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Bernd Regenauer genießt das Privileg des Alters, sich nichts mehr beweisen zu müssen. 

Bernd Regenauer, Kabarettist, Autor und Schauspieler aus Nürnberg, steht seit über 40 Jahren auf der Bühne. Er hat den Nützel erfunden sowie die Metzgerei Boggnsagg und die fränkische Oper »Zum goldenen Giger« geschrieben. Am 30. Juli wird er 67 Jahre alt. Wir sprachen mit dem fränkischen Künstler über das Älterwerden. 

sechs+sechzig: Sie können auf rund 30 Bühnenprogramme zurückblicken. Wie haben Sie das geschafft? Haben Sie ihre Gesundheit strapaziert, gab es Schaffenskrisen? 

Regenauer: Zunächst mal bin ich dem Leben zutiefst dankbar, dass ich seit 40 Jahren meinen Beruf ausüben darf und dass er mich noch dazu gut ernährt hat – um die Hüfte rum manchmal fast zu gut. Mein tiefer Dank gilt aber auch meinem Publikum, das mir über all die Zeit hinweg treu blieb. Das Leben ist jedoch ein Yin und Yang oder Auf und Ab. Und den vielen Erfolgen und künstlerischen Freiheiten stand entsprechend immer wieder ein enormer Druck gegenüber. Kreativität ist nicht per Mausklick abrufbar – Fristen, Premierentermine und Auftragsarbeiten verlangten ein perfektes Ergebnis; mein Eigenanspruch tat sein Übriges. Und ein gelungenes Erfolgsprogramm war gleichzeitig schon wieder Hypothek fürs nächste – das musste schließlich seinen Vorgänger toppen, sonst hieße es ja: »Der Regenauer bringt‘s nicht mehr!«. Der Preis waren ein paar Depressionen nebst Burnout und einhergehender Schaffenskrise. Ich lernte aber, ziemlich gut damit umzugehen. Und jetzt genieße ich das Privileg des Alters, sich nichts mehr beweisen zu müssen. 

Fühlen Sie sich schon »alt« und wollen kürzertreten oder starten Sie noch mal neu durch? 

Mein biologisches Alter bringe ich noch nicht mit meinem Ist-Zustand in Verbindung, was mich durchaus freut. Auch wenn sich langsam das eine oder andere Zipperlein einschleicht, so fühle ich mich dennoch auf wohlige Art lebendig. Menschen, die fortwährend ihre Entjüngung beklagen, sage ich: Jeder Tag, den man altert, ist ein Tag, an dem man länger am Leben ist, also eigentlich ein Grund zur Freude. Gespräche über Krankheiten nicht zu sehr in den Vordergrund rücken, neugierig und offen auf alles bleiben, den Humor hochhalten, sich bewegen, den geistigen Austausch pflegen, sich nicht ernster als nötig nehmen und weiterhin einen wachen Blick auf die Geschehnisse werfen, das sind meiner Meinung nach die besten Medikamente gegen trübes Vor-Sich-Hin-Altern. Ich habe ja auch noch durchaus Pläne. Ein größeres Projekt wird mich jetzt über mindestens 2-3 Jahre hinweg beschäftigen. 

Sind Falten störend oder doch auch attraktiv? Bedeutet Älterwerden für Sie einen Zuwachs an Weisheit oder schleichenden Verfall? 

Wenn mich nach dem Aufstehen die Face-ID meines Smartphones noch erkennt, ist erst mal alles Wesentliche in Ordnung. Falten sind Lebenslinien, Lachfalten was Wunderbares, und Sorgenfalten gehören halt auch dazu. Es sollte einem wurscht sein, ob der Betrachter das attraktiv findet oder nicht. Dass unsere Gesellschaft nach wie vor einen sehr verkrampften Umgang mit dem Alter, mit Sterben und dem Tod hat, füllt einzig nur die Kassen all der Ärzte und Cremeproduzenten, die sich dem Äußeren verschrieben haben. Unsere Gesellschaft propagiert leider einen krankhaften Perfektionismus. Jeder will Individualist sein, sich dabei aber möglichst wenig vom gerade gängigen Muster unterscheiden. Absurd. 

