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Empfehlungen des Ethikrats zur Demenz

Derzeit leben in Deutschland etwa 1,2 Millionen Menschen mit einer mittleren bis schweren Demenz, Tendenz steigend. Demenzist also eine der größten gesundheitspolitischen Herausforderungen der Gegenwart. Deshalb der Ethikrat 16 Empfehlungen am Dienstag, 24.4.2012 veröffentlicht, die vor allem den begleitenden Prozess der Erkrankung betreffen.

Demenzerkankte brauchen sozialpsychologische Betreuung. Foto: epd

Am Dienstag veröffentlichte der Deutsche Ethikrat Empfehlungen zum Umgang mit Demenzkranken. Für die Begleitung und Versorgung von Demenzerkrankten und ihren Angehörigen sollte mehr Geld aufgewendet werden und freiheitsbeschränkende Maßnahmen auf ein Minimum eingeschränkt werden. Gleichwohl zollt der Ethikrat allen, die Demenzkranke betreuen hohe Anerkennunf für deren Arbeit. Allerdings bedarf es großer gesamtgesellschaftlicher Anstrengung, wenn die Versorgung von Demenzbetroffenen auch zukünftig sichergestellt sein soll. Hierzu hat der Deutsche Ethikrat insgesamt 16 Empfehlungen erarbeitet, von denen die wichtigsten hier kurz vorgestellt werden:

  • Der Deutsche Ethikrat bestärkt die Bundesregierung in der Absicht, einen Nationalen Aktionsplan Demenz zu entwickeln, um das Vorgehen aller Akteure zur flächendeckenden Verbesserung der medizinischen, pflegerischen und sozialen Versorgung Demenzbetroffener zu koordinieren. Dadurch soll die gesellschaftliche Inklusion von Menschen mit Demenz verstärkt und ihr Anspruch auf Selbstbestimmung anerkannt werden.
  • Bei einer Neufassung des Begriffs der Pflegebedürftigkeit sollten die Selbstbestimmungsmöglichkeiten von Menschen mit Demenz und die daraus folgenden Aufgaben der Pflege ausreichend berücksichtigt werden.
  • Die Arbeit pflegender Angehöriger bedarf wirksamer Unterstützung und finanzieller Anerkennung. Es sollte geprüft werden, ob die aus der häuslichen Pflege vertrauten Personen einen Dementen auch im Krankenhaus betreuen können.
  • Ambulant betreute Haus- und Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz sollten finanziell stärker gefördert werden. Dazu zählen insbesondere wohnortnahe Wohn-Pflege-Gemeinschaften, die einen die Selbstbestimmung ermöglichenden Rahmen schaffen und in denen professionell Pflegende und Angehörige zusammenarbeiten.
  • Die Forschungsförderung im Bereich der Demenz sollte sich bei der Grundlagenforschung im Sinne translationaler Forschung auf die klinische Anwendung hin orientieren. Darüber hinaus sollte sie klinisch-medizinische, psychosoziale und pflegewissenschaftliche Aspekte sowie die ethisch-rechtliche Begleitforschung und die Versorgungsforschung umfassen.
  • Um die Selbstbestimmungsmöglichkeiten demenzbetroffener Menschen zu wahren und zu schützen, sollten die Grundsätze der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die auch für Demenzbetroffene gelten, konsequent zur Anwendung kommen.
  • Die Bereitschaft Angehöriger zur Übernahme ehrenamtlicher Betreuungen sollte durch praktische Unterstützung während der Betreuung und durch gesellschaftliche Wertschätzung gestärkt werden.
  • Bei der Prüfung der aktuellen Anwendbarkeit einer Patientenverfügung sind Äußerungen des Lebenswillens entscheidungsunfähiger Patienten einzubeziehen. In Fällen, in denen die Entscheidungsfähigkeit nicht sicher ausgeschlossen werden kann, ist wegen der Unumkehrbarkeit lebensbeendender Maßnahmen lebensbejahenden Bekundungen stets der Vorrang vor einer anders lautenden Patientenverfügung zu geben.

In einem Sondervotum hat Ratsmitglied Volker Gerhardt seine Bedenken bezüglich zweier Aspekte dargelegt. Dies betrifft zum einen den mit dem zunehmenden Verlust der Selbstbestimmung einhergehenden unwiderruflichen Verlust der Persönlichkeit, der nicht verharmlost werden darf. Zum anderen stellt sich die Frage eines Suizidwunsches, der aufgrund der Selbstbestimmungsproblematik bei der Demenz in besonderer Weise eine Rolle spielt.
Der Deutsche Ethikrat besteht aus 26 Mitgliedern, die naturwissenschaftliche, medizinische, theologische, philosophische, ethische, soziale, ökonomische und rechtliche Belange in besonderer Weise repräsentieren. Zu seinen Mitgliedern gehören Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den genannten Wissenschaftsgebieten; darüber hinaus gehören ihm anerkannte Personen an, die in besonderer Weise mit ethischen Fragen der Lebenswissenschaften vertraut sind.
Im Deutschen Ethikrat sollen unterschiedliche ethische Ansätze und ein plurales Meinungsspektrum vertreten sein.
Die Mitglieder des Deutschen Ethikrats dürfen weder einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes noch der Bundesregierung oder einer Landesregierung angehören.
Der Deutsche Ethikrat verfolgt die ethischen, gesellschaftlichen, naturwissenschaftlichen, medizinischen und rechtlichen Fragen sowie die voraussichtlichen Folgen für Individuum und Gesellschaft, die sich im Zusammenhang mit der Forschung und den Entwicklungen insbesondere auf dem Gebiet der Lebenswissenschaften und ihrer Anwendung auf den Menschen ergeben. Zu seinen Aufgaben gehören insbesondere:

  1. Information der Öffentlichkeit und Förderung der Diskussion in der Gesellschaft unter Einbeziehung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen;
  2. Erarbeitung von Stellungnahmen sowie von Empfehlungen für politisches und gesetzgeberisches Handeln;
  3. Zusammenarbeit mit nationalen Ethikräten und vergleichbaren Einrichtungen anderer Staaten und internationaler Organisationen.

Der Deutsche Ethikrat führt jedes Jahr mindestens eine öffentliche Veranstaltung zu ethischen Fragen insbesondere im Bereich der Lebenswissenschaften durch. Darüber hinaus kann er weitere öffentliche Veranstaltungen, Anhörungen und öffentliche Sitzungen durchführen.
Der Deutsche Ethikrat erarbeitet seine Stellungnahmen auf Grund eigenen Entschlusses, im Auftrag des Deutschen Bundestags oder im Auftrag der Bundesregierung. Er leitet seine Stellungnahmen dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung vor der Veröffentlichung zur Kenntnis zu.
Der Deutsche Ethikrat berichtet dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung zum Ablauf jedes Kalenderjahres schriftlich über seine Aktivitäten und den Stand der gesellschaftlichen Debatte.
Der Deutsche Ethikrat ist in seiner Tätigkeit unabhängig und nur an den durch dieses Gesetz begründeten Auftrag gebunden. Die Mitglieder des Deutschen Ethikrats üben ihr Amt persönlich und unabhängig aus.
Die Beratungen des Deutschen Ethikrats sind öffentlich; er kann auch nicht öffentlich beraten und die Ergebnisse nicht öffentlicher Beratungen veröffentlichen.
Der Deutsche Ethikrat veröffentlicht seine Stellungnahmen, Empfehlungen und Berichte.
Vertreten Mitglieder bei der Abfassung eine abweichende Auffassung, so können sie diese in der Stellungnahme, der Empfehlung oder dem Bericht zum Ausdruck bringen.

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