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Trauernde brauchen Zeit, Raum und Unterstützung

„Trauer braucht Zeit und Raum.“ Mit diesem kurzen Satz unterstreicht die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) in einer aktuellen Stellungnahme, dass Trauer eine natürliche Reaktion darstellt, „eine normale und hilfreiche Emotion, der Akzeptanz, Wertschätzung und Unterstützung seitens der Gesellschaft zusteht.“
Trauern braucht Zeit, manchmal aber auch zu viel. Die sogenannte “Anhaltende Trauerstörung” soll als Krankheit anerkannt werden. Foto: epd/Andrea Enderlein

„Trauer braucht Zeit und Raum.“ Mit diesem kurzen Satz unterstreicht die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) in einer aktuellen Stellungnahme, dass Trauer eine natürliche Reaktion darstellt, „eine normale und hilfreiche Emotion, der Akzeptanz, Wertschätzung und Unterstützung seitens der Gesellschaft zusteht.“

Trauer gehört ebenso wie die Themen Tod und Sterben enttabuisiert, damit trauernde Menschen diese Zeit mit Unterstützung und in Begleitung von Familienangehörigen und Freunden oder auch mit Hilfe von Trauerbegleitung durch Ehren- und Hauptamtliche durchlaufen können, erklärt Diplompsychologe Jan Gramm für die DGP. Für Einzelne allerdings kann der persönliche Verlust „auch so schwerwiegende und stark belastende Folgen haben, dass der Trauerprozess in eine Störung münden kann, die einer therapeutischen Unterstützung bedarf“, betont die Fachgesellschaft anlässlich der geplanten Einführung einer Diagnose „Anhaltende Trauerstörung“ in das internationale Krankheitsklassifikationssystem ICD-11.

Für die Diagnosestellung braucht es, so Psychotherapeut und Psychoonkologe Urs Münch, Vorstandsmitglied der DGP, auf Seiten der Behandler sehr gute Kenntnisse der Diagnosekriterien und sorgfältiges Vorgehen, um „normale Trauer“ von „komplizierter Trauer“ abzugrenzen. Die Bezeichnung „anhaltende Trauerstörung“ bedeutet nicht, dass jede länger anhaltende Trauer eine psychische Störung darstellt. Vielmehr zeigt eine große internationale Trauerstudie, dass als Leitsymptom für diese Diagnose die „Sehnsucht“ im Sinne eines brennenden Verlangens und als Ausdruck tiefsten Trennungsschmerzes gelten kann, sofern sie täglich auftritt, das Leben deutlich beeinträchtigt und dies über eine sehr lange Zeit. Beschrieben ist außerdem das Zeitkriterium von mindestens sechs Monaten, das – so Jan Gramm – bedeutet, dass frühestens nach einem halben Jahr eine Risikoabschätzung zur zukünftigen Entwicklung einer komplizierten Trauer getroffen werden kann.

Denn nur etwa drei Prozent der Trauernden leiden nach aktuellen Forschungsergebnissen unter einer Form der Trauer, die sie in Lebensführung und Lebensfluss so stark beeinträchtigt, dass ihnen der Zugang zu professioneller Hilfe erleichtert werden sollte. Deshalb geht es nicht darum, den normalen Trauerprozess zu pathologisieren, sondern denen zu helfen, denen bislang eine Unterstützung erschwert wird, weil es keine angemessene Diagnose zur Beschreibung der Komplikationen im Rahmen eines Trauerprozesses gibt. Vielmehr wird wohl meist eine Anpassungsstörung oder eine depressive Störung diagnostiziert. Urs Münch verspricht sich von einer entsprechenden Diagnose „Anhaltende Trauerstörung“, dass sich Ärzte und Psychotherapeuten stärker mit dem Verlauf und der Komplexität von Trauer befassen und sich in deren adäquater Behandlung fachlich qualifizieren, „so dass Betroffene ein ausreichendes auf ihr Problem zugeschnittenes Angebot ambulanter Psychotherapie haben“.

Abschließend unterstreicht Sindy Herrmann, Sprecherin der Sektion Soziale Arbeit der DGP, deren Mitglieder sterbende Menschen wie auch deren Angehörige intensiv betreuen, die Wichtigkeit und Wirksamkeit von Trauerbegleitung, welche von unterschiedlichen Berufsgruppen sowie von geschulten Ehrenamtlichen geleistet wird. Trauerforscher Prof. Dr. Michael Wissert hebt hervor: „Dieses Angebot muss weiter ausgebaut, bekannter gemacht und mit der Palliativversorgung und niedergelassenen Ärzten vernetzt werden. Denn Trauerbegleitung in ihrer gesamten Bandbreite hat nachweislich präventiven Charakter.“

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