Natur brauche dringend Unterstützung. »Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern schon zehn nach zwölf«, sagt er und zeigt auf ein kleines Feuchtbiotop, in dem jüngst Unbekannte Ölkanister abgekippt haben. Seither ist alles Leben abgestorben. Hier müsse jetzt die Untere Naturschutzbehörde tätig werden. Darauf vertraut er, die Kooperation sei ausgesprochen gut. Heckl hat schon Meldung gemacht und hofft auf eine rasche Sanierung des Feuchtbiotops, damit Kröten und Co. es wieder bevölkern.
Dass die Stadt die Naturschutzwacht, die es seit 1983 in Nürnberg gibt, jetzt auf 20 Stellen aufgestockt hat, freut Heckl sehr. »Das zeigt, dass man unsere Arbeit anerkennt und weiß, dass wir etwas bewegen.« Er selbst will weitermachen, solange es seine Kräfte zulassen. Nicht nur für ihn, sondern auch für die Natur kann man nur hoffen, dass das noch lange der Fall ist.
Text: Alexandra Voigt
Fotos: Michael Matejka, Photocase.de – taviphoto
So erkennt man eine Kreuzotter:
- wichtigstes Merkmal ist das dunkle gezackte Rückenband auf hellem Grund. Die Färbung der Weibchen ist meist etwas gedeckter und geht mehr ins Bräunliche
- sie wird kaum länger als 70 cm
- senkrecht geschlitzte Pupillen und dreieckig abgesetzter Kopf
- gedrungener Körper und kurzer Schwanz