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Sportvereine erhalten für Ältere weniger Zuschüsse

Der einstige englische Premierminister Winston Churchill antwortete einmal auf die Frage, welchem Umstand er sein hohes Alter zu verdanken habe: »No sports!« Für die heutige Generation Älterer gilt das offenbar nicht mehr: Immer mehr Senioren halten sich mit Sport fit. Fitness-Studios, Sportvereine und Volkshochschulen verbuchen großen Zulauf. Viele Sportvereine tun sich allerdings mit den Älteren schwer – und das hat finanzielle Gründe.

Trainerin Iris Leibrecht legt Wert darauf, dass Klaus Müller exakt nach ihrem Plan arbeitet. Foto: Michael Matejka
Trainerin Iris Leibrecht legt Wert darauf, dass Klaus Müller exakt nach ihrem Plan arbeitet.
Foto: Michael Matejka
Der einstige englische Premierminister Winston Churchill antwortete einmal auf die Frage, welchem Umstand er sein hohes Alter zu verdanken habe: »No sports!« Für die heutige Generation Älterer gilt das offenbar nicht mehr: Immer mehr Senioren halten sich mit Sport fit. Fitness-Studios, Sportvereine und Volkshochschulen verbuchen großen Zulauf. Viele Sportvereine tun sich allerdings mit den Älteren schwer – und das hat finanzielle Gründe.
In Deutschland gibt es mittlerweile rund 6000 Fitness-Studios mit rund sieben Millionen Besuchern, in Nürnberg und Fürth sind es etwa 90 Gesundheitstempel. Jedes dritte Mitglied ist über 50, rund 15 Prozent zwischen 60 und 80 Jahren. Die Studios entwickeln sich damit auch zunehmend zum Sozial- und Kommunikationstreff für Ältere.
Ob in Beyers Aktivpark in Zirndorf, im Gesundheitsstudio »Lifestyle« in Röthenbach oder bei »Bodyworld« in Nürnberg – täglich ab 8 Uhr stehen die ersten Rentner auf der Matte, auch samstags und sonntags. Spätestens um 9 Uhr ist der Saal voll mit gesundheitsbewussten, schweißglänzenden Senioren in schicken Trainingsanzügen und flotten Trikots. Das von Trainern eigens für sie ausgearbeitete Pensum wird durchgezogen. Die Senioren plagen sich mit Hanteln, stemmen chromblitzende Gewichte, trainieren ihre Muskeln an Geräten und lockern die verspannten Gelenke mit verschiedenen Dehnübungen.
Warum tut man sich das an? Gert Kohl (69), ehemaliger Bürgermeister von Zirndorf: »Früher ist der Sport bei mir zu kurz ge-kommen. Durch das Training und die professionelle Beratung geht es mir jetzt besser.« Susanne (68) gefällt der Mix zwischen Jung und Alt im Studio, Sigrid (62) kann sich beim Zumba-Tanz richtig austoben, und Otto (69) ist überzeugt: »Wenn ich fleißig trainiere, kann ich mir später vielleicht die eine oder andere Operation sparen.«
Zwischendurch ein Mineraldrink
Viele, die ein Leben lang keinen Sport getrieben haben, wachen im Alter auf. »Wir holen sie da ab, wo sie jetzt stehen. Und entwickeln für jeden eine individuell ausgearbeitete Trainingsplanung«, erklärt Juniorchefin Iris Leibrecht von Beyers Aktivpark. Es kommen aber auch Ältere nach Operationen, um sich von Trainern anleiten zu lassen. So wie Hans (63), der sich einen Riss der Achillessehne zugezogen hatte und nun täglich fleißig an den Geräten übt, oder Hildegard (75), die nach Operationen an Hüfte und Knie beweglich bleiben möchte. Zwischendurch genehmigt man sich einen Mineraldrink mit wenig Kalorien oder eine Tasse Kaffee mit Brezel. Und erholt sich anschließend im Wellnessbereich mit Sauna, Dampfbad und Massage.
Das Zeitalter des Jugendwahns führt freilich auch dazu, dass sich 60- bis 70-Jährige mit Bauch- und Potraining abquälen – der Schönheit wegen. So wie jene gebeugte Rentnerin, die zwischen vielen fitten jungen Frauen auffällt, als sie an den Geräten arbeitet. Eine Junge nickt ihr zu, mehr freundlich denn anerkennend: »Fleißig, fleißig!« »Ich muss ja«, antwortet die Angesprochene und verweist nicht etwa auf Osteoporose oder malade Hüften, sondern sie sagt: »Die Konkurrenz ist groß.«
Manche Studios pflegen eine besondere Beziehung zu ihrer älteren Klientel. »Ich habe mir meine Senioren in 25 Jahren aufgebaut, das ist ein langer Prozess«, berichtet Raymond Grauf, Manager im »Lifestyle« in Röthenbach. Großen Stellenwert haben für ihn die Qualität der Ausstattung und der ständige Wechsel der Geräte. Seinem Trainerteam lege er immer wieder nahe, dass es bei der gesundheitlichen Anleitung älterer Menschen nicht nur um »lebensverlängernde Maßnahmen geht, sondern auch um soziale Kompetenz«.
