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Wie haben wir es damals bis Indien geschafft?

Reiseabenteuer damals, festgehalten auf Papierfotos oder Dias: Hintere Türkei 1973, der Auspuff des Käfers war hinüber. Die gefundene Werkstatt hatte Probleme mit der Anhängerkupplung. Doch schließlich ging alles gut – und es hatte nicht mal was gekostet.

Wenn man schon nicht reisen darf, dann gewinnt die Erinnerung an Bedeutung. Und es fällt einem auf, wie anders das Reisen in früheren Jahren war. Beschwerlicher, aber auch abenteuerlicher. Unser Autor Werner vom Busch erinnert sich in diesem Beitrag, wie es einst war, ein exotisches Fernreiseziel anzusteuern.

Da saß ich nun im General Post Office in Bombay (heute Mumbay) und wartete auf meine Telefonverbindung nach Deutschland. Nach gut zweieinhalb Stunden deutete der schnauzbärtige Postbeamte auf eine Zelle und stellte das Gespräch durch. Die Sache mit Deutschland war telefonisch schnell geregelt, und nach etwa drei Minuten hängte ich den Hörer zurück in sein altmodisches Gestell – und zahlte weit über zwanzig Mark. Wir schrieben das Jahr 1973. Es war dies meine erste Fernreise und ich gerade einmal 26 Jahre alt.

E-Mails, Whatsapp und Google waren noch nicht erfunden

Wie war das früher auf Reisen? In Indien überfiel mich, besonders als ich mit »Delhi Belly« (Diarrhoe) und 39 Grad Fieber im Bett lag, das Gefühl grenzenloser Einsamkeit. An mich gerichtete Briefe, deren ich etliche bekam, lagen in den Postämtern großer Städte »Poste restante«. Nein, man hatte so gut wie keinen Kontakt nach Hause, und wenn es wirklich finanziell brenzlig wurde, gab es ausschließlich die telegrafische Überweisung aus Deutschland. E-Mails gab es nicht, Whatsapp war noch nicht erfunden, Google ein unbekannter Begriff.

1975 flog ich erstmals nach Griechenland, um von Piräus mit der Fähre weiter nach Ios zu fahren. Dort standen am Hafen alte Weiblein, die ihre »Rooms« anpriesen. Ihnen folgte man auf Gedeih und Verderb und mietete dann, für billiges Geld, ein Kämmerchen mit oder ohne Aussicht und Brunnen als Waschgelegenheit im Garten. Freilich gab es auch da schon schönere Zimmer, aber die kosteten dann stolze 20 Mark pro Nacht, und das wollte überlegt sein.

Auf der Fähre mit Rucksacktouristen

Handeln gehörte in der Türkei zur Tradition: »Den Punkt erreichen, dass der Verkäufer nicht mehr lacht. Dann ist es der richtige Preis.«

Mein Tagessatz für Griechenland damals lag bei 25 bis 30 Mark (all included), und ich erinnere mich gerne an die langen Fährfahrten nach Kreta, Samos oder Rhodos in Gesellschaft von vielen weiteren Rucksacktouristen und -touristinnen. War Reisen früher besser, schöner, billiger? Abenteuerlicher allemal. Informationen über das angesteuerte Land gab es bestenfalls in Kunst-Reiseführern, die sich jedoch mit so schlichten Fragen, wie man billig vom Flughafen in die Innenstadt kam, nicht befassten.

Zur Freude von Asien-Reisenden erschien 1977 »South East Asia on a Shoestring«, von Tony Wheeler. Damit gab es erstmals einen Führer, der sich mit so banalen, aber wichtigen Fragen wie »Essen«, »Übernachten« oder »Zugreisen« beschäftigte, allerdings nur sehr knapp. Der ganze Führer umfasste für zehn Länder knapp 300 Seiten. Insgesamt war die Informationslage also eher dürftig.

Bei meiner Reise nach Mexiko im selben Jahre war ich bei Herbergssuche und Reiserouten auf Tipps von anderen Rucksackreisenden angewiesen. So kam ich eher per Zufall auf die Karibikinsel Cozumel, zu der ich eigentlich gar nicht wollte, ritt dort auf Riesenschildkröten oder trank, wie in Palenque, mein Bier aus einer Teetasse, weil in dieser Provinz Alkoholverbot herrschte. Später saß ich mit nur vier weiteren Travellern auf der »Pyramide der Inschriften« und betrachtete andächtig aus luftiger Höhe den Dschungel und die malerischen Tempelruinen.

Die Lonely Planet-Bibel gegen booking.com

Apropos Herbergssuche: Hier hat sich die Welt für Individualreisende völlig verändert. Zwar gab es ab den späten Siebzigern viele Reiseführer, in denen für jedes Reiseziel auch Hotels oder Pensionen aufgelistet waren. Aber diese Informationen waren eher kärglich, weshalb natürlich alle, die beispielsweise ihren »Lonely Planet« für Sri Lanka dabei hatten, in Hikkaduwa zu denselben Unterkünften pilgerten.

Heute, in der Zeit von »hotel.de« oder »booking.com« bekommt man eine Auswahl von unzähligen Hotels und Pensionen direkt auf Smartphone oder Tablet geladen. Da erfährt man die Lage, den Zimmerpreis und kann auch gleich buchen. Einfacher geht‘s nicht. Ähnlich verhält es sich bei der Flugsuche: Diverse Online-Dienste sind da verfügbar, samt günstiger Preise. Der Nachteil: Wenn man gebucht hat, ist das kaum mehr zu ändern, von Gabelflügen ganz zu schweigen. Ich persönlich bleibe weiter meinem bewährten Reisebüro treu, bei dem ich schon seit 35 Jahren buche. Da lässt sich auch noch aus dem Ausland ein Flugdatum ändern oder ein Flug umbuchen.

Reiseschecks als Sicherheit

Mit der Fahrradrikscha in Nordthailand: Auch heute liebt es Autor Werner vom Busch noch abenteuerlich.

Die Liste der Dinge, die es dank der digitalen Vernetzung nicht mehr gibt, ließe sich fortsetzen: vom Bezahlen mit American-Express-Reiseschecks über die ziehharmonikaartigen Flugtickets bei langen Reisen bis hin zu den 30 Filmrollen, die mir viel Platz im Koffer wegnahmen. Von kiloschwerer Reiselektüre ganz zu schweigen. Die nimmt man heute auf dem E-Reader mit.

Individualreisen sind also einfacher geworden, keine Frage. Jeder kann zu jeder Zeit an fast jeden Ort der Welt reisen. Aber eines ist mit dieser Art von Komfort verschwunden: Einsam auf der Thatbyinnyu-Pagode zu sitzen, um den Sonnenuntergang am Irradwaddy zu genießen. Oder am menschenleeren Strand von Side in der Türkei zu beobachten, wie die Sonne im Meer versinkt. So exklusive und exquisite Erlebnisse sind heute kaum mehr möglich. Die Wenigen wurden durch die Vielen ersetzt, und die Würze des Reisens, das kleine Abenteuer, ist dem Reisenden von heute kaum noch vergönnt. 

Text: Werner vom Busch
Fotos: privat

 

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