Es ist ein Gedanke, den man gern verdrängt: dass man vielleicht irgendwann einmal in ein Pflegeheim umziehen muss. Viele graust es bei der Vorstellung, die Selbstständigkeit aufgeben zu müssen und auf fremde Hilfe angewiesen zu sein.
Schon jetzt ist die personelle Situation für die Heimbetreiber schwierig, das Personal oft überlastet und für persönliche Begegnung fehlt die Zeit. Die Lage wird sich in den kommenden Jahren noch weiter verschärfen. Wer soll all die Menschen betreuen? Pflegeroboter könnten einen Ausweg darstellen, aber wie soll das aussehen?
Als vor gut 20 Jahren Paro vorgestellt wurde, der japanische Roboter, der wie ein süßes Robbenbaby aussieht, da war das Thema Robotik in der Pflege noch weit weg. Und die Skepsis war bei vielen Menschen groß. Soll in Zukunft eine Maschine den Menschen ersetzen? Inzwischen ist der Einsatz von solchen Robotern zum Beispiel bei Patientinnen und Patienten mit Demenz anerkannt. Längst gibt es die künstlichen Tiere auch in Hunde oder Katzengestalt. Sie reagieren auf Berührung; wenn man aufhört, sie zu streicheln, schlafen sie ein. Sensor-, Vibrations- und Bewegungstechnologie machen es möglich, dass sich das Robotertier fast lebensecht verhält. Und wer einmal selbst Paro oder einen anderen Plüschroboter in der Hand gehalten hat, merkt schnell, wie leicht sich zu einer Maschine eine emotionale Verbindung aufbauen lässt – fast wie in Kindertagen, als man seinem Lieblingskuscheltier Leben eingehaucht hat.
Robotik in der Pflege geht aber noch viel weiter. Das Nürnberger Krankenhaus Martha-Maria beispielsweise hat in Kooperation mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg und Schweinfurt unlängst einen Roboter getestet, der selbstständig die Patienten mit ihren Betten zu Untersuchungen gefahren hat. Das Pflegepersonal wurde dadurch nicht nur körperlich entlastet – ein Klinikbett wiegt immerhin mehr als 200 Kilogramm – sondern hatte mehr Zeit.
Ein Klinikbett wiegt 200 Kilogramm
Das Umbetten gehört zu den körperlich anstrengendsten Tätigkeiten in der Pflege. Bei Heimen besteht deshalb die größte Nachfrage nach maschineller Unterstützung gerade in diesem Bereich, weiß Tolga Guzay, der in Zirndorf ein Beratungsunternehmen für Robotik in der Pflege betreibt: »Da erzielt man die stärkste Entlastung für die Beschäftigten.« Eine weitere Einsatzmöglichkeit sind intelligente Transportsysteme, die es übernehmen, Medikamente oder das Essen zu verteilen. Ein dritter Bereich sei, so Guzay, das große Feld der Unterhaltung. Sprachgesteuerter Roboter können Heimbewohnern die Langeweile vertreiben.
Ein Beispiel hierfür ist Roboter Navel, der beim Münchner Start-up Navel Robotics entwickelt wird. Navel rollt zwar auf zwei Rädern durch die Flure, sieht aber ein bisschen aus wie ein Kind, spricht mit Kinderstimme und verhält sich gegenüber den betagten Heimbewohnerinnen wie ein perfekter Enkel: Er (oder sie?) hört sich geduldig die Lebensgeschichten an, fragt nach, ist immer freundlich und merkt sich Namen und was ihm erzählt wurde. Er analysiert aber auch sein Gegenüber, baut einen Blickkontakt auf, erkennt an der Mimik, wie es dem Menschen geht. Durch KI lernt Navel immer mehr hinzu. Bundesweit ist der Sozialroboter bei rund zwanzig Heimträgern im Einsatz. Auch bei Hochbetagten stößt er auf Sympathie. Sie behandeln ihn wie einen freundlichen Besucher und nicht wie eine Maschine.
Und doch stellt sich die Frage, wann der Einsatz von Robotern in der Pflege an ethische Grenzen stößt. Das Zukunftsmuseum in Nürnberg beschäftigt sich genau damit. Hier werden nicht nur technische Entwicklungen beschrieben. »Wir sind das einzige Technik-Ethik-Museum weltweit«, sagt Susanne Grube, für Bildung und Vermittlung im Nürnberger Ableger des Deutschen Museums zuständig. Beim Einsatz von Pflegerobotern müsse man nicht nur an die zu pflegenden Menschen denken, sondern auch ans Pflegepersonal, dessen Arbeit sich durch die Maschinen womöglich gravierend ändert, sagt sie. Die grundlegende Frage sei aber: »Kann das menschliche Bedürfnis nach Nähe von einer Maschine erfüllt werden?« Und da ist, so die Erfahrung, die Akzeptanz bei hochbetagten und einsamen Menschen im Heim oft größer als bei Jüngeren, die sich so ein Leben noch gar nicht vorstellen können.
Text: Georg Klietz
Foto: Claus Felix
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