»Wir haben spezielle Übungen für Ältere im Programm«, versichert Gesundheits-Berater Sebastian Bittner von der Volkshochschule Fürth. Auch wenn mittlerweile zu manchen Angeboten weniger Senioren kommen, könne die VHS doch auf eine feste Kundschaft zählen: »Unsere Kurse sind gut besucht.« Den Faktor »Sozial- oder Familientreff« könne er auch für die VHS gelten lassen. »In einer Sportgruppe ein- oder zweimal in der Woche mitzumachen, das ist für manch älteren Menschen, gerade wenn er allein ist, eine willkommene Abwechslung im Alltag«, stellt Bittner fest.
So wie für Christine: »Ich treibe fast täglich Gymnastik und schwimme, damit ich unter Leute komme«, sagt die in Niederbayern aufgewachsene 72-Jährige, die seit 30 Jahren in Franken lebt. Sie ist Mitglied beim Postsportverein Nürnberg. Wie viele andere Amateurvereine auch kämpft der Post SV seit Jahren mit Mitgliederschwund, Mangel an ehrenamtlichen Trainern und Funktionären sowie finanziellen Problemen. Doch wie findet man einen Weg aus der Krise? Der Post SV zeigte Mut und steuerte zur »Inviva 2013« gymnastische Vorführungen auf dem Nürnberger Messegelände bei. Dazu Ursula Heublein, Leiterin des Post-SV-Seniorenclubs: »Das hat sich gelohnt. Nach den Osterferien haben sich wieder verstärkt ältere Neueinsteiger bei uns gemeldet.« Der Verein verfügt über ein eigenes Fitness-Studio in der Kesslerstraße, in dem die Mitglieder regelmäßig trainieren können. »So fühlen sich viele Ältere seit Jahren bei uns zu Hause«, freut sich Ursula Heublein.
Doch der Post SV bildet eine Ausnahme. Nur sechs der 230 Nürnberger Sportvereine haben die Chance ergriffen und auf der »Inviva« Infomaterial zur Verfügung gestellt. Von gerade einmal vier Vereinen kamen Übungsleiterinnen oder Verantwortliche zum Infostand, um vor Ort zu beraten und sich mit dem Team des Bayerischen Landessportverbands (BLSV) auszutauschen. Annette Maul, BLSV-Sportbeauftragte für Ältere im Kreis Nürnberg, kritisiert: »Es ist unverständlich, warum von Nürnberger Vereinen in diesem Jahr so wenig Infomaterial über Seniorensportangebote, Kurse und dergleichen zur Verfügung gestellt wurde.« Sie selbst setzt sich seit 25 Jahren für den Vereinssport ein. Anfang der 90-er Jahre gab sie ihren erlernten Job als Grafikerin auf. Heute unterrichtet sie rund 20 Stunden pro Woche verschiedene Kampfkünste für den Verein »Zanchin Kampfkunst«, an Schulen und in Wirtschaftsunternehmen. Dazu gehört auch Tai-Chi mit Regenschirm oder Spazierstock zur Selbstverteidigung.
In der Stadt Nürnberg sind mehr als 26 Prozent der Bevölkerung über 60. Davon sind jedoch nur knapp 17 Prozent Mitglieder eines Sportvereins. Zeigen die Vereine also zu wenig Interesse an dieser Zielgruppe, wie Annette Maul argwöhnt? Ein Vorsitzender erklärt auf unsere Nachfragen die Motive der Vereine näher: Senioren habe man durchaus genug im Verein, jedoch würden händeringend qualifizierte Übungsleiter für ältere Besuchergruppen gesucht. Denn Sportstunden für Ältere müssten nicht nur inhaltlich, sondern auch methodisch anders gestaltet werden als Turnstunden für Vorschulkinder.
Jugendarbeit bringt Geld
Auch aus finanziellen Gründen halten sich viele Vereine bei Senioren zurück, wie Diskussionen bei der »Inviva« zum Thema Zuschüsse zeigten. »Senioren bringen keine Zuschüsse. Daher haben wir kein Interesse an dieser Zielgruppe. Aber Kinder- und Jugendarbeit, das bringt Geld in die Vereinskasse«, stellte ein anderer Vorsitzender fest. Den Förderrichtlinien des Bayerischen Kultusministeriums zufolge werden Vereinsmitglieder bei der Bemessung des Zuschuss-Betrages unterschiedlich gewichtet. BLSV-Mitarbeiterin Maul kritisiert: »Die Unterschiede sind diskriminierend. Für Kinder und Jugendliche zahlt der Staat zehn Mal so viel Fördermittel wie für Erwachsene und Senioren. Ist denn eine Rentnerin nur ein Zehntel eines Kindes wert?« fragt Maul provozierend.
Horst Mayer

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