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»Darmspiegelung ist das kleinere Risiko«

Dickdarmkrebs ist eine Zivilisationskrankheit, die vor allem in der westlichen Welt auftritt. Rechtzeitige Vorsorge ist wichtig, meint Prof. Andreas Wagner, Gastroenterologe am Klinikum Großhadern in München.

Interview mit dem Krebsspezialist Prof. Andreas Wagner ruft die über 55-Jährigen zur Vorsorge auf
wagne_01rsechs+sechzig: Herr Wagner, kann man einen Zusammenhang herstellen nach dem Muster: Je früher man den Krebs erkennt, desto höher ist die Chance für eine Heilung?
Prof. Andreas Wagner: Ja. Sinn der Vorsorge ist es, Todesfälle zu vermeiden. Das geht beim Dickdarmkrebs, weil man seine Vorstufen erkennt und diese Polypen herausnehmen kann. Dadurch wird die Entstehung der Krebserkrankung verhindert. Vorsorgeuntersuchungen bei anderen Krebsarten können diese Sicherheit nicht bieten. Hier handelt es sich um den Versuch, die Krebskrankheit so früh zu erkennen, dass sie noch heilbar ist.
sechs+sechzig: Wissen Sie, wie viel Prozent der über 55-Jährigen eine Vorsorgeuntersuchung in Anspruch nehmen?
Wagner: Schätzungen gehen von einem Drittel aus. Teilweise liegen die Zahlen sogar noch darunter. Das richtige Alter für einen Check liegt zwischen 55 und 65 Jahren. Dann übernimmt die Krankenkasse die Kosten dafür. Wir müssen das Bewusstsein dafür schärfen, dass es jeden treffen kann.
sechs+sechzig: Wie hat sich die Verbreitung der Krankheit in den letzten zehn Jahren entwickelt?
Wagner: Laut aktuellem Krebsregister des Robert-Koch-Instituts, das dieses Jahr erschienen ist, hat die Häufigkeit des Dickdarmkrebses in den Jahren von 2002 bis 2004 nicht zugenommen.
sechs+sechzig: Manchmal sendet der Körper Warnsignale. Kann man Dickdarmkrebs erkennen, wenn man darauf hört?
Wagner: Das Tückische ist, dass die Warnsignale meist erst erfolgen, wenn es sich schon um ein fortgeschrittenes Stadium handelt. Daher ist es notwendig, dass sich auch völlig symptomfreie Menschen vorsorglich untersuchen lassen. Alarmzeichen können Stuhlverhalt, Wechsel der Stuhlgewohnheiten, Blutungen, Gewichtsverlust oder Bauchschmerzen sein.
sechs+sechzig: Viele Menschen haben Angst vor einer Darmspiegelung und gehen deshalb nicht zur Vorsorgeuntersuchung. Wie kann man diese lindern?
Wagner: Es gibt mehrere Ebenen von Angst. Manchen ist die Untersuchung peinlich, unangenehm und sie befürchten, dass sie weh tut. Andere haben Angst vor einem schlechten Ergebnis. Die Untersuchung muss aber nicht mehr unangenehm sein. Der Patient wird ruhig gestellt und spürt nichts.
sechs+sechzig: Es kann auch zu Komplikationen kommen. Ist das Risiko vermeidbar?
Wagner: Im unangenehmsten Fall kann ein Loch im Darm entstehen, das man aber chirurgisch gut beheben kann. Wie bei jedem Eingriff gilt es, Risiko und Nutzen abzuwägen. Die Gefahr, dass durch die Spiegelung ein Loch im Darm verursacht wird, liegt etwa bei einem Fall pro 2000 Untersuchungen. Das Verhältnis, um eine Darmkrebserkrankung zu verhindern, liegt bei 50 bis 60 Vorsorgedarmspiegelungen pro entdecktem Fall, so dass sich das geringe Risiko sicher lohnt. Es gibt keinen Eingriff ohne Risiko.
sechs+sechzig: Sie sagen, dass manche Menschen Angst vor einer Krebsdiagnose haben. Was erwartet sie dann?
Wagner: Das hängt davon ab, in welchem Stadium der Dickdarmkrebs entdeckt wurde. Je kleiner der Tumor, desto besser die Heilungschancen. Heute sind aber sogar Menschen, die mehrere Metastasen haben, manchmal noch durch Operationen zu heilen. Auch die Chemotherapie hat große Fortschritte in den vergangenen Jahren gemacht.
sechs+sechzig: Tritt Darmkrebs bei Männern häufiger auf als bei Frauen?
Wagner: Männer leiden etwas häufiger daran, der Unterschied ist aber minimal. Bei Männern und bei Frauen ist der Dickdarmkrebs die zweithäufigste Krebserkrankung nach Prostata- und Brustkrebs und noch vor der Krebserkrankung der Lunge.
sechs+sechzig: Existieren verschiedene Formen von Dickdarmkrebs?
Wagner: Ja. Am wichtigsten ist die Unterscheidung zwischen Krebserkrankungen des Enddarms (Rektum) und des Dickdarms (Kolon), da sich die Therapie unterscheiden kann. Außerdem muss man unterscheiden zwischen dem sporadischen Krebs und den anlagebedingten Krebserkrankungen. Letztere muss man dann vermuten, wenn einer oder gar mehrere Angehörige erkrankt sind.