Lebensreife ist für mich ein ständiger Prozess. Dabei sind alle Fehler, Umwege, Widersprüche und Irrtümer, die zwangsläufig dazu gehören, eingeschlossen und erlaubt. Meiner Meinung nach ist der gerade Weg längst nicht der beste. Leben lebt von Farbigkeit und Widerspruch. 

Die Welt ist voller Lärm. Brauchen Sie Stille, um sich zu erholen? Ist Religion für Sie wichtig? 

Alles zu seiner Zeit. Ist mir nach Landschaft und Ruhe, suche ich die Stille. Ich kann aber auch an lebendigem Treiben meinen Spaß haben, an Geselligkeit. Und gute Musik darf auch mal laut sein. Religion dagegen ist mir tatsächlich nicht wichtig. Und bisher komme ich innerlich ohne Glauben gut zurecht. 

Abschiednehmen, Krankheit, Einsamkeit sind Wegbegleiter des Alters. Haben Sie schon mal daran gedacht oder bisher weggeschoben? 

Das Abschiednehmen habe ich mit meinem Vater, meinem Bruder und meiner Mutter lernen müssen und dabei erfahren, dass es neben aller Trauer auch zu mehr Tiefe und Reflexion dem eigenen Leben gegenüber führen kann, also auch was Bereicherndes hat. So wie nach meiner Erfahrung schwierigste Lebensmomente sehr häufig eine nachgereichte Sinnhaftigkeit beinhalten, die im Moment des Erlebens natürlich noch nicht erkennbar ist. Yin und Yang eben. 

Was die Krankheiten betrifft, versuche ich, halbwegs bewusst und gesund zu leben. Halbwegs! Das Rauchen habe ich vor vier Jahren beendet und mir damit immerhin das Dümmste vom Hals geschafft. Der Wein schmeckt mir nach wie vor. Ich bin kein Freund von starrem Regelwerk, eher ein Genussmensch. Oder genauer gesagt Suchtmensch, wobei ich mir zuliebe immer gerade noch rechtzeitig auf die Bremse stieg. 

Einsamkeit kann viele Gründe haben. Ist kein Partner mehr vorhanden und viele im Umfeld bereits verstorben, kann das schnell dahin führen. Kinder, die sich aus jedweden Gründen nicht kümmern können oder wollen, Armut, Unbeweglichkeit, Depression, Demenz usw. – alles Dinge, die im Alter Einsamkeit begünstigen können. 

Sie sind in zweiter Ehe verheiratet und haben einen Sohn. Was bedeuten Ihnen Familie, Freunde, Hobbies? 

Ich war lange Jahre ein überzeugter und engagierter Familienmensch. Die Trennung damals war ein schwerer, aber nach meiner Ansicht unweigerlicher Schritt. In zweiter Ehe ist jetzt der Familiengedanke dem Streben nach guter Partnerschaft, nach Vertrauen und Nähe gewichen. Und meinem Sohn gegenüber übe ich mich in der Kunst des Loslassens. Er muss und soll seinen eigenen Weg finden. Freunde waren mir immer wichtig. Ich war auch immer ein Mensch, der Kontakt zu Menschen sucht. Mein Beruf brachte es mit sich, dass ich sehr viele »Freunde« hatte, von denen aber längst nicht alle Freunde waren. Inzwischen weiß ich das gut zu unterscheiden. 

Ich wandere gerne, und tue das fast wöchentlich mit meiner Frau, ich besuche Kulturveranstaltungen, spiele Klavier, koche gern, hab endlich Zeit für Reisen und Fotografie, möchte wieder mit dem Malen beginnen, liebe Spieleabende oder Schafkopf oder Skat oder Poker mit Freunden oder alles zusammen, gehe sehr gerne gut essen und freue mich über jeden Tag, an dem ich bei Sonne und einem guten Glas Wein auf meiner Terrasse sitzen kann. 

Könnten Sie sich vorstellen, dass sie später nur noch Kabarett für ältere Menschen machen? 

Darüber muss ich mir keine Gedanken machen, denn meine Fangemeinde altert parallel und zeitgleich mit mir mit. Wir sind da in gewisser Weise eine Schicksalsgemeinschaft. Wenn ich nicht mehr sein sollte, werden die sich organisieren und dann vermutlich meine Texte weiter aufsagen, und das vielleicht besser als ich. Ich hätte nichts dagegen. 

Interview: Horst Mayer
Foto: Michael Matejka

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