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Zoom Dysmorphia als Coronafolge

Hello All,

eine gewisse Genugtuung kann ich mir nicht verkneifen, wenn ich von Gesundheitsstörungen lese, die im Alter seltener auftreten als in den besten Jahren. Dazu gehört die Dysmorphia. Psychiater bezeichnen damit das krankhaft gestörte Verhältnis zum Selbstbild als „BDD“, Body Dysmorphia Disorder. Mediziner beschrieben die neurotische Unzufriedenheit mit dem Spiegelbild als typisches Teenagerphänomen. Bei jungen Männern ausgelöst durch Pickel, zu kleinem Gemächt oder zu schmale Schultern; während heranwachsende Frauen eher mit der Selbstwahrnehmung ihrer Brüste, Lippen oder Beine bis zur Neurose haderten.  Ausgelöst durch selbstkritische Betrachtungen im Spiegel oder gar Mobbing. Alles andere als harmlos.

Covid-19 hat in den vergangenen zwei Jahren eine Mutation des BDD begünstigt. Es entstand die Variante der Zoom-Dysmorphia. Diese offizielle Bezeichnung stellt keine Schleichwerbung für einen bestimmten Anbieter dar; sie ist generisch zu verstehen. Viele Home-Office Arbeitenden sitzen zwischen 20 – 40 Stunden wöchentlich in Zoom, Workplace  oder Microsoft Teams-Sitzungen vor ihren Desk- und Laptops. Sie sehen neben ihren Gesprächspartnern sich selbst täglich stundenlang in einer der Bildschirm-Kacheln, mal gnädig klein, mal unbarmherzig groß.  Doch anders als im häuslichen Spiegel der Garderobe oder im Schlafzimmer fokussiert die Webcam das Gesicht, aus einem wenig schmeichelnden, typischen Webcam-Winkel, direkt frontal und leicht von unten. In der Arbeitshaltung vor dem Desk- oder Laptop wirken Hals und Kinn vergrößert, die Nase prominenter und die Augenpartie leicht unterbelichtet. Je nach Lichtquelle glänzt die Haut übergebührlich; kleine Falten werfen lange Schatten aufs Gesicht. Gleichzeitig suchen die Videokonferenzteilnehmer unbewusst nach non-verbalen Signalen in der Mimik, Gestik und physischer Verfassung der Gesprächsteilnehmer, um die verbale Kommunikation besser zu deuten.

Das schärft den kritischen Blick – auch aufs eigene Dauerportrait. Mit dem Risiko, dieses nicht im Einklang mit dem erwünschten Selbstbild zu sehen. “Ich bin häßlich, ich wirke zu angespannt, ich komme unvorteilhaft rüber”, etc. Was Kosmetikindustrie, Frisöre, Schönheitssalons und Gesichtschirurgie zusätzliche Nachfrage bringt, geht teilweise auf tief dringendes seelisches Leid der Konferierenden zurück. Besonders, wenn diese Corona-bedingt anderweitig sozial isoliert leben müssen. Empirische Studien gehen von bis zu 2 % von Zoom-BDD Betroffener* aus.  Überwiegend trifft es jüngere Menschen zwischen Mitte Zwanzig bis Mitte Vierzig, aus der Generation der aufstrebenden Leistungsträger. Damit verbreitet sich still eine weitere globale Gesundheitsstörung in Folge von Covid-19, selbst unter Geimpften und anderweitig Fitten.

Der Zoom-Dysmorphia waren zwei kalendarisch ältere Schwestern vorausgegangen, die Selfie Dysmorphia und die Snapchat Dysmorphia. Mit dem Unterschied, dass die via Snapchat et alia verbreiteten Selfies freiwillig in die Welt gesetzt werden. Bisweilen idealisierend mit Airbrush und anderen Tools retuschiert und optimiert, um so den Absender besser aussehen lassen können als im echten Leben. Was wiederum bei den Betrachtern den Leistungsdruck zusätzlich erhöht, selbst “gut auszusehen”.  Solche digitalen Optimierungsmöglichkeiten bieten Zoom und Co. nicht.

Zoom Dysmorphia scheint eine Plage zu sein, die uns Ältere weitgehend unbehelligt lässt. Zum einen, weil nur die wenigsten Senioren stundenlang in Videokonferenzen auf ihre Portraits starren; zum anderen, weil Alte mit ihrem Selbstbild toleranter umgehen. Es hat auch Vorteile, das Altern. In diesem Sinne,

Ihr Global Oldie

*Siehe z.B. American Academy of Dermatology Association,  2. April 2021 : New research focuses on a growing pandemic problem — “zoom dysmorphia”

Hannah Frishberg, in New York Post. September 2, 2021 : Insecurities from ‘Zoom Dysmorphia’ are long-lasting: study

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