Vorgebliche Test- und Vergleichsseiten gehen per Google auf Kundenfang, und zwar vor allem für die Shoppingseiten von Amazon. Eine Armada von vorgeblichen Testern benotet und empfiehlt dort, zumeist ohne Labor und frei von Fachwissen, zahllose Produkte. Per Link werden unbedarfte Leser zu großen Shops befördert, die die Betreiber für jeden Besuch oder Kauf entlohnen. Die Masche hat sich zur digitalen Shopping-Seuche entwickelt, warnt die Verbraucherzentrale NRW.
So viel Test war nie. Wer bei Google „Test“ und „Teekanne“ eintippt, trifft auf eine Heerschar an Testern. Über sieben Seiten ziehen sich die Ergebnisse. Das Wort „Teekanne“ kann auch durch 1000 andere Produkte ersetzt werden: von „Allesreiniger“ über „Nasenklammer“ bis zu „Zwiebelschneider“ – die Tester-Kohorte ist schon da. Das Erstaunliche: Sie verdrängt oft sogar bekannte Platzhirsche wie etwa die Stiftung Warentest oder Ökotest von den Spitzenplätzen. Ganz offensichtlich kennen sie die Algorithmen, die Suchmaschinen wie Google lieben. Dabei wäre es weitaus wichtiger, dass Onlineshopper um das dubiose Treiben in der Suchmaschine wissen. Denn getestet wird hier allenfalls, wie leicht Leute zum Kauf verführt werden können.
Der Ort dafür ist blendend gewählt: 72 Prozent der deutschen Internetkäufer ziehen laut einem Statistik-Portal einen Produktvergleich zu Rate. Den liefern – natürlich via Google – die vorgeblichen Tester. Nahezu jeder beteuert, „unabhängig“ oder „100% neutral“ zu sein. Die Auftritte ähneln einem Baukasten. Da laden lange „Ratgeber“-Stücke zum Stöbern. Blogs, Checklisten und aufwändige Tabellen mit Infos zu den Artikeln dürfen durchklickt, Videos geschaut werden. Ziel ist jedoch die Empfehlung: Das können mal drei, mal sechs oder auch 29 Produktvarianten sein, die direkt per Link zum Kauf scharf gemacht sind. Zumeist führt der Klick zum Branchenprimus Amazon, mitunter auch zu Otto, eBay oder kleineren Shops.
So etwas zu bauen ist relativ leicht und billig. Das gilt vor allem für Nischenseiten, die gerade mal eine Handvoll Modelle aus einer Produktgruppe (etwa „Zwiebelschneider“) promoten. Amazon verscherbelt Do-it-Yourself-eBooks zum Thema gratis. Auf eBay lassen sich halb eingerichtete Domains für unter 15 Euro kaufen, lediglich Luxusversionen samt kassierfertiger Webseite kosten schon mal über 500 Euro. So richtig ab geht es allerdings auf YouTube. Dort trommeln diverse Coaches für den digitalen Nebenverdienst. Ihre „Schritt für Schritt“-Tutorials zeigen, wie Laien „automatisch Käufe generieren“ und mal eben „die ersten 1000“ oder gleich „20.000 Euro mit einem Produkt“ einsacken können. „Du musst nicht selbst testen“, heißt es in den Motivations-Videos, Grundlage für eine Benotung könnten auch „Amazon-Rezensionen“ sein.
Und so finden sich denn auf den Seiten verschwurbelte Sätze wie: Im „Gegensatz zu den klassischen Test-Magazinen haben wir die Produkte nicht selber in der Hand“ oder: „Wir testen die einzelnen Produkte nicht im eigentlichen Sinne“. Oder gern mal ganz ohne Sinn und Verstand – wie ein „Milka Schokolade Vergleich“ nahelegt. Den letzten Platz im Feld belegte die „Milka Alpenmilch“ mit „83,5 Prozent“ deutlich hinter der „100-Prozent“-Siegerin „Milka Alpenmilch“. Der Unterschied: Statt fünf wie bei der Verliererin waren gleich 24 Tafeln im Sieger-Gebinde.
Wichtig, lehren die YouTube-Coaches, sei hingegen die „Suchmaschinenoptimierung“ (SEO): Produktadresse finden („das Wort „Test“ sollte unbedingt vorkommen!“) und beim „Webhoster“ sichern, „Keywort-Dichte“ prüfen, „coole Buttons“ implementieren, Besucher über Facebook generieren, „Backlinks“ setzen und warten… bis die eigene „Test“-Seite nach Wochen im Google-Ranking „unter den Top 10 auftaucht“. Dauerhaft befeuert wird dieser Unfug von großen Shops, zuvorderst Amazon. Der Konzern fährt ein großes „Partnerprogramm“, das Provisionen von „bis zu 12 Prozent“ für Käufe über „Nischenseiten“ ausschüttet. „Als Amazon-Partner musst Du kein Webmaster oder Entwickler sein – Dank unserer Tools reicht es schon aus, wenn Du kopieren und einfügen kannst.“ Auf ein ähnliches Vergütungs-Programm setzt auch Otto, getoppt von bis zu vier Prozent obendrauf für einen Neukunden.
Die Folge: Via Google versuchen Nischen- und Vergleichsseiten massenhaft, Reibach zu machen. Unter der Anmutung eines Tests oder Vergleichs sowie durch Aufzählen banaler Infos und Weglassen wichtiger Fakten jubeln sie die von ihnen bespielten Warengruppen regelmäßig hoch. So fand die Verbraucherzentrale bei einem Check von einem Dutzend prominent bei Google platzierter Vergleichsseiten, die mehrere Produktbereiche (etwa „Haushalt“, „Kosmetik“) ins Visier nehmen, fast ausschließlich „gute“ und „sehr gute“ Noten. Nur hin und wieder gab es ein „befriedigend“. Ganz anders sah das in der Regel der Primus unter den Produktcheckern: die Stiftung Warentest.
Drei Beispiele von vielen: Ein Saugroboter, gefeiert als „Beste Empfehlung“ („sehr gut“), musste sich bei der Stiftung mit einem „befriedigend“ begnügen. Ein Haarglätter („befriedigend“) fing sich gar ein „mangelhaft“ ein. Diese Note pappten die seriösen Profi-Tester auch auf eine Heißluftfritteuse. Das Gerät mit Sicherheitsrisiko wurde auf einer Vergleichsseite dagegen mit „gut“ (1,61) bewertet. Bei insgesamt 20 begutachteten Artikeln entdeckte die Verbraucherzentrale überwiegend höher gepuschte Noten gegenüber der Stiftung.
So was schadet nicht nur den Besuchern der Seiten, die ohne Arg und Preisvergleich beim verlinkten Shop den „Kaufen“-Button drücken. Mittlerweile, wie stets bei dubiosen Nebenverdienst-Angeboten, endet das Projekt auch für die meisten Betreiber von Nischenseiten als Reinfall. Denn nur die wenigsten trotzen der riesigen Konkurrenz und den großen Vergleichern. Klicks und Kohle erwarten in der Regel nur den, der es auf die erste Ergebnisseite von Google schafft. Kein Wunder, dass auf YouTube derzeit auch andere Videos zu „Nischenseiten“ hochgeladen werden – beispielsweise mit dem zwar falsch geschriebenen, dafür aber ehrlichen Titel: „Da kacken die meißten ab“.