sechs+sechzig: Gibt es eine Altersgrenze nach oben, ab der eine Vorsorgeuntersuchung nicht mehr ratsam ist?
Wagner: Ja. Wenn ein 80-Jähriger nie Beschwerden hatte, braucht er sich nicht mehr vorsorglich untersuchen zu lassen. Dann ist das Risiko, dass man eine Krebserkrankung findet, eher niedrig.
sechs+sechzig: Steigt das Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken, mit zunehmendem Alter?
Wagner: Eindeutig. Man weiß, dass Polypen im Darm ab dem 50. Lebensjahr gehäuft auftreten, etwa zehn Jahre später sind Krebserkrankungen verstärkt zu finden.
sechs+sechzig: Woran liegt es, dass ausgerechnet in der Lebensmitte das Risiko erhöht ist?
Wagner: Krebs entsteht nicht aus dem Nichts, sondern auf dem Boden schrittweiser Veränderungen in den Erbanlagen der betroffenen Zellen. Es ist niemals nur ein Faktor, der zu einer Veränderung der Zellen führt, sondern es existieren mehrere Auslöser. Es dauert fünf bis zehn Jahre, bis die Entwicklung von den zunächst gutartigen Polypen zu einem echten Karzinom abgeschlossen ist. Die Vorsorge beim Dickdarmkrebs ist so erfolgreich, weil es gelingt, durch Entfernung der Vorstufen, also der Polypen, die Krebsentstehung zu verhindern.
sechs+sechzig: Ist es möglich, durch eine gesunde Lebensweise einer Darmkrebserkrankung vorzubeugen?
Wagner: Wir kennen ein paar Risiken. Dazu gehören insbesondere Übergewicht und mangelnde Bewegung, wobei egal ist, mit welcher Ernährung das Übergewicht erworben wurde. Rauchen, Zuckerkrankheit und zu viel Fleisch von Rind, Schwein, Kalb und Lamm gelten ebenfalls als Risikofaktoren. Leider ist der Umkehrschluss nicht gesichert, dass man durch eine gezielte Ernährung dem Risiko vorbeugen kann, wie zum Beispiel durch faserreiche oder kalziumreiche Ernährung. Es sind in letzter Zeit ein paar große Studien veröffentlicht worden, die solche Zusammenhänge untersucht, aber keine neuen Erkenntnisse gebracht haben. Also sollte man möglichst Normalgewicht halten, sich ausreichend bewegen, keine einseitigen Diäten machen und nicht rauchen.
sechs+sechzig: Es werden in USA immer mehr Darmspiegelungen durch Computertomografien (CT) ersetzt. Ist das auch in Deutschland bald üblich?
Wagner: Die Darmspiegelung ist die beste Untersuchungsmethode, weil der Arzt dabei gleich die entdeckten Polypen entfernen kann. Bei der CT führt die Entdeckung von Polypen dann zur Darmspiegelung. CTs gehen mit einer Strahlenbelastung einher. Außerdem sind CTs in Deutschland teurer als die Darmspiegelung. Ich glaube also nicht, dass sich diese Untersuchungsmethode auf breiter Front durchsetzen wird.
sechs+sechzig: Wohin geht die Entwicklung?
Wagner: Radiologen arbeiten an der Entwicklung einer Methode, bei der eine Vorsorgeuntersuchung ohne vorherige Darmspülung möglich ist. Solche verbesserte Diagnostik käme den Patienten zugute und würde die Akzeptanz der Vorsorge erhöhen. Es wird außerdem stark diskutiert, ob man die Stuhltests noch verbessern kann. Sie sind momentan nicht so aussagekräftig, wie man es sich wünscht. Der Ansatz ist, genetische Veränderungen im Stuhlmaterial zu entdecken, die auf eine spätere Erkrankung schließen lassen können. Das aber liegt noch in weiter Ferne.
Interview: Petra Nossek-Bock

2 Antworten

  1. Ich wollte wissen. Eine bekannte hatte eine Darmspiegelung ist am nächsten Tag an hohem Fieber gestorben. Was ist schief gelaufen , von wo kam der Fieber. Das Ergebniss der Darmspiegelung war gut .

  2. Jede Untersuchung birgt auch Risiken. Was da im Einzelfall passiert ist, lässt sich wohl kaum klären. Vielleicht durch eine unabhängige Patientenberatung.
    Es immer eine Abwägung: welche Risiko ist höher? Dass Darmkrebs nicht frühzeitig erkannt wird und daher tödich verläuft oder dass es zu einer Verletzung/ Komplikation bei der Damrspiegelung kommt, die auch zum Tod führen kann.
    Wenn schon Warnzeichen für eine mögliche Darmkrebserkrankung vorliegen, würde ich die Untersuchung auf jeden Fall machen.

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