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Vom (Über)Mut des Ruheständlers

Manchmal platzt unserem Autor Horst Otto Mayer der Kragen.

Es gibt verschiedene Typen von Ruheständlern: Den normalen Senior, der aus der Arbeitswelt ausscheidet und seinen Hobbys frönt; den Kreuzfahrt-Rentner, der bei jeder Gelegenheit betont, er sei demnächst wieder wochenlang unterwegs; den strengen Aufsichts-Rentner, der Menschen belehrt, die eine weiße Flasche in den Grünglas-Container werfen; den sinnierenden, leicht traurigen Rentner, der in der Rückschau seines Lebens darauf verweist, er würde vieles anders machen, wenn er noch mal könnte. Oder den vor Energie berstenden Rentner, der seinen Ruhestand mit der schönen Formulierung feiert, er erlebe gerade eine »Explosion der Lebensqualität«. Er unternehme jetzt Sachen, die er sich früher nicht getraut hätte und die andere für verrückt halten. Um diese Kategorie geht es im Folgenden.

Einmal verrückt sein

Kann es sein, dass der Lebensabend dazu verlockt, sich Verhaltensweisen herauszunehmen, die man sich früher nicht erlaubt hätte? Wenn diese Abenteuer-Lust bei normalen Rentnerinnen und Rentnern auftaucht, fällt sie meist nicht auf. Bei alt gewordenen Promis muss es dagegen in die Welt hinausposaunt werden. So verkündete Schauspielerin Katharina Thalbach (70), die 2019 in Rente ging, sie finde es erstrebenswert, eine verrückte Alte zu werden und sich um gar nichts mehr zu kümmern; zu spucken, wenn man Leute nicht leiden könne. Ein Leben nach dem Lustprinzip. Wenn schon Rollstuhl und Rollator, dann mit Aschenbecher und Bordbar. Einen Gehstock fände sie toll, mit kleinen Messern darin, zur Selbstverteidigung und fürs Obst. Rollstühle und Stöcke habe sie schon auf der Bühne erprobt, manchmal aus gesundheitlichen, manchmal aus künstlerischen Gründen.

Ex-Moderator Frank Elstner, der unter Parkinson leidet, kehrt mit 82 Jahren ins Fernsehen zurück. Seinen Fans verrät er, dass er sich »mit Boxen sowie mentalem Training, guter Ernährung und eiserner Diziplin fit hält«. Er soll 2025 »heimische Tiergeschichten erzählen, die vor unserer Haustür passieren«. Die erste Sendung soll ihn in den Bärenpark in Bad Füssing führen.

Jagen mit dem Krückstock

Auch Regisseur Leander Haußmann (65) betreibt Kraftsport mit dem Ergebnis, er hätte nicht geglaubt, »dass mir in meinem Alter noch Muskeln wachsen«. Der in Quedlinburg geborene Ostberliner zeigt sich besonders sensibel. »Ich bin nach wie vor ein Entdeckerkind, immer noch innerlich pubertierend«, erzählt er. Allerdings verkündet Haußmann in den Medien: »Ich jage den Ersten, der mich Senior nennt, mit meinem Krückstock durch die Straßen.« Den Krückstock hat er allerdings noch nicht.

Auch mich hat der Mut des Alters übermannt. Als Rentner bin ich mehrmals rausgeflogen. Ich habe mal wochenlang als Autowäscher in einem großen fränkischen Unternehmen gearbeitet und darüber eine Reportage veröffentlicht, in der ich die Missstände des Betriebs aufdeckte. Das gefiel der Leserschaft, aber nicht dem Autohaus. Dessen Chefs eröffneten mir, ich solle mich auf dem Firmengelände nicht mehr blicken lassen.

Bei einer Polizeikontrolle nannte ich die Beamten »Knalldeppen«, worauf ich 400 Euro Strafe zahlte, um nicht einsitzen zu müssen. Bei der abschließenden Bewertung meines Verhaltens im Polizeirevier durch einen Psychologen wurde mir geraten, mich hier nicht mehr sehen zu lassen. Außerdem erhielt ich Lokalverbot in einem fränkischen Gasthaus, weil ich den Wirt verbal beleidigte.

Wenn das mit meiner Alt-Energie so weitergeht, wer weiß, was noch kommt?

Text: Horst Otto Mayer
Foto: Wolfgang Gillitzer

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