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Den Cluberern geht öfter die Puste aus

Wer einen Fußballplatz besucht hat, kennt das: Kurz nach dem Anpfiff verwandeln sich bis dahin ruhige und freundliche Männer (und um Männer handelt es sich meistens) in leidenschaftliche Kämpfer. Sie schrecken weder davor zurück, die Mannschaftskameraden verbal zusammenzustauchen noch den Gegner mit bissigen Bemerkungen zu überziehen.

Noch stehen sie fürs Gruppenbild vereint – die Herren der 1. FCN-Seniorensportgruppe Morlock –, aber auf dem Spielfeld geht’s zur Sache. Foto: Mile Cindric
Noch stehen sie fürs Gruppenbild vereint – die Herren der 1. FCN-Seniorensportgruppe Morlock –, aber auf dem Spielfeld geht’s zur Sache. Foto: Mile Cindric

Wer einen Fußballplatz besucht hat, kennt das: Kurz nach dem Anpfiff verwandeln sich bis dahin ruhige und freundliche Männer (und um Männer handelt es sich meistens) in leidenschaftliche Kämpfer. Sie schrecken weder davor zurück, die Mannschaftskameraden verbal zusammenzustauchen noch den Gegner mit bissigen Bemerkungen zu überziehen.
Diese »Verwandlung« vom ruhigen Mr. Jekyll zum gefährlichen Mr. Hyde – frei nach dem Roman von Robert Louis Stevenson – kann man auch regelmäßig bei der »1. FCN Seniorensportgruppe Morlock« beobachten. Zum Beispiel an einem Montagvormittag im Sommer auf der Sportanlage Valznerweiher, wenn zwölf »alte Herren« in zwei Mannschaften gegeneinander antreten. Es wird gefrotzelt und gestichelt und mancher regt sich mächtig auf.
Erstaunlich ist so viel Temperament schon, denn hier auf dem Kleinfeld-Platz mit Kunstrasen stehen versammelte 850 Jahre. Nicht mitgezählt ist dabei Thomas, ein Jungspund von Mitte Zwanzig, der an diesem Tag bei den Senioren mitkickt. Lange Zeit geben die Älteren das Spieltempo vor, und es geht bei 26 Grad im Schatten immerhin über zwei Mal 40 Minuten. Bis kurz vor der Halbzeit steht es 0:0, bis das erste Tor fällt: »Jetzt hammer den Scheißdreck«, bricht es aus einem der Älteren hervor. Der Torschütze war ein »57er«.
Denn mit zunehmender Spieldauer bestimmen die jüngeren Jahrgänge das Spielgeschehen und schießen die Tore. Kein Wunder, dass der Vorschlag auftaucht, den Zopf, zu dem Jungspund Thomas die Haare gefasst hat, vorne zusammenzubinden, damit er nichts mehr sieht. Auch wenn die Äußerung scherzhaft gemeint ist, hier liegt das Problem der Club-Seniorengruppe Morlock: Neue Männer und Frauen braucht die »1.FCN Seniorensportgruppe Morlock« – zum Fußballspielen und zum gemeinsamen Feiern.
Die Ältesten sind an diesem Tag Franz Turnwald und Helmut Demas, beide bringen jeweils 80 Lenze mit auf den Platz. Es folgen der Vorsitzende der Seniorengruppe des 1. FCN, Helmut Demas mit 77 Jahren, und Günter Graf mit 75 Jahren. Und so geht es weiter bis zu den beiden »Jüngsten«, Egon Poledne und Andreas Herzog, mit »nur« 57 Jahren. Sicher, dem einen oder anderen geht im Laufe des Spiels schon mal die Puste aus, und manche Bewegung ist nicht mehr so flüssig wie bei den aktiven Clubspielern Javier Pinola oder Robert Mak. Aber gekämpft wird hier genauso, gelaufen wird, was Lungen und Herzen hergeben; es kommt zu einer durchaus ansehnlichen, dem hohen Gesamtalter entsprechenden, fairen Begegnung ohne »Schiri«.
Die älteren Herren sind alle Mitglieder der 1953 gegründeten »1. FCN Seniorensportgruppe«. Damals noch ohne den Zusatz Morlock und eher der Gymnastik und dem Waldlauf zugetan. Seit 1993 aber begeisterte sich die Gruppe nur noch für das Spiel mit dem runden Leder. »Heute sind wir insgesamt 24 Leute«, erzählt Vorsitzender Demas im breitesten Fränkisch. 17 davon spielen wöchentlich einmal Fußball auf dem Kleinfeld. Im Winter wird in der Halle gespielt. Einige sind nur »Passive«, weil sie entweder zu alt sind für das Fußball-Spiel oder körperliche Einschränkungen haben. »Wir haben auch sieben Frauen als Mitglieder«, erläutert der Vorsitzende. Die helfen aber nur im Hintergrund und feiern mit den Aktiven zu Weihnachten oder anderen Festivitäten. Denn im Mittelpunkt steht die Pflege der Geselligkeit. So treffen sich Aktive und Passive auch zum gemeinsamen Wandern, Feiern und einfach nur, um sich gegenseitig Mut zu machen und zu unterstützen.
Fußballspielen und Training ist also nicht die Voraussetzung, um hier aufgenommen zu werden. Eine gewisse Begeisterung für »den Clubb« dagegen schon. Denn die Senioren sind der offizielle Fan-Club Nummer 582 des großen Bundesligisten und tragen seit 2010 immerhin den Namenszusatz Morlock.
Die Fans verehren diesen »Fußball-Gott« bis heute. Auf das Konto von Max Morlock gehen unter anderem  900 Spiele, 700 Tore für Rot-Schwarz und zwei deutsche Meisterschaften. Und diesen Ehrfurcht einflößenden Namen trägt die Seniorengruppe? »Ja und Nein«, widerspricht schmunzelnd Gerhard Zenfels, Kassier des Vereins. »Unser Name bezieht sich auf den Bruder von Max Morlock, Robert Morlock«. Der stand stets im Schatten seines großen Bruders, verstarb 2012 im Alter von 89 Jahren und war selbst Mitglied bei der Sportgruppe. »Zwei Jahre vor seinem Tod hat er unserer Gruppe die Erlaubnis gegeben, seinen Namen führen zu dürfen«, versichert Demas.
Und wie steht es jetzt auf dem Spielfeld? 6:2 gewinnt die Gruppe mit dem geringeren Altersdurchschnitt. Aber davon ist beim geselligen Zusammentreffen nach dem Spiel in der Clubgaststätte bei Wein, Bier und Pizzabrot schon nicht mehr die Rede. Als Zeichen der Gemeinsamkeit geht ein lila Sparschwein herum, in das jeder spenden kann. Denn für diese Gemeinschaft sind die Geselligkeit, die Verbundenheit mit dem Club, gleichberechtigt mit dem Kampf um den Ball. Mr. Hyde blieb also alleine zurück auf dem Spielplatz – bis zur nächsten Woche.

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